In den Halbzeitpausen der Spiele läuft auch in den Weltmeisterschafts-Stadien Werbung, in einem Spot begegnet den Fans ein bekanntes Gesicht: Marcel Desailly, 1998 Weltmeister mit Frankreich, wirbt für Recycling, es ist eine Aktion des Fußball-Weltverbandes unter dem Schlagwort „Save the Planet“. Wer mit der Staatslinie Qatar Airways nach Doha angereist ist, wird den Brasilianer Cafu, einen weiteren Weltmeister, in ungewohnter Rolle gesehen haben. Zusammen mit dem zweimaligen Weltfußballer Robert Lewandowski erklärt er im Bordprogramm, wie man sich anschnallt oder in eine Rettungsweste schlüpft. Auch leibhaftig trifft man in Doha Prominenz: Jürgen Klinsmann tippelt durchs Treppenhaus eines der Stadien. Er ist Mitglied der Technical Study Group
oup der FIFA, die irgendwann nach dem Turnier einen Bericht veröffentlichen wird, den niemand mehr braucht, weil die Nerd-Portale im Internet die Taktik schon ausgeleuchtet haben.Es lohnt sich, bei einer Weltmeisterschaft Star-Appeal entwickelt zu haben. Man hat dann Chancen, eine Position als „FIFA Legend“ zu bekommen und als Botschafter des Fußballs zu wirken. Man bleibt auf ewig im Inner Circle, wird eingeladen, mit Gianni Infantino in dessen Schweizer Heimatgemeinde zu kicken, darf bei einer Auslosung in den Topf greifen oder verdient sich einen schönen Aufenthalt bei der WM. Die zu erbringende Leistung ist, Glanz auf die FIFA und ihren Boss abzustrahlen.Eine Problem-Legende war Diego Maradona, der vor vier Jahren in Russland auf den Ehrenplätzen randalierte, wenn ihn seine Argentinier aufregten. Würde er noch leben, wäre er für Katar gesetzt gewesen. Eine pflegeleichte Legende ist David Beckham. Der Engländer hat auch eine private PR-Verbindung zu Katar, sein bei Qatar Airways laufender Film über einen dreitägigen Aufenthalt im WM-Land ist ein Machwerk der Verniedlichung des WM-Gastgebers zum Urlaubsparadies. Beckham besucht ehemalige Perlentaucher und eine Gewürzhändlerin auf dem Souk, er fährt die Küste entlang Motorrad, spricht mit Falknern, geht ins Museum und isst, isst, isst, immer mit Blick aufs Meer. Über die Arbeitsmigranten, die ihr Leben lassen mussten für den Zauber Katars, verliert er kein Wort. Jetzt ist er auch bei der WM. Klar. Seine Rolle: Der schöne Mann in der Loge.Der Job als FIFA-LegendeManchmal müssen Legenden auch Politik machen. Als Gianni Infantino der Welt einen Zwei-Jahres-Rhythmus der WM-Endrunden aufdrücken wollte, trommelte er seine Legenden in Doha zu einem Symposium zusammen. Der frühere Arsenal-Trainer Arsène Wenger, der keinen Verein mehr findet, aber ein Auskommen bei der FIFA, ersann einen Zeitplan, in dem alles untergebracht würde. Wurde natürlich überwältigend mehrheitlich für gut befunden – nicht nur von Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann, den langjährigen FIFA-Freunden, sondern auch von Legenden-Neuzugang Sami Khedira, der zu seiner Zeit als Spieler von Überbelastung körperlich zerfressen war. Aber nun sagt er den Schlüsselsatz nach: „Man muss allen Ländern und Talenten eine Chance geben.“ Er ist halt FIFA-Legende.Wie Roger Milla. Man erinnert sich: Kamerun, die WM 1990, der Lambada an der Eckfahne. Infantino hofiert den mittlerweile 70-Jährigen immer noch, in Doha überreichte er ihm dieser Tage eine Urkunde dafür, mit 42 (das war 1994) ältester Torschütze der WM-Geschichte gewesen zu sein. Milla ist nützlich für den FIFA-Präsidenten als Minister in Kamerun und Influencer bei den afrikanischen Verbänden, deren Stimmen fast ein Viertel der FIFA-Vollversammlung ausmachen.Glücklich schätzen darf sich Thomas Berthold, bei der FIFA noch immer Anerkennung zu finden. Der deutsche Weltmeister von 1990 hat sich in der Coronakrise der Querdenker-Bewegung verschrieben, trat auf deren Veranstaltungen auf die Bühne, fungierte als Sportchef des Verschwörungs-Organs „Demokratischer Widerstand“. Seine Fußballexperten-Jobs bei den deutschen Medien verlor Berthold allesamt, hat keine Öffentlichkeit mehr. Für die FIFA ist er aber einfach nur ein berühmter ehemaliger Spieler. Bei der Eröffnungsfeier in Katar gehörte er zu den Ehrengästen.