Schön Wahnsinnig

Fußball Lionel Messi wechselt mit 34 Jahren zu Paris Saint-Germain. Das ist wunderbar, gerade weil es jeglicher Logik entbehrt
Ausgabe 36/2021
Egal wie alt: Lionel Messi lässt jede Mannschaft groß wirken
Egal wie alt: Lionel Messi lässt jede Mannschaft groß wirken

Foto: Imago/PanoramiC

Der FC Barcelona hat geweint, weil dieser stolze katalanische Klub seelischen Schmerz verspürt, doch nüchtern und sportlich betrachtet ist es eine gute Sache, dass Lionel Messi nicht mehr für „Barça“ Fußball spielt. Die moderne Datenerfassung ist mit dem argentinischen Superstar unerbittlich gewesen, sie hat ihn überführt, hat festgestellt, dass er in manchen Spielen nur sieben oder acht Kilometer gelaufen ist. Geringfügig mehr als die Strecke, die ein moderner mitspielender Torwart wie Manuel Neuer in eineinhalb Stunden zurücklegt. Es gibt Videosequenzen, die zeigen, wie Lionel Messi, nachdem er einen Ball verloren hat, übers Feld spaziert, als ginge ihn die Veranstaltung nichts an. Ihm braucht ein Trainer mit hohem Anlaufen und der Idee von einem Kollektiv als Pressing-Maschine gar nicht erst zu kommen. Messi ist kein Mannschafts-, sondern ein Individualfußballer, der aber einmal so gut war, dass er seine Mannschaft groß wirken ließ.

Mal abgesehen von den finanziellen Schwierigkeit, von sich aus eine Trennung einzuleiten, das hätte der FC Barcelona nie tun können. Dafür ist man dem besten Spieler seiner Geschichte zu sehr verbunden. In solchen Beziehungen ist es üblich, dass das Ende der Spieler verkündet. Der Verein kann nur hoffen, dass es so kommt, sonst hätte er irgendwann einen 38-Jährigen im Kader, den er entlohnen muss wie einen höchstleistenden 28-Jährigen.

Ein 34 Jahre alter Lionel Messi ist auch nicht der Typ Spieler, den die Scouts von Paris Saint-Germain als das Puzzleteil in den Datenbanken führten, das den ersehnten Triumph in der Champions League bringt.

Trotzdem: Es ist wunderbar, dass Messi zu PSG gewechselt ist. Denn der Fußball braucht einen Klub, der sich aller Logik in seinem Handeln widersetzt, der nicht nach Bedarf einkauft, sondern nach Prominenz und Gelegenheit und ganz einfach deswegen, weil er es kann. Fußball ist ein großer Unterhaltungsbetrieb – und wenigstens einen Wahnsinnigen muss es immer geben.

Meist war das halt Real Madrid. In den nuller Jahren baute sich der Klub ein All-Star-Team zusammen, von dem klar war, dass man es nicht guten Gewissens in einen ernsthaften Wettbewerb schicken könne, ebenso wenig wie die Basketball-Showtruppe der Harlem Globetrotters in ein Match der NBA. Aber den Fans genügte es eigentlich schon, die Fantasie zu entwickeln, wie eine Mannschaft spielen könnte, die nacheinander Luis Figo, Zinedine Zidane, die besten Spieler ihrer Zeit, den Fußballpopstar David Beckham und die brasilianische Sturmrakete Ronaldo verpflichtete. An Verteidiger, die den Rasen aufackern, dachte Real nie, nur an den offensiven Glanz. Das freute die Konkurrenz: Real war eine Attraktion, aber beherrschbar.

Hätte Lionel Messi auch zu Manchester City wechseln können, zu seinem früheren Mentor Pep Guardiola? ManCity hätte ihn sich leisten können, hier zahlt der Scheich aus Abu Dhabi alles, was der Trainer will. Doch Guardiola hat mit einem Messi gearbeitet, der Mitte zwanzig war, ein anderer Spieler; am alternden würde er verrückt werden. Darum ist Messi beim anderen Scheich gelandet, dem aus Katar, der bei PSG alles begleicht.

Nun ist PSG noch verrückter aufgestellt als damals Real. Messi, Neymar, Kylian Mbappé – eine Offensivreihe wie in einem Videospiel. Messi kostet 40 Millionen Euro Gehalt im Jahr, das der Klub nicht an anderer Stelle einsparen kann, weil kein Spieler zu gehen bereit ist – jeder will einmal mit ihm spielen. Und was PSG an Messi-Trikots mehr verkauft, fehlt dann an Neymar-Trikots.

Paris Saint-Germain ist wahnsinnig. Ein Grund, diesem Verein voller Lust zuzusehen.

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