3G+: Genesen, Geimpft und dann positiv Getestet

Covid-19 Politiker haben keinerlei Rechtfertigung dafür, Genesene schlechter zu stellen als Geimpfte.

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Politiker und Experten haben viel von einer Pandemie der Ungeimpften geredet. Wie sieht die Evidenz aus? Israel hat die besten Daten gesammelt. Neuerdings gibt es auf der Seite der israelischen Regierung sogar einen Datensatz zu Infektionen von Personen, die zuvor bereits von Covid-19 genesen waren. Alle Daten, die wir benötigen, lassen sich in einer Abbildung darstellen, wenn auch mit drei Einzelgrafiken.

Die linke Grafik der Abbildung zeigt den Fortschritt der Impfkampagne als Prozentsatz der Gesamtbevölkerung. Der Anteil Ungeimpfter ist rot dargestellt, derjenige einfach Geimpfter schwarz, derjenige Grundimmunisierter (zwei Impfdosen) blau und der Anteil derjenigen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, grün. Eingetragen ist auch der Anteil derjenigen, die genesen sind (violett). Dafür habe ich die Gesamtzahl mindestens 14 Tage zurückliegender positiver Tests angesetzt.

Die mittlere Grafik der Abbildung zeigt, wie sich die neuen positiven Tests auf diese Gruppen verteilen. Auffällig ist hier, dass Ende Juli bis Mitte August die Gruppe, die am stärksten zu positiven Tests beitrug, diejenige der Grundimmunisierten war. Derzeit ist es die Gruppe derjenigen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben. Nun muss man natürlich berücksichtigen, dass es sich auch um die jeweils größte Gruppe handelt. Außerdem ist es sinnvoll, sich anzuschauen, wie viele Tests durchgeführt wurden. Die Testaktivität ist naturgemäß in Epidemiewellen höher. In der rechten Grafik der Abbildung ist der passend skalierte zeitliche Verlauf der Testzahl als graue Hintergrundfläche gezeigt. Dort ist auch das relative Risiko eines positiven Tests dargestellt, also der Anteil positiver Tests in einer Gruppe geteilt durch den Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung. Zahlen über 1 zeigen ein erhöhtes Risiko als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung an, solche unter 1 ein geringeres.

Zunächst sehen wird, dass das Risiko eines positiven Tests bei Ungeimpften tatsächlich etwas höher liegt. Allerdings ist der Faktor stark zeitabhängig, was kaum physiologische Gründe haben kann. Gerade während starker Epidemiewellen ist das Risiko positiver Tests bei Ungeimpften nur leicht erhöht, dasjenige Grundimmunisierter in der Sommerwelle und aller Geimpften im Januar liegt sehr nahe am Gesamtdurchschnitt. Lediglich die Genesenen schneiden derzeit deutlich besser ab, aber auch für diese scheint sich in Epidemiewellen das Risiko zu erhöhen.

Wir sehen hier ein unerwartetes Phänomen. In Epidemiewellen haben zuvor Immunisierte eine höhere scheinbare Infektionswahrscheinlichkeit als außerhalb solcher Wellen. Eine Erklärung, oder wenigstens eine Teilerklärung, bietet die 3G-Regel. Das israelische Äquivalent war der Green Pass. Er wurde am 21. Februar eingeführt und am 1. Juni zunächst aufgehoben. In diesem Zeitraum findet sich der erste Höhepunkt des Risikos Ungeimpfter, einen positiven Test zu erhalten. Es ist klar, dass in diesem Zeitraum Ungeimpfte eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, überhaupt getestet zu werden.

Am 21. Juli hat die israelische Regierung den Green Pass wiedereingeführt. Genau zu diesem Zeitpunkt begann der starke Wiederanstieg des scheinbaren Infektionsrisikos Ungeimpfter. Wenn die Gruppen ähnlich stark getestet werden, scheinen Ungeimpfte kaum ein erhöhtes Infektionsrisiko zu haben. Selbst die kleine Erhöhung über 1 ist kein sicheres eines Impfschutzes Zeichen, weil anzunehmen ist, dass Ungeimpfte im Durchschnitt auch mit Hygienregeln laxer umgehen.

Interessant ist, dass Genesene, seit ihre Fälle statistisch gesichert erfasst wurden, ein deutlich geringeres Risiko positiver Tests aufwiesen als Grundimmunisierte. Die Auffrischungsimpfung scheint für einen kurzen Zeitraum von etwa zwei Monaten ähnlich erfolgreich gewesen zu sein. Erst mit dem Anstieg der Omikron-Welle näherte sich auch für Genesene das Risiko positiver Tests demjenigen andere Gruppen an, blieb aber darunter.

Nun gibt es auch in Israel Menschen, die genesen sind und dann noch geimpft wurden. Die violetten Linien erfassen ungeimpfte und geimpfte Genesene, weil ich keine Daten haben, welcher Anteil der Genesene auch noch geimpft wurde. Bekannt ist allerdings, wie sich die positiven Tests bei Genesen auf ungeimpfte und geimpfte Genesene verteilen. In der Woche vom 9.-15. Januar haben in Israel 15314 geimpfte Genesene und 19741 ungeimpfte Genesene einen positiven Test. Die geimpften Genesenen machen also 44% aller Fälle unter Genesenen aus. Unabhängig davon, welcher Prozentsatz der Genesenen in Israel auch noch geimpft wurde, gibt es keinen Grund, so etwas überhaupt zu tun.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gunnar Jeschke

Naturwissenschaftler, in der DDR aufgewachsen, gelebt in Schwarzheide, Dresden, Wako-shi (Japan), Bonn, Mainz, Konstanz und Zürich.

Gunnar Jeschke

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