Das sind sie

dieBasis Wenn am Sonntag in Sachsen-Anhalt die Stimmen gezählt werden, könnte es eine Überraschung geben.

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Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog
Hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein
Denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
Und dass passt in Spatzenhirne nicht hinein

Gerhard Schöne

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 28. März ein überraschendes Ergebnis gezeitigt. Nach den üblichen Verdächtigen und den Freien Wählern auf Platz 7 (3.0%) fanden sich auf den Plätzen 8 und 9 dicht gedrängt Die Partei (1,2%) und dieBasis (1,0%). Von diesen Parteien sind die Freien Wähler in Bayern an der Regierungskoalition beteiligt und Die Partei ist durch Streitigkeiten ihrer Abgeordneten im EU-Parlament bekannt. Aber wer ist dieBasis, die vor all den anderen Kleinparteien eingekommen ist, die Sie aus Wahlwerbespots kennen?


Diese Partei wurde erst am 4. Juli 2020 mit zunächst 45 Mitgliedern gegründet. Diese 45 hatten mit mir schon damals zumindest Eines gemeinsam: Die Corona-Politik aller im Bundestag vertretenen Parteien ist ihnen sehr sauer aufgestoßen. Anfang März 2021 hatte die Basisdemokratische Partei Deutschlands – so lautet ihr voller Name – 7500 Mitglieder. Anfang Mai 2021 waren es bereits doppelt so viele. Die Partei als Ganze hat auch etwas mit mir gemeinsam. Es ist kurz und bündig in § 2 Ziffer (2) ihrer Satzung als Parteizweck formuliert: „Totalitäre, diktatorische, gewalttätige sowie undemokratische Bestrebungen jeder Art lehnt die Partei entschieden ab.“ Kann man dem vertrauen? Um das zu entscheiden, sollten wir uns anschauen, welche Persönlichkeiten für diese Partei stehen.

Wolfgang Wodarg

Wolfgang Wodarg war von 1994-2009 bereits Mitglied des Deutschen Bundestags, damals für die SPD. Von 1999-2005 war er Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission Recht und Ethik. Er war Initiator der Untersuchungen des Europarates zur Pandemie H1N1 2009/10, zur Rolle der Impfstoffhersteller und der WHO. Bereits damals wusste er, wovon er sprach, denn er hat Medizin studiert, war 1981-1994 Amtsarzt in Flensburg und verantwortlich unter anderem für die Reisemedizinische Beratungsstelle und die Gelbfieberimpfstelle. Im Jahr 1991 hat er ein Stipendium der Johns Hopkins University für Epidemiologie und Gesundheitsökonomie erhalten. Von 1985 bis 1994 war er in den Prüfungsausschüssen für Umweltmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde der Ärztekammer tätig.

Stephan Kohn

Auch Stephan Kohn gehörte früher der SPD an und auch er hat erhebliche politische Erfahrung. Bis Anfang Mai 2020 war er im Bundesinnenministerium als Oberregierungsrat in der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz beschäftigt. Dabei war er unter anderem für medizinische Infrastruktur zuständig. Stephan Kohn wurde suspendiert, weil er unter Hinzuziehung von Ärzten und Wissenschaftlern in einer Studie die Gefahren der Corona-Politik der Bundesregierung im Frühjahr 2020 analysiert hatte. Das gehörte ganz klar zu seinem Aufgabengebiet, dem Schutz der Infrastruktur. Zehn der Experten, die ihn bei dieser Analyse beraten hatten, unterstützten ihn in einem offenen Brief, darunter Andreas Sönnichsen, damals Vorsitzender des Netzwerks für evidenzbasierte Medizin e.V.

Sucharit Bhakdi

Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi ist der Entdecker der Porenbildung in Zellmembranen als Angriffsmechanismus von Zellen gegeneinander. Die Zahl von Wissenschaftlern, die Entdeckungen dieses Ranges gemacht haben, ist überschaubar. Bis 2012 hat der das Institut für Medizinische Mikrobiologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz geleitet. Seitdem ist er Professor im Ruhestand, war allerdings bis zum Dezember 2020 als Gastwissenschaftler an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig. Sucharit Bhakdi ist, wie auch Günter Wallraff, einer der Erstunterzeichner des Appells für freie Debattenräume.

Martin Schwab

Der Jurist Martin Schwab war 2010-2013 Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin. Er gehörte ehemals der Ökologisch-Demokratischen Partei an. Seit 2015 hat er den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Verfahrens- und Unternehmensrecht an der Universität Bielefeld inne. Er hat mehrere rechtswissenschaftliche Bücher veröffentlicht, darunter 2005 Grundzüge des Zivilprozessrechts. Martin Schwab hat eine Einschätzung der Verunglimpfung von Wolfgang Wodarg abgegeben.

Reiner Füllmich

Der Jurist Reiner Füllmich ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Nürnberg mit einer Spezialisierung auf Verbraucherschutz. Er hat 1990 ein Buch Der Tod im Krankenhaus und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten veröffentlicht. Zuletzt hat er unter anderem die Vorläufige Außervollzugsetzung der Niedersächsischen Verordnung über Beherbergungsverbote zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung) vom 9. Oktober 2020 vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg erstritten. Die Kosten wurden dem Antragsgegner (Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin) auferlegt. Die Außervollzugsetzung wurde als allgemeinverbindlich erklärt.

Volker Bruch

Der Schauspieler Volker Bruch ist den meisten wohl aus der Rolle des Kommissars Gereon Rath in Babylon Berlin bekannt, für die er 2018 mit der Goldenen Kamera als Bester Schauspieler ausgezeichnet wurde. Die Produktion insgesamt wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Volker Bruch ist einer der Initiatoren von #allesdichtmachen.

Bis auf Martin Schwab dürften ihnen all diese Personen durch Diskreditierungsversuche in den vergangenen Monaten bekannt sein. Diese Erfahrung teilen sie unter anderen mit der ehemaligen Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie der Universität Zürich, Prof. em. Dr. Karin Mölling, John Ioannidis von der Stanford University und Sunetra Gupta von der Oxford University. Eine einigermaßen repräsentative Aufzählung von in den letzten Monaten diskreditierten Professionellen würde hier wirklich zu weit führen. Ich empfehle stattdessen, die oben zitierten Liedzeilen von Gerhard Schöne noch einmal zu lesen.

Hat dieBasis eine Zukunft?

Ob dieBasis übermorgen bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt die Schwelle von 1,5% der Wählerstimmen überschreitet, ab der Wahlkampfkostenrückerstattung gezahlt wird, steht in den Sternen. Andererseits könnte sie sogar in den Landtag einziehen. Anhand der Umfragen kann man das sicher nicht vorhersagen, schon weil viele dem Wahlgeheimnis stärker trauen dürften als dem Umfragegeheimnis. Einen Hinweis gibt eher der Umschwung der letzten Wochen im Tenor der Corona-Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien. Immerhin entfallen in der letzten Wahlumfrage für Sachsen-Anhalt, die heute im ZDF-Morgenmagazin erwähnt wurde, 7% auf Parteien, die derzeit nicht im Landtag vertreten sind. Dabei sind die FDP sowie die gegenwärtig bei 3% liegenden Freien Wähler bereits gesondert ausgewiesen. Ich wäre kaum überrascht, wenn unter den nicht aufgeschlüsselten 7% eine Partei mehr Nennungen als die Freien Wähler erhalten hat. Das ZDF ist nicht unbedingt bekannt dafür, unbequeme Nachrichten bekannt zu machen, wenn sich das vermeiden lässt.

Recht wahrscheinlich erscheint mir angesichts dem Meinungsumschwungs der letzten Monate und des Wachstums der Partei, dass dieBasis im Herbst in den Bundestag einziehen wird. Das Potential an Wählern, die von den politischen Begleiterscheinungen der Covid-19-Pandemie gründlich die Nase voll haben, zugleich aber nichts mit der AfD am Hut, liegt sehr deutlich über 5%. Vielen von ihnen sind Professionelle wie die oben beschriebenen Exponenten der Basisdemokratischen Partei Deutschlands. Viele Professionelle dürften auch das innerparteiliche Konsensmodell der Partei und ihren Einsatz für mehr direkte Demokratie schätzen.

Fall Sie in Sachsen-Anhalt wahlberechtigt sind und sich nicht für eine Briefwahl entschieden hatten: Tun Sie etwas für Ihr Bundesland. Tun Sie etwas für die Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung. Gehen Sie am Sonntag wählen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gunnar Jeschke

Naturwissenschaftler, in der DDR aufgewachsen, gelebt in Schwarzheide, Dresden, Wako-shi (Japan), Bonn, Mainz, Konstanz und Zürich.

Gunnar Jeschke

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