Der tendenzielle Fall der Hospitalisierungsrate

Covid-19 Die Omikron-Welle führt zu vielen positiven Tests, nicht aber zu einer merklichen Belastung des Gesundheitssystems.

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Die Omikron-Variante von SARS-Cov2 erzeugt eine dem Wesen nach leichte Erkältungskrankheit der oberen Atemwege. Die Lunge wird sehr selten befallen und der für Covid-19 typische Geruchs- und Geschmacksverlust tritt nicht auf. Gleichwohl warnen Interessenvertreter, Politiker und Journalisten sehr laut vor einer Überlastung des Gesundheitswesens. Ob diese Warnung zu den vorliegenden Daten passt, überprüfe ich hier. Zunächst betrachten wir drei europäische Länder, in denen die Omikron-Welle bereits sehr weit fortgeschritten ist, darunter Dänemark, von wo aus sie auf Deutschland überspringt (Abbildung 1).

Beachten muss man einen Umstand, der in der öffentlichen Diskussion völlig ausgeblendet wird. Nach wie vor gibt es auch Infektionen durch andere SARS-Cov2-Varianten. In Dänemark stiegen bis Anfang Januar die Intensivstationsbelegung und die Normalstationsbelegung durch Covid-19-Patienten tatsächlich an. Damit setzte sich aber nur ein Trend fort, der bereits vor dem Aufkommen der Omikron-Variante sichtbar war. Tatsächlich scheint auch bis Anfang Januar die Inzidenz durch andere Varianten noch gewachsen zu sein. Das muss man so vorsichtig formulieren, weil nicht grundsätzlich bestimmt wird, ob positive Tests durch Omikron bedingt sind. Es ist nicht genau klar, wie der für ein Land angegebene Omikron-Anteil ermittelt wird. Zudem ist er nur in großen Zeitabständen bekannt. Dazwischen habe ich mit hermiteschen kubischen Splines interpoliert, was aber nur als grobe Näherung des tatsächlichen Zeitverlaufs gelten darf. In jedem Fall sieht man einen Rückgang der Infektionen durch andere Varianten erst um die Jahreswende, kurz danach flachen die Hospitalisierungen in Dänemark aber auch ab oder gehen sogar leicht zurück.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für Italien. Hier war der Anstieg der Krankenhausbelastung stärker als in Dänemark und beschleunigte sich sogar leicht. Ein ähnliches Verhalten findet man allerdings auch für die positiven Tests, die anderen Varianten zuzuordnen sind. Italien befand sich in einer klassischen Covid-19-Welle. Zuletzt scheint diese aber nun etwas abzuflachen, nachdem der Omikron-Anteil 50% überschritten hat.

Besonders interessant ist Großbritannien, weil hier der Höhepunkt der Omikron-Welle bereits überschritten zu sein scheint, wenn auch noch nicht so lange wie in Südafrika. Die Belegung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten ist während der gesamten bisherigen Omikron-Welle gesunken. Auf den Normalstationen finden wir allerdings einen Anstieg, der zur Form des Anstiegs durch die Omikron-Welle passt. Inzwischen scheint auch diese Welle den Höhepunkt erreicht oder leicht überschritten zu haben. Inwiefern sie als ungewöhnliche Belastung gelten kann, klären wir weiter unten mit Daten des britischen Gesundheitssystems NHS.

In Deutschland ist die Omikron-Welle wesentlich weniger weit fortgeschritten als in den gerade diskutierten Ländern. Wir vergleichen die deutschen Daten daher auch mit denen der Schweiz und der Niederlande (Abbildung 2), wobei die Welle in der Schweiz ähnlich weit wie in Italien fortgeschritten ist. Allerdings war in der Schweiz vor dem Aufkommen von Omikron bereits der Höhepunkt der Welle durch die anderen Varianten (vor allem Delta) überschritten. Dementsprechend fällt in der Schweiz die Intensivstationsbelegung mit Covid-19-Patienten bereits etwa seit Weihnachten. Die Omikron-Welle hat daran nichts geändert. Allerdings ist die Normalstationsbelegung nicht gesunken, sondern leicht gestiegen, wenn auch nicht annähernd in dem Maß, wie der Anteil positiver Tests.

Ein noch einmal leicht verschiedenes Verhalten sieht man in den Niederlanden. Dort ist eine steil ansteigende Covid-19-Welle im Anteil positiver Tests nicht zu sehen. Das könnte aber damit zusammenhängen, dass simultan die Delta-Welle stark abfällt. Diese Erklärung ist konsistent mit dem Verkauf der Intensivstations- und Normalstationsbelegung durch Covid-19 zugeordnete Patienten. Zuletzt flacht dieser Rückgang bei den Normalstationen möglicherweise etwas ab.

Das Bild in Deutschland liegt zwischen denjenigen in der Schweiz und in den Niederlanden. Für die Analyse der schlechten deutschen Daten musste ich mehr Aufwand betreiben. Erstens meldet Deutschland die Zahl durchgeführter Tests sehr viel später als andere Länder. Deshalb habe ich vermutlichen Testzahlen angenommen und in diesem Bereich den Positivanteil nur mit offenen Kreisen dargestellt. Zweitens musste ich anstelle der von Deutschland nicht gemeldeten Normalstationsbelegung die Zahl der Neuaufnahmen verwenden, die das RKI in den Tagesberichten (aber nicht als Zeitreihe) veröffentlicht. Weil das etwas andere Daten als bei den anderen Ländern sind, habe ich ein etwas dunkleres Grün verwendet. Auch in Deutschland sieht man einen kontinuierlichen Rückgang der Intensivstationsbelegung durch Covid-19-Patienten und zunächst einen Rückgang und dann ein Abflachen desselben bei den Normalstationen.

Keiner der Datensätze, die wir gesehen haben, legt ein mögliches Problem durch die Omikron-Welle auf Intensivstationen nahe. Das war nach allem, was wir über die Krankheitsverläufe bei dieser Variante wissen, auch nicht zu erwarten. Allerdings scheint Omikron zu Aufnahmen auf Normalstationen zu führen. Ist das relevant? Dazu schauen wir uns zunächst an, in welchem Verhältnis die Anzahl der Covid-19-Patienten auf Normalstationen zur Krankenhausbelegung steht.

Die linke Kachel von Abbildung 3 zeigt die vom britischen Gesundheitssystem erfassten Daten zu monatlichen Krankenhauseinweisungen. Ich habe nur die Pflichteinweisungen (schwarz) berücksichtigt. Die Gesamtzahl ist etwa doppelt so hoch. Man würde dann aber den Zeitverlauf für die Covid-19-Patienten (grüne Punkte) fast gar nicht mehr erkennen können. Es gibt ja sicher auch ambulante Untersuchungen in Krankenhäusern, wenn auch vermutlich solche mit positivem Covid-19-Test. Interessant ist hier, dass die Daten im Mai 2020 abbrechen, nachdem sie im März bis Mai stark gefallen waren. In diesem drei Monaten sieht man eine dramatische Fehlentwicklung durch die Überreaktion der Politik auf die Pandemie. Damals sind sehr viel mehr Patienten nicht im Krankenhaus behandelt worden, bei denen das vermutlich nötig gewesen wäre, als je während Covid-19 behandelt wurden.

Es gab nie ein Problem auf Normalstationen durch hohe Zahlen von Covid-19-Patienten, schon gar nicht gibt es jetzt eines während der Omikron-Welle. Allerdings sammelt das britische Gesundheitssystem inzwischen sehr interessante andere Daten. Seit dem 1. Oktober 2021 wird dort zwischen Patienten unterschieden, die nur wegen eines positiven Tests Covid-19 zugeordnet wurden (das kann auch bei einem Schlüsselbeinbruch geschehen), und solchen, die wegen Covid-19 im Krankenhaus sind. Wie man in der linken Kachel von Abbildung 3 sieht, ist der Anstieg der wegen Covid-19 behandelten Patienten in der Omikron-Welle deutlich geringer, als die international gemeldeten Daten nahelegen. Es lohnt sich, diese Daten noch in einer anderen Darstellung anzusehen. Abbildung 4 zeigt den Zeitverlauf des prozentualen Anteils der primär wegen Covid-19 aufgenommenen Patienten an den Covid-19 zugeordneten Patienten. Bis zur Omikron-Welle lag dieser stabil bei etwa 75%. In der Omikron-Welle ist er bis auf etwa 57% gefallen.

Die Omikron-Welle macht die Falschdarstellungen in der Covid-19-Pandemie offensichtlich. Es wird Zeit, dass die Gesellschaft ihren Panikmodus verlässt. Dieser richtet zu viel Schaden an.

Mein Dank gilt Barnaby Skinner von der NZZ für den Hinweis auf die Daten des britischen Gesundheitssystems NHS.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gunnar Jeschke

Naturwissenschaftler, in der DDR aufgewachsen, gelebt in Schwarzheide, Dresden, Wako-shi (Japan), Bonn, Mainz, Konstanz und Zürich.

Gunnar Jeschke

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