Was ist eigentlich die Neue Rechte?
Intelligente und informierte Journalisten benutzen den Begriff des Populismus für jede gegen das Establishment gerichtete Kritik, die nicht intellektuell unterfüttert ist, und den Begriff der Neuen Rechten für jede solche Kritik, die sich intellektuell aus einer wertkonservativen und an nationalen Interessen orientierten Haltung herleitet. Da auch unter Politjournalisten Intelligenz, Informiertheit und Interesse nicht die Norm sind, wie man in Bezug auf Großbritannien zum Beispiel im Roman „Premierminister“ des britischen Politjournalisten Andrew Marr nachlesen kann, ist die tatsächliche Verwendung des Begriffes etwas unschärfer. Der lesenswerte Artikel über die Neue Rechte (https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Rechte) in der deutschsprachigen Wikipedia erwähnt schon anfangs das, worum es mir hier hauptsächlich geht: „Charakteristisch für die Neue Rechte ist eine Fundamentalkritik an zentralen Verfassungsnormen, in Deutschland auch die Ablehnung tragender Prinzipien des Grundgesetzes […]“.
Ein weiteres Zitat, das sich im Wikipedia-Artikel findet und mir wichtig ist, stammt ursprünglich aus dem Buch „Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland" (Springer, Wiesbaden, 2004, S. 85) von Steffen Kailitz: „Als wesentliches neues Element der ‚Neuen Rechten‘ gilt gemeinhin, dass sie sich auf den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci beruft und danach strebt, die ‚kulturelle Hegemonie‘ zu erringen, um auf dieser Grundlage die politischen Verhältnisse umzuwälzen.“ Nach Gramscis Theorie muss durch publizistische Tätigkeit der „Elitediskurs“ unterwandert werden, um Akzeptanz für die eigenen ideologischen Inhalte zu gewinnen. Meinungsumfragen, die Popularität der AfD und eine Analyse von Leserforen in Online-Medien, wie etwa faz.net, lassen mich den Eindruck gewinnen, dass diese Unterwanderung mit der Hilfe von Internet-Technologien bereits in gewissem Maße gelungen ist und immer besser gelingt.
Oberflächliche Journalisten assoziieren linke Bewegungen mit der Vertretung der Interessen von Unterschichten und Geringverdienern und bisweilen sogar mit einer ökologisch orientierten Programmatik und rechte Bewegungen mit einer „Recht-und-Ordnung“-Programmatik und einer Vertretung der Interessen der Wirtschaft. Nach dieser Einordnung werden selbst die Grünen oft noch als linke Partei wahrgenommen, was sie seit Langem weder als Partei noch in Bezug auf ihre Wähler sind. Die Kern-Klientel der Grünen ist mit dem Begriff „Bionade-Biedermeier“ gar nicht so unzutreffend beschrieben. Es ist von Interesse, ob das Bionade-Biedermeier anfällig für eine Unterwanderung durch die Neue Rechte ist oder dieser von seinen Einstellungen her antagonistisch gegenübersteht. Maxim Biller, sicher kein Dummer, hat bemerkt, dass der Prenzlauer Berg, also die Heimat des Bionade-Biedermeiers, derjenige Teil Berlins ist, der einer „national befreiten Zone“ (https://de.wikipedia.org/wiki/National_befreite_Zone) am nächsten kommt. Der Aufschrei war groß, aber die Beobachtung ist richtig. Der schon tot geglaubte deutsche Spießer ist wiederauferstanden, in grün, und wo er es sich finanziell leisten kann, stimmt er mit den Füßen national ab.
Umgekehrt vertritt die Neue Rechte schon seit geraumer Zeit ökologische Positionen- das wird nur in der öffentlichen Diskussion selten wahrgenommen. Was nun die Frage betrifft, die Interessen welchen Teils der Gesellschaft die Neue Rechte vertreten will, so ist die kurze Antwort, dass sie behauptet, die Interessen einer ethnisch und kulturell homogenen Volksgemeinschaft zu vertreten. Das Ziel ist also, zumindest ideologisch gesehen, dasjenige, das auch der Nationalsozialismus vorgab zu verfolgen: Die Auflösung des ökonomischen Interessengegensatzes in einer nationalen Gemeinschaft. Entsprechend finden sich „jungkonservative“ und „nationalrevolutionäre“ Strömungen nebeneinander, in der Regel ohne sich in Flügelkämpfen gegenseitig zu verschleißen. Zwar muss letztendlich in der Programmatik einer Partei ein Interessenausgleich in diesen Fragen gefunden werden, diese Interessen gelten aber als nachrangig gegenüber den nationalen.
Bis zu diesem Punkt haben wir noch keinen Unterschied zwischen der Ideologie der Neuen Rechten und derjenigen des Nationalsozialismus gefunden. Ökologische Ideen vertragen sich auf das Beste mit der Blut-und-Boden-Romantik und lokale Produkte mit der Heimatverbundenheit. Einen Unterschied gibt es aber doch: Die Neue Rechte hat den Rassismus durch einen Ethnopluralismus ersetzt. Die Ethnien werden nicht mehr in Über- und Untermenschen eingeteilt, sie sind prinzipiell gleichberechtigt, sollen sich aber eben nicht in einem Staat mischen. Die Neue Rechte will den national befreiten Staat, obwohl ihre Vordenker zu vorsichtig wären, das so zu formulieren.
Das ist auch der Grund, warum sich die Parteien aus verschiedenen Staaten, die diesem Bereich des Spektrums angehören oder nahe stehen, untereinander so gut vertragen und dass sie allesamt kein Problem mit Putins Russlandmodell haben. Man sollte diese friedliche Koexistenz der nationalen Bewegungen und ihre gegenseitige Unterstützung in der gegenwärtigen geschichtlichen Periode aber nicht dahingehend interpretieren, dass ein Europa aus den von ihnen angestrebten ethnisch homogenen Nationalstaaten friedlich sein würde. Wo nationale Interessen den obersten Rang in der Werteskala einnehmen, sind Gegensätze zwischen verschiedenen nationalen Interessen potentielle Kriegsgründe, und Interessengegensätze gibt es zwangsläufig.
Ist die Neue Rechte antielitär?
Die Neue Rechte schwimmt auf einer Welle der Empörung von Teilen der Bevölkerung über die von der Lebensrealität dieser Leute völlig losgelösten Eliten. Die gegenwärtigen Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien folgen zumeist nicht rationalen Erwägungen und sind oft nicht einmal über die tatsächlichen Verhältnisse informiert. Sie betreiben entweder Interessenpolitik für kleine Gruppen mit überproportionalem Vermögen und politischem Einfluss oder folgen, wie die EU-Kommission, festen ideologischen Vorstellungen. Oft findet Beides gleichzeitig statt und die zugrunde liegende Ideologie ist mit dem Begriff neokonservativ nicht falsch bezeichnet, auch bei der SPD und den Grünen nicht.
Die Neue Rechte will diese Eliten sicher ablösen, schon weil sie einer anderen Ideologie anhängen. Die Neue Rechte ist aber nicht gegen Elitebildung per se, vielmehr findet sie, dass die gegenwärtigen Eliten in Bezug auf ihre Integrität, ihr Pflichtbewusstsein und ihren Bildungsstand gar keine sind. In erschreckend hohem Grade ist dieser Befund sogar richtig.
Die Neue Rechte hängt, zumindest in Deutschland, den gleichen Gedanken an, auf denen Hitlers Führerprinzip beruhte, obwohl ihre Vordenker auch das aus offensichtlichen Gründen so nicht formulieren würden. Die Grundidee könnte weiten Teilen der Bevölkerung so plausibel und attraktiv erscheinen wie damals. Wer eine Führungsposition erhält, trägt dann auch die Verantwortung für sein Handeln. Der Nachwuchs für die Führungspositionen wird durch gezielte Elitenerziehung und Elitebildung ausgewählt. In Frankreich etwa wirkt dieser Gedanke weniger attraktiv, weil gezielte Elitenausbildung und -auswahl dort schon betrieben werden und die Ergebnisse bekanntlich nicht so beeindruckend sind. Die Neue Rechte würde das durch die fehlende Verantwortung erklären.
Kann es wieder passieren?
Weite Teile der Gesellschaft in Deutschland scheinen zu glauben, dass die parlamentarische Demokratie fest verankert ist, das Potential einer Neuen Rechten bundesweit dauerhaft unterhalb der Schwelle einer absoluten Mehrheit bleiben wird und dass deshalb eine Ausgrenzung aller Kräfte, die nach der Neuen Rechten riechen, wie es etwa die AfD tut, eine gute Strategie ist. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Neuen Rechten findet daher praktisch nicht statt. Ignorieren geht vor diskutieren.
Diese Haltung findet sich besonders unter den gegenwärtigen Eliten. Die Einladung der telegenen Frauke Petry, wie übrigens auch der telegenen Sarah Wagenknecht, zu Talkshows hat mit inhaltlicher Auseinandersetzung wenig zu tun, wie überhaupt Talkshows selten mehr als Verlautbarungen bekannter Positionen erbringen.
Der Grundkonsens ist, dass die deutsche Bevölkerung aus der Katastrophe von 1933-1945 gelernt habe und heute so aufgeklärt sei, dass sie in ihrer Mehrheit auf einen Populisten wie Hitler nicht hereinfallen würde. Zumeist wird auch angenommen, dass Hitler und die Nationalsozialisten ohnehin nur krude Ideen hatten, die eigentlich jeder vernünftige Mensch auch damals sofort hätte als solche erkennen müssen. An dieser Stelle muss ich Sie enttäuschen, lieber Leser. Für diese Annahmen spricht nichts.
Die aus heutiger Sicht sofort als krude zu erkennenden Ideen sind die anti-semitischen und die Zuweisung aller Missstände des damaligen Parlamentarismus und der damaligen Presse an eine jüdische Weltverschwörung. Es verwundert aber nicht, dass diese Ideen damals vielen nicht als krude aufgefallen sind. Antisemitismus entsprach dem Zeitgeist, vor 1933 in fast allen Ländern Europas mehr noch als in Deutschland. Selbst die USA waren damals nicht völlig frei von Anti-Semitismus und selbst in den 1950er Jahren war eine jüdische Abstammung in vielen amerikanischen Studentenverbindungen noch ein Nichtaufnahmegrund.
Allgemein ist es so, dass Zeitgeist-Ideen oft in vorherigen und späteren geschichtlichen Perioden als krude erscheinen. Das wird einigen der heute weitgehend akzeptierten Ideen nicht anders ergehen. Zudem ist der Anti-Semitismus nicht einmal infolge des Holocaust völlig verschwunden, wie man eigentlich hätte annehmen müssen, wenn Menschengruppen wirklich durch rationales Denken gesteuert wären. Das sind sie nicht, wie die Massenpsychologie schon 1911 wusste (Gustave Le Bon, Psychologie der Massen, Nikol Verlag, 12. Aufl. 2015). Die auf Le Bons Ideen und den Ideen von Bernays aus der Zeit um 1928 (Edward Bernays, Propaganda, orange press, 6. Aufl. 2015) beruhende Massenpropaganda der damaligen faschistischen Bewegungen würde in der gleichen Form heute nicht mehr funktionieren. Die Theorien, wie man eine Gesellschaft beeinflusst, haben sich aber ebenfalls weiterentwickelt. Ein Beitrag in der Folge Le Bons ist der bereits oben diskutierte von Gramsci. Die Weiterentwicklung von Bernays‘ Ideen durch Marketingtheoretiker füllt Bände und man nehme doch nicht an, dass die Denker der Neuen Rechten dieses Instrumentarium nicht kennen würden.
Die Vorstellung vom im Prinzip primitiven und als Scharlatan erkennbaren Hitler vernachlässigt auch, dass ähnliche Bewegungen sogar unter völliger Auslassung des Anti-Semitismus damals gleichzeitig in vielen Ländern Europas (und sogar darüber hinaus) aufkamen. Die Bevölkerung dieser Länder hatte das unbestimmte Gefühl, zu kurz zu kommen und den Eindruck, die parlamentarische Demokratie und so ziemlich alle bestehenden Parteien hätten versagt. Wem es bei dieser Betrachtung und einer Analyse der Entwicklung der letzten Jahre nicht kalt den Rücken hinunterläuft, der hat vielleicht ein dickes Fell, das ihn schützt. Thomas Manns „Mario und der Zauberer“ weiß mehr vom Phänomen Hitler als die heutige deutsche Öffentlichkeit. Es geht um das unbestimmte Gefühl, nicht um rationales Denken. Warum fordere ich dann trotzdem eine rationale Auseinandersetzung? Eben weil rationales Denken das einzige bekannte Gegengift gegen unbestimmte Gefühle ist. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Francisco de Goya).
Nun ist das Charakteristikum der Vertreter der Neuen Rechten, im Gegensatz zu den meisten Pegida-Rednern, ja gerade, dass Erstere rational argumentieren. Das Charakteristikum der Verteidiger der parlamentarischen Demokratie (und der EU als übernationaler Organisation) ist hingegen, dass sie nicht argumentieren. Sie berufen sich auf das Grundgesetz oder wiederholen bestenfalls Gemeinplätze über die Wichtigkeit der europäischen Idee, die durch ihre bloße Wiederholung nicht überzeugend wirken.
Ja, es könnte wieder passieren. Natürlich nicht in exakt der gleichen Form und mit exakt den gleichen Ergebnissen. Aber unsere gegenwärtige Verfassung, der Rechtsstaat und die parlamentarische Demokratie sind alles Andere als eine Selbstverständlichkeit. Es gibt keine sichere Garantie für ihren Fortbestand auf Dauer.
Gnothi seauton
Mit diesem Abschnittstitel täusche ich eine altgriechische Bildung vor, derer ich gar nicht teilhaft geworden bin. Ich habe das Zitat gegoogelt, denn ich kannte die deutsche Übersetzung, die auch Sie, lieber Leser, sicher kennen: Erkenne Dich selbst!
Woher weiß ich, dass das wieder passieren kann? Eben durch Selbsterkenntnis, weil ich weiß, dass ich gegenüber den Argumenten und unbestimmten Gefühlen, die der Ideologie der Neuen Rechten zugrunde liegen, eben nicht immun bin. Nun kann es sein, dass Sie selbst glauben, immun zu sein. Dem kann entweder zugrunde liegen, dass ihr fortschrittliches Weltbild tatsächlich so gefestigt ist, dass Sie aus einem Unbehagen an den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Wunsch nach deren Veränderung ableiten, weil sie wissen, dass wir bereits das bestmögliche Modell gefunden haben. Oder sie glauben so fest an ihre Immunität, weil sie dem fortschrittlichen Weltbild sentimental anhängen, es aber so wenig gefestigt ist, dass Sie instinktiv allem ausweichen, was es in Frage stellen könnte. Im ersten Fall gratuliere ich Ihnen. Leute wie Sie braucht die öffentliche Diskussion. Wenn Sie einigermaßen formulieren können, mischen Sie sich ein! Glauben Sie nicht, Ihr Typus gehöre einer Mehrheit an. Leute wie Sie gibt es sehr selten.
Im zweiten Fall muss ich Ihnen sagen, dass Sie zu der großen Mehrheit gehören, die bei einer Wende sofort umfallen würde. Für Sie wäre es besser, wenn Sie sich jetzt den Zweifeln stellen und an ihrer eigenen Immunität arbeiten würden. Für mich selbst hoffe ich, mit diesem Beitrag einen kleinen Schritt weiter auf diesem Weg gekommen zu sein.
Kommentare 24
Auch wenn ich nicht jedem Detail zustimme, so habe ich doch einen insgesamt beeindruckenden Text gelesen, für den ich mich bedanke.
In dem Zusammenhang ist auch der faz.net Artikel über Götz Kubitschek lesenswert, kann den leider gerade nicht verlinken, da faz.net aktuell platt ist.
Der von Ihnen angesprochene faz.net-Artikel über Kubitschek ist tatsächlich in diesem Zusammenhang sehr interesant und er ist gut geschrieben.
Danke für Ihren anregenden Beitrag. In dem Gesellschaftsbild bleiben die rechten Dumpfbacken auf dem Lande fast unsichtbar; die ironische Zuordnung des Berlin-Mitte-Milieus als "national befreite Zone" verharmlost das Problem der rechten, linken, islamischen etc. Parallelgesellschaften.
Die Übergänge zwischen "neue Rechte", neokonservativ, EU-Kritik und Suche nach Führung scheinen mir sehr fliessend zu sein. Dass es nicht um Besitz vs. Besitzlosigkeit, Kapitalismus vs. Sozialismus geht, bedeutet ja nicht, dass nicht mit finanz-basierten Mitteln gekämpft wird. Auch das Manipulieren der Internetmeinungen kostet Geld (bzw. wird mit viel Geld effektiver), und bei TV und Print gilt das ohnehin.
Was in Ihrem Text m. E. zu wenig vorkommt: (a) Der AfD-Anstieg ist ein "Erfolg" der erratischen Merkel-Einwanderungspolitik. (b) Im Bundestag sind die Widerstände dagegen nicht vertreten - das bayrische Kläffen ist längst als solches erkannt. Also haben wir eine Situation wie zu APO-Zeiten.
Die breite Moralkeule "Refguees welcome" generiert Widerstand, und ich fühle mich auch nicht frei davon. Und die schnelle Zuordnung "Kritik an der Einwanderung gleich Rassismus" erzeugt m. E. die Bockigkeit: Na gut, wenn das rechts ist, dann bin ich eben rechts.
Letzter Punkt (vorerst): Was spricht gegen eine stärkere nationalstaatliche Interessenpolitik? Polen und Ungarn (zB) aus Brüssel von Leute wie Schulz und Co. beschimpft zu sehen empört mich eher gegen die EU-Politiker.
Bravo! Eliten sind wie das Chamäleon. Bis `45 waren sie stramme Nazis. Ab `46 Demokraten und Adenauer musste sie nehmen, um die wichtigen Posten der jungen Demokratie unter "Schwarz-Rot-Gold" zu besetzen. Konrad, der schlaue Fuchs, soll dazu gesagt haben: "Wen hätte ich denn nehmen sollen? Es gab keine anderen". Übertragen auf heute, heisst das soviel wie: Jetzt noch parlamentarischer Demokrat, morgen ggf. schon Neuer Rechter. Das Phänomen ist bekannt: Elitenkontinuität! Sie ziehen jedes Röckchen an, Hauptsache vorne, oben, dabei! So einfach ist das geile Spiel mit der Macht. Das Volk, die Massen, die Menschen - völlig unbedeutend, Hammelherden, ganz leicht zu steuern, zu führen, zu manipulieren, zu konditionieren, wie Skinner die Täubchen. Brot & Spiele brauchen sie und stahlharte Führung. Wer seinen Macchiavell kennt, weiss was zu tun ist. Und Frieden, by the way, ist nur die Abwesenheit von Krieg. Sollte es wieder nötig sein, wird man ihn wieder anzetteln. Feinde gibt es immer genug. peak democracy
Ich beginne mit Ihrem vorerst letzten Punkt: Nationalstaatliche Interessenpolitik muss es geben. Es liegt in der menschlichen Psychologie, dass von der Spitze einer Gruppe (also auch eines Staates) ein Eintreten für die Partikularinteressen der Gruppe erwartet wird. Das ist auch rational begründbar. Da die Spitzen anderer Gruppen/Staaten das tun, müssen diejenigen ins Hintertreffen geraten, deren Spitze es nicht tut.
Da die Interessen der einzelnen EU-Staaten zwangsläufig immer mal wieder divergieren, müsste es funktionierende Mechanismen für einen Interessenausgleich geben. Ich persönlich habe den Eindruck, dass diese Mechanismen nach der Erweiterung der EU in den letzten anderthalb Jahrzehnten nicht mehr ausreichend sind, was die Krise der EU teilweise erklärt.
Was ich allerdings im Artikel meinte und wobei ich bleibe: Die nationalstaatlichen Interessen sollten nicht absolut und auch nicht grundsätzlich als vorrangig vor gesamteuropäischen Interessen gesetzt werden. Das würde vermutlich tatsächlich in den Abgrund neuer innereuropäischer Kriege führen. Die Situation könnte leicht dahin umkippen, weil sie zur Zeit in der anderen Richtung in der Schieflage ist. Die gegenwärtigen EU-Eliten argumentieren vorzugsweise, dass die gesamteuropäischen Interessen grundsätzlich den nationalstaatlichen vorgehen müssten und dass sie selbst am Besten (oder gar als Einzige) wüssten, was genau diese gesamteuropäischen Interessen sind. Diese Argumentation akzeptiert wohl schon länger eine deutliche Mehrheit der EU-Bürger nicht mehr.
Ueber "Refugees welcome" und was ich davon halte, habe ich an anderer Stelle schon mehrfach geschrieben. Das trägt tatsächlich zur Spaltung der Gesellschaft bei und ist Wasser auf die Mühlen der Neuen Rechten, denn sobald Probleme aufkommen (und die kommen bestimmt auf), wird sich eine deutliche Mehrheit gegen "Refugees welcome" wenden (wie wir in der ersten Januarhälfte sahen). Wenn in diesem Moment die Neuen Rechte ein Monopol auf die Gegenposition hat, werden sich sehr viele eben dorthin wenden.
Der AfD-Anstieg ist sicher zum grossen Teil ein Ergebnis der Merkel'schen Alleingang-Politik, aber das ändert nun auch nichts mehr. Merkel hat diese Politik ja de facto wieder kassiert, nur wird dadurch die AfD nicht wieder verschwinden. Solche Prozesse sind asymmetrisch. Das Kind ist in den Brunnen gefallen.
Dass die Uebergänge so fliessend sind, ist das eigentliche Problem. Daraus ergibt sich die potentielle Mehrheitsfähigkeit der Neuen Rechten.
Die Dumpfbacken auf dem Land sind lokal gefährlich, aber die Neue Rechte und ihre Denker sind um ein Vielfaches gefährlicher. Die Dumpfbacken sind weder mehrheitsfähig, noch fähig, einen Staat zu führen. Die Neue Rechte könnte beide Fähigkeiten erlangen.
Aha, "...dass ihr fortschrittliches Weltbild tatsächlich so gefestigt ist, dass Sie aus einem Unbehagen an den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Wunsch nach deren Veränderung ableiten, weil sie wissen, dass wir bereits das bestmögliche Modell gefunden haben."
Das genwärtige gesellschaftssystem ist also ein "fortschrittliches Weltbild", dass das "bestmögliche Modell" ist. Ergo, ein system, dass die polarisierung von armut und reichtum in schwindelerregende höhen getrieben hat; das als representaive oligarchie die herrschaft der reichen über die armen zementiert - das soll das bestmögliche modell sein? Welch ein hohn!
Es ist eben genau diese einsicht, dass dieses system zutiefst ungerecht ist, dass es der Neuen Rechten erlaubt fuss zu fassen. Wer die Neue Rechte wirklich bekämpfen will, muss dieses system demokratisieren (vor allem im bereich der wirtschaft und in den nord-süd-beziehungen) und sozial gerechter machen. Wer den status quo nur retten will - liefert die gesellschaft auf dem silbertablett den Neuen Rechten aus. Merke: Die polarisierung der gesellschaft und die Neue Rechte gehören untrennbar zusammen.
was war:
das management von völkern und massen ist
herrschenden eliten/kompetenz-teams durchaus vertraut.
wie mit personal umzugehen ist, wurde früher mit der ammen-milch eingesogen.
normal-herrschaft muß heutzutage mit kritischen stimmen umgehen können, die ausdruck von bewußtheit am gesellschafts-rand sind.
die masse wird mit titi-tainment bei laune gehalten, denen ist das herrschende regime nicht wahrnehmbar, gleich dem luft-druck.
was ist:
erst dann wirds kritisch, d.h. kritische stimmen
werden dann zur kritischen masse, wenn
un-gewohnte zumutungen und belastungen
skandalöse reaktionen auslösen,
die sich in wahl-ergebnissen manifestieren:
partei-führungen können nicht mehr abwimmeln,beruhigen,
auf vertrauens-polster zurück-greifen.
das bisherige spektrum der diskurse
erweitert und intensiviert sich. das:
für alle wird irgendwie gesorgt,
besser gehts beim besten willen nicht(alternativ-los),
hat einen riss: eine alternative zum migrations-alleingang merkels(und aller parteien=das ist hegemonie!)?
das als selbst-verständlicher moralischer impuls geglaubte
ist bloß eine mögliche entscheidung im politischen feld.
un-erwartet taucht das politische als kampf-feld konkurrierender interessen wieder auf.
das als gegeben gesetzte verflüssigt sich, neue linien, dämme, grenzen werden argumentativ oder suggestiv umkämpft.
über-spannte hegemonie und schein-harmonie sind weg.
die bisher akzeptierte dach wird als un-geeignet infrage gestellt.
vorstellungen von demokratie ausgemustert,
rechte vor-denker behaupten die dringlichkeit struktureller änderungen.
zeit für demagogen,ideologen,reformer,reaktionäre,
träumer und pläne-schmiede.
auch hier: ein stoß von außen verursacht den übergang vom konsens- in den kampf-modus.
Ist meine Ironie wirklich so fein gewesen, dass sie überlesen werden konnte?
Kompliment!
Wenn das Schreiben des Beitrags Ihre Abwehrkräfte gegen die Ideologie der Neuen Rechten gestärkt hat: Gut so.
Ich gehöre wohl zu jenem Typus von Zeitgenossen, den Sie als systemtreuen Ignoranten beschreiben: Einverständnis mit dem langen Weg der Deutschen nach Westen, mit den geistigen Grundlagen des westlichen Gesellschaftsmodells und mit der europäischen Idee. Von der Leitvorstellung des ethnisch und kulturell homogenen Nationalstaats geht für mich keine Faszination aus – zu viel historisches Bewusstsein, zu viel kritische Theorie, zu viel gelebtes Europa, zu viel erfahrene Bereicherung durch Multikulti. Die Antworten der Neuen Rechten auf die aktuellen Krisen führen in die Vergangenheit, ein lohnender Gegenstand für intellektuelle Auseinandersetzungen sind sie nicht.
Notwendig ist aber die politische Auseinandersetzung mit den populistischen Bewegungen in Europa. Denn die haben ein Konzept, das neu und erfolgreich ist und weiterhin Erfolg verspricht: die Kombination von Fremdenfeindlichkeit, Elitenverachtung, Europakritik und die Bewahrung des nationalen Sozialstaats. Ich fürchte, dass die AfD, wenn sie sich von ihren marktradikalen Traditionen löst und ihren antimuslimischen Kulturkampf zuspitzt, die 30%, die sie anstrebt, erreichen könnte.
Hoffnung, Schlimmeres zu verhindern, gibt die Zivilgesellschaft. Wenn Sie sich als Teil dieser Zivilgesellschaft verstehen (Vorsicht: viele Gutmenschen), die das westliche Gesellschaftsmodell gegen seine Kritiker von rechts verteidigt und für seine Reform eintritt: Umso besser.
Ich sag' ja immer:
Gut ist der Mensch, der erkennt, dass er schlecht ist - und die richtigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zieht.
Guter Text, Herr Jeschke. Danke.
Aus dem vorletzten Absatz werde ich allerdings nicht ganz schlau. Ich würde mich wohl zum ersten Typus zählen wollen. Mit einer sehr großen Einschränkung. Sie beschreiben diesen Typus als einen, dem ein fortschrittliches Weltbild zugrunde liegt, welches...
"...so gefestigt ist, dass Sie aus einem Unbehagen an den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Wunsch nach deren Veränderung ableiten, weil sie wissen, dass wir bereits das bestmögliche Modell gefunden haben."
Falls ich es richtig überblicke, setzen Sie da die "gegenwärtigen Verhältnisse" und das "bestmögliche Modell" gleich. Aber das kann es ja nicht sein. Ich kann mir zwar denken, dass Sie mit 'Modell' die grundlegende Verfasstheit von Staat und Gesellschaft meinen (§1 GG ff, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Soziale Marktwirtschaft etc.) und mit 'Verhältnissen' die zuweilen unerträgliche, real existierende Interpretation dieser schönen Dinge. Aber wie Sie es formulieren, kann ich es leider nicht unterschreiben :o(
Liebe Grüße!
"Ist meine Ironie wirklich so fein gewesen, dass sie überlesen werden konnte?"
Ich antworte mal, obwohl ich nicht angesprochen war.
Nein, die Ironie ist erkennbar. Aber genau darum geht es: Diese Art von Gesellschaftskritik darf immer nur ganz fein ironisch formuliert und vorgebracht werden. Weil man sonst sofort der Kumpanei mit den Rechten verdächtigt und möglicherweise diffamiert wird. Sie haben die Analyse des Bionade Biedermeier vorweg gestellt schön und gut. Sie haben im Zusammenhang mit möglichen neu-rechten Strategien auch darauf hingewiesen:
»In Frankreich etwa wirkt dieser Gedanke weniger attraktiv, weil gezielte Elitenausbildung und -auswahl dort schon betrieben werden und die Ergebnisse bekanntlich nicht so beeindruckend sind. Die Neue Rechte würde das durch die fehlende Verantwortung erklären.«
Aber das fehlende Verantwortungsbewusstsein für die konkreten historischen Hintergründe der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, Migrationsbewegungen zum Beispiel, die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich, die nicht zuletzt auf die Politik der westlichen Eliten der letzten 30 Jahre zurück gehen, wird nach wie vor nicht thematisiert. Das ist tabu und darf nicht ernsthaft eingefordert, sondern nur mit sanfter und Satire (SPON SPAM z.B.) im Bewusstsein gehalten werden.
»Wer eine Führungsposition erhält, trägt dann auch die Verantwortung für sein Handeln.«
Wer fordert Verantwortung für die Bankenkrise, das Drama der griechischen Schuldenabwicklung, die eine Folge der Situation ist, die unsere liberalen Eliten zu verantworten hätten, die Panama Papers, der Geheimdienst Skandal auf amerikanischer und europäischer Ebene? All das ist missbrauchte Verantwortung, die mit dem Begriff "Bionade Biedermeier", so griffig er ist, gar nicht mehr ausreichend erfasst werden können. Weil es längst nicht mehr nur um die grünen Spießer am Prenzlberg geht, sondern weil das konret die Ebene ist, auf der Veränderung blockiert wird. Diese Ebene verhindert eine breite Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Thesen ihrer eigenen politischen Sozialisation, die für die aktuellen Verhältnisse verantwortlich ist. Diese macht sie genau so unmöglich, wie die öffentliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Neuen Rechten. Auch hier gilt im Zweifelsfall immer:
"Ignorieren geht vor diskutieren."
Diejenigen, die das thematisieren, weil sie sich nicht an die Tabus gebunden fühlen, mit denen das durch unserer Eliten belegt wird sind, von Ausnahmen abgesehen natürlich, allein leider die Rechten.
»Die Neue Rechte würde das durch die fehlende Verantwortung erklären.«
Ich halte es für grundsätzlich falsch, diesen Erklärunsansatz der Neuen Rechten zu überlassen.
Ihre Analyse ist soweit OK. Aber wie wollen Sie diese Verhältnisse ändern? Sobald Sie sich in Ihrer Kritik nicht auf die Phänomene AfD, Pedida, oder meinetwegen Neue Rechte beschränken und anfangen in den "Bionade Biedermeier" auch die Redaktionen der Leitmedien, die etablierten Parteien, Steinmeier, Gabriel, die Verantwortung von Fischer und Schröder, um nur einige zu nennen, oder aktuelle grüne Helden einzubeziehen sind Sie, falls man Sie überhaupt wahrnimmt sofort im Fokus des kollektiven Abwehrsystems unserer liberalen Eliten. Das argumentiert sehr rational, trägt Verantwortung, Regierungsverantwortung zum Beispiel. Mit all dem werden Sie als Antwort konfrontiert. Aber niemals findet eine Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten statt, die die Grundlagen der Entwicklingen, um nicht zu sagen der Verantwortungslosigkeiten der letzten Jahrzehnte waren. Grundlagen, die auch heute noch als selbstverständlich, ja als alternativlos voraussetzt und legitimiert werden.
Niemals würden unsere Eliten aus sich heraus auch etwas daran verändern. Im Gegenteil: Kritik dieser Grundlagen ruft sofort und ausschließlich Abwehrreaktionen hervor. Und auch in Ihrer Analyse wird das Ganze eben auf nur eine ganz fein ironische Art und Weise behandelt, worauf m.E der Kommentar von Heinz Lambarth, so wie ich ihn verstanden habe reagiert. Das, was sich wirklich verändern müsste, damit wir angemessen auf die von Ihnen beschriebenen Veränderungen reagieren könnten findet nicht statt. Es bleibt außen vor, und es ist ebenso Teil der von Ihnen beschriebenen Verdrängung der Bevölkerungsschichten, die sich weigert, sich wirklich mit den Thesen der Neuen Rechten auseinander zu setzen. Und warum? Meiner Meinung nach, weil das ganz einfach die andere Seite ein und derselben Medaille ist: Die Ursache will sich, von ihrer Wirkung her gesehen nicht in Frage stellen lassen.
Mir ist nicht ganz klar, wie Sie eine politische Auseinandersetzung ohne intellektuelle Auseinandersetzung führen wollen. Sie werden auch niemanden von Ihrer Meinung überzeugen, indem Sie einfach nur sagen, dass sie diese aus ihre eigenen Lebenserfahrung heraus haben. Niemand nimmt Ihnen diese Meinung, Sie könnten nur irgendwann festestellen, dass es eine Minderheitenmeinung geworden ist. Darum geht es in dem Artikel.
Einige Ihrer Begriffe sind unscharf. Kritik an den Mechanismen der EU, an der EU-Kommission und dem übermässigen Einfluss von Lobbyisten in EU-Brüssel ist keine "Europakritik." Wenn Sie meinen, dass die Aufgabe des "nationalen Sozialstaates" möglich wäre, ohne dass das gesamte politische System fiele, so täuschen Sie sich. Falls die Neue Rechte oder die AfD als einzige Verteidiger dieses Systems gesehen würden, wären viel mehr als 30% zu erwarten. Auch darum geht es in dem Artikel.
Was Sie die "Zivilgesellschaft" nennen, ist ein Schlagwort. Die gibt es als eine geschlossene und einheitliche, also politisch wirksame Bewegung eben nicht. In der Ukraine wird seit zwei Jahren ständig von "Zivilgesellschaft" geredet, ihr Einfluss auf das politische Geschehen und die Machtverhältnisse liegt dort wie hier bei Null. "Zivilgesellschaft" sagt man, wenn man einen eindrucksvollen Begriff für viele kleine Gruppen braucht, die da und dort dies und das als positiv Empfundene tun. Dagegen habe ich nichts, ich begrüsse das sogar. Es ist nur, wie gesagt, politisch nicht wirksam und es wird gewiss nicht zu Reformen führen.
"Aus dem vorletzten Absatz werde ich allerdings nicht ganz schlau."
Da muss ich Ihnen sagen, ich selbst auch nicht und genau deshalb ist er so formuliert. Ich gebe zu, dass das paradox ist, aber bestimmte Dinge kann man womöglich nur in der Form eines Paradoxons ausdrücken.
Ihre Exegese kommt der Sache, soweit ich sie selbst rational und nicht nur intuitiv verstehe, ziemlich nahe. Tatsächlich sind §1 GG ff, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Soziale Marktwirtschaft etc. das bestmögliche Modell, das mir einfällt und meine Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen geht eher dahin, dass diese Versprechen nicht erfüllt werden und dass, meinen Beobachtungen nach, der Erfüllungsgrad sinkt statt steigt.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist aber eben wirklich ein Unbehagen an den gegenwärtigen Verhältnissen, das zwar einerseits aus dieser Kluft zwischen Ideal und der real existierenden Interpretation resultiert, aber andererseits sogar mehr als nur ein diffuses Unbehagen ist. Das System bringt nämlich, so wie es ist, nicht die Politiker hervor, die die Interpretation verbessern könnten oder doch wenigstens dafür sorgen würden, dass die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit nicht zunimmt. Und ich fürchte, die Soziale Marktwirtschaft ist mit dem Wegfall des realsozialistischen Gegenentwurfs inhärent instabil geworden.
Und gut, dass Sie nicht meinen Formulierungen unterschreiben mögen. Es wäre ja sterbenslangweilig hier, wenn man nicht mal mehr diskutieren könnte ;-)
"Weil man sonst sofort der Kumpanei mit den Rechten verdächtigt... wird"
Ja, das ist mir bewusst. Das klingt ja in einigen der anderen Kommentare an, in der Art "Schön, dass Sie es jetzt selbst auch gemerkt haben, GJ".
Nach wie vor halte ich aber Suchende für ungefährlich; gefährlich sind in der Politik diejenigen, die glauben, gefunden zu haben und gefährlich sind sie unabhängig davon, welcher Richtung sie angehören.
Wir sind auch sonst gar nicht so weit auseinander. Tatsächlich ist der Neuen Rechten in vielen Fragen die eine Seite der Argumentation völlig überlassen worden, indem alle anderen Akteure auf der "guten" Seite der Argumentation stehen. Wenn dann noch in Bezug auf diese Fragen eine Polarisierung betrieben wird und die der Neuen Rechten zugefallene Position als absolut verachtungswürdig und undiskutabel abqualifiziert wird, muss der politische Prozess stagnieren. Diese Stagnation wird die Neue Rechte stark machen.
Den Teil der Analyse überlesen diejenigen, die sich so über meine Schlusssätze freuen. Ich meine die Schlussätze so, wie ich sie geschrieben habe. Aber die Analyse meine ich auch so.
"Aber wie wollen Sie diese Verhältnisse ändern?"
Rainald Grebes Formulierung ist: "Ich werd' das hier nicht ändern, ich werd' nur drüber singen." Tut mir leid, der Sänger oder der (Hobby-)Publizist sind keine Revolutionäre. Darüber hinaus glaube ich auch gar nicht, dass die Richtung einer Aenderung der Verhältnisse wirklich kontrollierbar ist.
Es ist trotzdem sinnvoll und nicht nur unterhaltsam, über solche Dinge zu diskutieren. Wie wir die Dinge verstehen, beeinflusst unser Verhalten und Verständnis, wie auch Unverständnis, diffundiert durch die Gesellschaft. Das ist mein Beitrag zur Veränderung. Er bleibt sehr bescheiden, aber er ist doch geringfügig von Null verschieden.
die Kombination von Fremdenfeindlichkeit, Elitenverachtung, Europakritik und die Bewahrung des nationalen Sozialstaats.
Jetzt habe ich verstanden für was sie mit Ihrer Meinung stehen: globalisierte Elite ?
Also, das mit der "Bewahrung des nationalen Sozialstaats" finde ich auch problematisch formuliert, muss ich sagen. Denn einen internationalen Sozialstaat gibt's ja leider (noch) nicht. Und "Elitenverachtung" ist mir auch zu indifferent. Was soll ich denn mit den verantwortlichen Eliten, die es geschafft haben, die Welt ihrem beobachtbaren Ist-Zustand zuzuführen sonst tun..? Sie lobreisen..?
Hannelore Kraft (SPD), die ich in NRW wieder wählen werde, schafft es z.B., in 60 Minuten Anne Will zig mal nicht auf die Frage zu antworten, warum der SPD erst jetzt einfällt, dass die mit der Agenda2010 forcierte Ausweitung des Niedriglohnsektors zu Massen-Altersarmut führen wird. Von 12,80 € Stundenlohn über ein Erwerbsleben hinweg träumen ganze Horden überwiegend jüngerer Männer in Jobs, die Knie und Rücken zerschleißen, doch nur noch. Was soll mal aus uns werden..? Sollen wir uns ein Poster über's Bett hängen, auf dem steht: "Aber die SPD konnte das mit der Finanzkrise, den Nullzinsen und überhaupt die ganze Sache mit dem Krieg und allem doch nun wirklich nicht voraussehen"..?
Wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben. Während parallel zu dieser Gewissheit die allermeisten Leute um uns herum weiter leben wie die Made im Speck. Gelobt seien die Eliten. Sie leben hoch.
stehe kurz vor der gründung eines vereins
zur stützung der bonus-idee in harten zeiten (für eliten).
leider läuft das sponsoring aus dem hartz-vier-lager
nur schleppend an. werde weiter berichten.
tja, schade eigentlich,daß sich die geistigen grundlagen des westlichen gesellschafts-modells so hart mit dem fundamentalen ökonomischen geschäfts-modell im raum europa (und anderswo) stoßen.
und reichtum in wenigen privaten händen unter vermittlung der gesetze-macher in der armut öffentlicher hände resultiert.
übrigens den weg nach westen hat uns der stalin aus dem osten gewiesen.oder?
Immunität gegen Rechtspopulismus braucht keine ideologiekritische Auseinandersetzung mit seinen Positionen. Es genügen Selbstbewusstsein, Grundkenntnisse der europäischen Geschichte, die Erinnerung an die Werte des Grundgesetzes und Neugier auf Menschen aus anderen Kulturen.
Die Kritik am gegenwärtigen Zustand Europas und an der Politik der EU-Kommission ist eine Sache, die Ablehnung Europas zugunsten einer lockeren Assoziation von ethnisch und kulturell homogenen Nationalstaaten eine andere.
Sie sollten Ihr Verständnis von „Zivilgesellschaft“ überprüfen. Dieser Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung könnte Ihre Kenntnisse erweitern: http://bit.ly/2411w4X
Ja, an Selbstbewusstsein fehlt es Ihnen wohl nicht. Ich gebe aber zu bedenken, dass es hier nicht um Sie geht, sondern darum, wie sich eine Mehrheit der Gesellschaft verhält, wenn es eng wird.
Meinen Beobachtungen nach sind die Selbtsbewussten eine Minderheit unter den Menschen und unter denen gibt es dann auch noch welche, die andere Ansichten zu diesem Thema haben als Sie.
Götz Kubitschek und Alexander Gauland zum Beispiel fehlt es an Selbstbewusstsein nicht. Ich empfehle Ihnen die Wikipedia-Seite zu Alexander Gauland. Der Mann hat sicherlich mehr Kenntnisse von europäischer Geschichte als Sie und ich zusammen. So einfach kann es also nicht sein.
In Bezug auf "Europa" ist Ihr Begriff immer noch unscharf. Sie setzen die gegenwärtige Verfasstheit der EU immer noch mit "Europa" gleich, man darf auch grundsätzliche Kritik an ihrer gegenwärtigen Verfasstheit aber nicht einmal mit einer Infragestellung des Fortbestandes der EU gleichsetzen. Genau dieser Engführung bedienen sich die EU-Eliten, um Pfründe zu sichern und undemokratisches bis antidemokratisches Handeln zu rechtfertigen. Wenn das anhält, wird irgendwann tatsächlich der Fortbestand der EU in Frage stehen.
Aus der von Ihnen verlinkten Seite zitiere ich einfach mal wörtlich:
"Tragen engagierte Einzelpersonen und freiwillige Vereinigungen dazu bei, dass ein Staat "zivil" ist? Bringen Stiftungen die Demokratie voran? Zweifelsohne ist hier Skepsis gefragt. Eine Vielfalt zivilgesellschaftlicher Organisationen mit einem hohen Grad an aktiver Beteiligung ihrer Mitglieder allein ist noch kein Indiz für eine starke Demokratie."
(im Punkt: Aktuelle Problem der Zivilgesellschaft)
Das ist eine traurige Welt in der es für sie nur noch die Gegensätze von Neurechten und herrschender neoliberaler Elite gibt. Zum Glück gibt es aber noch den Weg der Ratio.
Wenn man sich speziell mit den Neurechten der Sezession auseinandersetzen will: Paul Simon hat da im Bohemien sehr viel geleistet. Es ist im Ganzen viel Text, aber die Lektüre lohnt sich.
https://le-bohemien.net/2016/02/03/lasst-uns-ueber-die-neue-rechte-reden/
https://le-bohemien.net/2016/04/15/afd-pegida-neue-rechte-sezession/
https://le-bohemien.net/2016/04/18/die-neue-rechte-identitaet-herrschaft/
Zwischenzeitlich wurde auf der Sezession auch geantwortet. Kann man sich zu Gemüte führen, wenn man mag. Auch noch mal viel Text.
http://www.sezession.de/52994/le-bohemien-ueber-neue-rechte-i.html
http://www.sezession.de/53062/le-bohemien-ueber-neue-rechte-ii-gleichheit-vs-ungleichheit.html
Die Meinungen über den Schlagabtausch gehen natürlich auseinander. Ich denke aber doch, dass man einigermassen objektiv feststellen kann dass da von Lichtmesz in erster Linie heisse Luft zurück kam. Der Mann ist ein begabter Polemiker, aber kein großer Theoretiker. Zeigt sich vor allem in der ersten Antwort, wo auf die wesentlichen Punkte Simons gar nicht erst eingegangen wird.
Trotzdem kann man das mit Gewinn lesen. Die Selbstdarstellung ist erfrischend ungeschminkt.
Hatte mal vor selbst noch einen größeren Text drum herum zu schreiben, aber das lasse ich. Freundin, Frühling, Luft und Liebe sind derzeit wichtiger. Auf ein paar Diskussionen lasse ich mich aber gerne ein.
Vielen Dank für die Links. Ich muss erst noch lesen. Mir wäre der Frühling auch wichtiger gewesen, aber vorigen Sonntag war das Wetter in Zürich wirklich bescheiden.