Wie Minsk I zustande kam
Minsk I war das Ergebnis einer militärischen Niederlage der Kiewer Kräfte. Bis etwa zum 21. August 2014 hatte Kiew berechtigte Hoffnungen, den Bürgerkrieg militärisch für sich zu entscheiden. Die Strategie ruhte auf drei Säulen. Erstens sollte die Versorgungssituation der Bevölkerung in dem von den Separatisten beherrschten Gebiet unerträglich gemacht werden- man wollte die Separatisten aushungern. Zweitens versuchte die Regierung, ihre relative militärische Schwäche durch eine Kombination von regulärem Militär, der neu geschaffenen Nationalgarde und von Freiwilligenverbänden zu überwinden. Von diesen war das reguläre Militär leidlich gut ausgebildet, die Soldaten und Offiziere waren aber in der Mehrzahl unwillig, in einem Bürgerkrieg zu kämpfen. Die Nationalgarde war schlecht bis mäßig ausgebildet, aber loyal. Die Freiwilligenverbände kaschierten weitgehendes militärisches Unvermögen mit einer extrem hohen Kampfmoral. Drittens waren die Kiewer Kräfte, insbesondere das reguläre Militär, den Separatisten waffentechnisch stark überlegen, vor allem was die Typen und die Anzahl schwerer Waffen betraf. Den Kiewer Kräften war es dadurch nahezu gelungen, die Verbindung zwischen den Kräften der „Donezker Volksrepublik“ (DNR) und der „Luhansker Volksrepublik“ (LNR) zu unterbrechen und Belagerungsringe um die Städte Donezk und Luhansk zu schließen.
In der Woche vom 22. bis zum 28. August brachen alle drei Pfeiler zusammen. Die Entscheidung Putins am Morgen des 22. August 2014, den ersten humanitären Hilfskonvoi auch ohne Zustimmung der Kiewer Regierung nach Luhansk zu schicken, machte die Aushungerungsstrategie obsolet. Die Kette solcher Hilfskonvois ist seitdem nicht abgerissen. In der Folge traten die militärischen Kräfte der DNR und LNR zu einer koordinierten Offensivoperation an, nachdem sie zuvor ähnlich unkoordiniert gekämpft hatten wie die Kiewer Kräfte. Nun erwies sich auf Kiewer Seite die Mischung verschiedener Kräfte, von denen insbesondere die Freiwilligenverbände keine Befehle der zentralen Führung befolgten, als desaströs. Zudem war die Kiewer Militärführung mit der Parade zum Unabhängigkeitstag am 24. August beschäftigt und hatte dort nicht unbeträchtliche Kräfte und Mengen an Militärtechnik gebunden. Noch am 24. August kesselten die Kräfte der DNR und LNR den Großteil der Kiewer Kräfte im Operationsgebiet ein. In den Folgetagen zerrieben sie die Kessel. Die Kiewer Kräfte verloren, selbst nach Poroschenkos Aussagen von Anfang September, 60% ihrer Militärtechnik, vermutlich große Anteile davon intakt an die Separatisten. Zum Beispiel scheinen die Separatisten sogar in den Besitz eines BM-30 Smersh-Systems gelangt zu sein, das vom ukrainischen Militär gegen Luhansk eingesetzt worden war und eine Reichweite von 90 km hat. Zumindest haben sie ein solches System vor einer Woche gegen des Hauptquartier der „Antiterroristischen Operation“ (ATO) in Kramatorsk eingesetzt.
Am 28. August hatte sich die strategische Lage grundlegend gewendet. An einen Sieg der Kiewer Kräfte im Bürgerkrieg vor dem Winter war nicht mehr zu denken. Vielmehr hatten die Kräfte der DNR und LNR die strategische Initiative und es bestand die reale Gefahr, dass sie über die Grenzen der Oblaste Luhansk und Donezk hinaus weiter nach Westen vorstoßen könnten.
Minsk I kam in dieser Situation auf Initiative von Wladimir Putin zustande. Putin hatte ein Interesse, zu einer Übereinkunft mit dem Westen zu gelangen und angesichts der neuen militärischen Lage befand er sich in einer ausgesprochen vorteilhaften Verhandlungsposition. Um die Auseinandersetzung mit dem Westen beizulegen, war er sogar bereit, Kiew so weit entgegen zu kommen, dass Poroschenko Minsk I vom 5. September 2014 zu Hause als eine Übereinkunft auf der Basis seines eigenen Friedensplanes darstellen konnte. Umgekehrt war Poroschenko angesichts der desaströsen militärischen Lage bereit, den Separatisten weit entgegen zu kommen. In einer dramatischen Parlamentssitzung am 16. September gelang es ihm, sehr weit gehende Gesetze zur Selbstverwaltung der von den Separatisten gehaltenen Regionen durch Gesetze zu verankern. Daraufhin wurde am 19. September in Minsk ein weiteres Memorandum unterzeichnet, nach dem alle Artillerie mit einem Kaliber von 100 mm und mehr zu beiden Seiten um 15 km von der Frontlinie abgezogen werden sollte, wodurch eine 30 km breite Pufferzone ohne schwere Waffen entstanden wäre.
Woran Minsk I gescheitert ist
Schon zuvor hatte der Westen deutlich gemacht, dass ihm nichts an einer politischen Lösung auf der Basis von Minsk I lag. Sowohl die USA als auch die EU sahen die neue Situation als geostrategische Niederlage an und machten das durch die Einführung neuer Sanktionen gegen Russland deutlich. Der Europarat tat sich damit bereits am 8. September hervor, die USA am 12. September. In einer Situation, in der Putin erheblichen Druck auf die Separatisten ausgeübt haben musste, um sie an der weiteren Ausnutzung eines strategischen Vorteils zu hindern, glaubte die westliche Politik, Russland bestrafen zu müssen.
Schlechte Politiker kann man grob in Ideologen und Opportunisten einteilen. In der Kiewer Regierung waren im September 2014 die handelnden Kräfte fast ausschließlich Ideologen, Poroschenko ist ein Opportunist und der Außenminister Pavlo Klimkin möglicherweise ein guter Politiker. Die Ideologen teilten die westliche Einschätzung von Minsk I als Niederlage. Zu dieser Zeit wurde in Kiew offen diskutiert, dass man den Waffenstillstand als Atempause brauche, aber letztendlich das Donbass wieder erobern werde. Die Kiewer Kräfte setzten das Memorandum vom 19. September, das für die Separatisten vorteilhaft war, weil es der Donezk und Luhansk Sicherheit gegeben hätte, nicht um. Poroschenko hatte entweder nicht die Macht oder nicht den Willen, dafür zu sorgen. Das Stadtzentrum der Hauptstadt der DNR verblieb in Artilleriereichweite der Kiewer Kräfte. Diese hielten auf dem bereits weitgehend zerstörten Flughafen von Donezk eine zur Festung ausgebaute Stellung mit Panzern, Mehrfachraketenwerfern und Artillerie. Für die Separatisten war das verständlicherweise unakzeptabel, aber statt das Problem auf dem Verhandlungsweg zu lösen, gingen sie am 28. September 2014 zum Angriff auf den Flughafen über, nachdem es schon seit dem 23. September erste Scharmützel gegeben hatte, bei denen unklar ist, wer zuerst geschossen hatte.
Den nächsten Schlag erhielt Minsk I mit dem Ergebnis der ukrainischen Parlamentswahlen am 26. Oktober. Entgegen aller Wahlumfragen gewann die Volksfront Jazenjuks, ein Sammelbecken aller auf eine militärische Lösung gerichteten, fanatisch anti-russischen Kräfte, bei den Parteilistenmandaten knapp gegen den eher für eine politische Lösung stehenden Block Poroschenko. Infolge einer viel größeren Zahl von Direktmandaten war der Block Poroschenko zwar dennoch die stärkste Kraft im Parlament, nicht aber stark genug, um eine stabile Regierung ohne die Volksfront zu bilden. Die Volksfront setzte sich bei der Regierungsbildung durch. So blieb Jazenjuk Premierminister, weitere für die ATO stehenden Kräfte bekamen einflussreiche Posten, der Übergangspräsident Turtschinow wurde mit verfassungswidrig erweiterten Vollmachten Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, der Initiator der ATO und Verantwortliche für den Einsatz der Freiwilligenverbände, Arsen Awakow, blieb Innenminister und der ehemalige Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates und Militärkommandant des Maidan, Andrij Parubij, wurde Vizesprecher des Parlaments. Angesichts dieser Regierung konnten die Separatisten- und Putin- nicht mehr hoffen, zu einer politischen Lösung zu gelangen.
Bereits am 2. November 2014, weit vor der Regierungsbildung in Kiew, hatten allerdings die Separatisten selbst durch Separatwahlen in der DNR und LNR Minsk I torpediert. Das von den Führern der beiden selbst proklamierten Republiken unterzeichnete Abkommen hatte Lokalwahlen nach ukrainischem Recht am 7. Dezember 2014 vorgesehen. Kiew, die EU und die USA verurteilten die Wahlen vom 2. November, Russland vertrat offiziell die Position, die Ergebnisse zu respektieren, aber nicht anzuerkennen. Am 5. Dezember bemerkte der russische Außenminister allerdings, die Wahlen hätten dem Geist von Minsk I entsprochen. Poroschenko reagierte mit einer de facto Aufkündigung von Minsk I, die durchaus eine opportunistische Reaktion auf das Wahlergebnis vom 26. Oktober gewesen sein könnte. Er sprach von einer Wiederbewaffnung der Ukraine, einer Verlegung weiterer Truppen in den Donbass und einer Aufkündigung der am 16. September beschlossenen Autonomiegesetze.
In der Folge wurde klar, dass sich Kiew auf eine Wiederaufnahme der Kämpfe vorbereitete. Der allgemein an Zahlen arme Haushaltsentwurf des fast bankrotten Landes sah für 2015 eine erhebliche Erweiterung der Militärausgaben auf 5,5% bzw. 5,5 Milliarden US$ vor. Die Separatisten, die im Dezember 2014 noch immer militärisch stärker waren als die Kiewer Kräfte, mussten eine Umkehr der Kräfteverhältnisse im Frühjahr oder Sommer 2015 befürchten.
Währenddessen waren die Kämpfe um den Donezker Flughafen immer weiter eskaliert. Die Kiewer Kräfte, zum größten Teil die Freiwilligenverbände unter ihnen, hatten in für beide Seiten verlustreichen Kämpfen alle Sturmangriffe der Separatisten zurück geschlagen. In den ukrainischen Medien nahmen sie Ende Dezember und Anfang Januar als „Cyborgs“ einen geradezu mythischen Status ein. Um so größer war der psychologische Effekt, als sich Mitte Januar abzeichnete, dass der Flughafen fallen würde. In dieser Situation verkündete die Kiewer Regierung am 20. Januar eine vierte Mobilisierungswelle für die Armee, bei der 50'000 Soldaten einberufen werden sollten. Sie erwies sich als genau so unpopulär wie die ersten drei Mobilisierungswellen. Ruslan Kotsaba, ein Journalist aus dem westukrainischen Ivano-Frankivsk, der sich gegen die Mobilisierung ausgesprochen hatte, wurde am 8. Februar wegen Hochverrats verhaftet, ein Fall mit dem sich inzwischen Amnesty International befasst.
Am 21. Januar fiel der Donezker Flughafen in die Hände der Separatisten. Dadurch wurden auf Seiten der DNR kampferfahrene Truppen mit hoher Moral frei. Die Separatisten wandten sich nun Debaltseve zu, einem Verkehrsknotenpunkt zwischen Donezk und Luhansk, der seit dem Versuch der Kiewer Kräfte, die Verbindung zwischen DNR und LNR zu unterbrechen, in ihrer Hand geblieben war. Debaltseve war der Endpunkt eines relativ schmalen Streifens, den die Kiewer Kräfte zwischen von den Separatisten beherrschten Gebieten hielten.
Wie Minsk II zustande kam
Minsk II ist das Ergebnis einer militärischen Niederlage der Kiewer Kräfte. Gegen Ende Januar zeichnete sich ab, dass die Kräfteverhältnisse es der Kiewer Seite nicht erlauben würden, Debaltseve zu halten. Die Separatisten kündigten an, die dort befindlichen Kiewer Truppen einkesseln zu wollen und nahmen eine Ortschaft nach der anderen in der Umgebung ein. Die militärische Logik hätte geboten, die Kiewer Kräfte aus Debaltseve abzuziehen und die Front zu begradigen. Es wird wohl ein Geheimnis der Kiewer Militärführung bleiben, warum das nicht geschah. Der Gebietsverlust und die Verschlechterung der strategischen Situation wären freilich beträchtlich gewesen und auch der Rückzug vermutlich verlustreich, aber diese Lösung wäre immer noch erheblich besser gewesen, als eine Einkesselung eines großen Teils der kampferfahrenen Kiewer Kräfte im Donbass und ihrer schweren Waffen. Nach dem 2. Februar 2015 war an einen Ausbruch nur noch unter schwersten Verlusten zu denken. Spätestens am Morgen des 10. Februar hatten die Separatisten die volle Kontrolle über die einzige Straße, über die zuvor die Kiewer Kräfte noch versorgt werden konnten, wobei diese Straße auch zuvor schon tagelang unter Artilleriefeuer der Separatisten gelegen hatte. Teile der Stadt waren bereits unter Kontrolle der Separatisten.
Ein Fall von Debaltseve wäre für die Kiewer Kräfte eine strategische Niederlage von noch größerem Ausmaß gewesen, als die Ereignisse vom 24.-28. August 2014, einfach deshalb, weil er wiederum das Gros der auf Kiewer Seite noch vorhandenen schweren Technik und kampferfahrenen Truppen ausgeschaltet hätte, diesmal aber auf Kiewer Seite von einem niedrigeren und auf Seite der DNR und LNR von einem höheren Niveau aus. Die Kiewer Kräfte hätten einer weiter gehenden Offensive der Separatisten dann nur noch wenig entgegen zu setzen gehabt. Zumindest die Oblast Charkiw wäre zusätzlich gefährdet gewesen. Unklar war auch, wie lange sich die Regierung in Kiew unter solchen Umständen hätte halten können. Zumindest die Einführung des Kriegsrechts wäre unvermeidlich geworden, ein Akt, der einem ökonomischen Selbstmord gleich gekommen wäre.
Minsk II kam in dieser Situation auf Initiative von Angela Merkel mit Francois Hollande im Schlepptau zustande. Es war völlig klar, dass die USA, welche die Destabilisierung der Regierung Janukowitsch und die Installation von Jazenjuk als Premierminister betrieben hatten, die drohende geostrategische Niederlage noch größeren Ausmaßes als im September 2014 nicht hinnehmen würden. Im ersten Schritt war eine Bewaffnung der Kiewer Kräfte mit panzerbrechenden Waffen geplant, militärisch nicht völlig unsinnig, weil nach dem Fall von Debaltseve wohl der größte Teil der einsatzfähigen ukrainischen Panzer in der Hand der DNR und LNR gewesen wären. Gleichwohl hätte das wenig gebracht, angesichts der geringen Kampfmoral und schlechten Ausbildung der verbleibenden Kiewer Kräfte. Es hätte in den USA eine Eskalationsspirale in Gang gesetzt, an deren Ende Auseinandersetzungen hätten stehen können, bei denen US-Militärberater von regulären russischen Truppen getötet worden wären. Ein solches Szenario musste unter allen Umständen vermieden werden.
Merkel und Hollande hatten noch weitere Gründe, unbedingt eine politische Lösung zu suchen. Die Sanktionspolitik ist innerhalb der EU stark umstritten. Es droht ein Auseinanderbrechen der EU in einer wichtigen außenpolitischen Frage, in der zum Beispiel Polen und Litauen auf der einen und Tschechien und Griechenland auf der anderen Seite konträre Positionen vertreten. Die Auswirkungen auf andere Politikfelder innerhalb der EU wären beträchtlich.
Man muss verstehen, dass Merkel und Hollande hier eine Zeitbombe zu entschärfen hatten, denn die Einigung musste unbedingt vor dem bereits absehbaren Fall von Debaltseve erfolgen. Putin auf der anderen Seite hatte diesmal kaum einen Anreiz einzulenken, zumindest dann nicht, wenn man die offiziellen Verlautbarungen zum Maßstab nimmt. Falls Merkel und Hollande Putin nicht unveröffentlichte Zusicherungen gegeben haben, bleibt es ein Rätsel, warum er so starken Druck auf die Separatisten ausgeübt hat, dass Debaltseve nicht gefallen ist.
Wie könnte eine politische Lösung aussehen?
Minsk II ist nicht einfach eine Kopie, sondern eine Weiterentwicklung von Minsk I. Der Rückzug schwerer Waffen ist viel genauer und großräumiger definiert. Wenn er so durchgeführt wird, entfällt für die Separatisten die Sorge um einen Beschuss von Luhansk und Donezk. Gleichzeitig werden die Separatisten bezüglich dieses Rückzugs der schweren Waffen nicht für ihre Gebietsgewinne seit Minsk I belohnt, während sie aber andererseits diese Gebiete auch nicht wieder abgeben müssen. Für den Rückzug der schweren Waffen gibt es einen engen und klaren Zeitplan. Die militärische Komponente ist diesmal hinreichend scharf formuliert, mit der einzigen Ausnahme, dass das Schicksal von Debaltseve offen bleibt. Darauf komme ich weiter unten zurück.
Die Frage ist nun, ob beide Seiten ein hinreichendes Interesse daran haben, den Rückzug der schweren Waffen umzusetzen. Auf Kiewer Seite scheint das der Fall zu sein. Im Gegensatz zu früheren Waffenstillständen stellt sich Kiew diesmal auf den Standpunkt, über kleinere Scharmützel hinwegzusehen und nur auf systematische Verletzungen zu reagieren. Ebenfalls im Gegensatz zu früheren Versuchen verlautbaren selbst die faschistischen Freiwilligenverbände Rechter Sektor und Asow, sie wollten sich an den Waffenstillstand halten. Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, dass so viel Vernunft nur mit der Lage von buchstäblich Tausenden in Debaltseve eingeschlossenen Kiewer Kämpfern zu erklären ist. Auch die Separatisten haben ein Interesse am Rückzug der schweren Waffen, denn nur so kann die Lage in Donezk normalisiert werden. Was nun Debaltseve betrifft, so ist ein Verbleib von tausenden Kiewer Kämpfern ohne schwere Waffen in dem Teil der Stadt, den sie jetzt noch halten, unsinnig, zumal sie nur mit dem Einverständnis der Separatisten überhaupt versorgt werden können. Die sinnvolle Lösung ist ein freier Abzug dieser Kräfte mit ihren schweren Waffen. Diese Lösung wird auf beiden Seiten schwer durchzusetzen sein, aber genau davon hängt ab, ob Minsk II die nächsten beiden Wochen überleben wird. In dieser Frage werden Merkel, Hollande und Putin Druck ausüben müssen.
Präziser formuliert ist jetzt auch, wie entschieden werden soll, welche Gebiete im Donbass die versprochene Autonomie erhalten. In den Gesetzen vom 16. September 2014 war das offen geblieben. Nun muss das Kiewer Parlament innerhalb von 30 Tagen nach der Unterzeichnung am 11. Februar diese Gebiete spezifizieren. Der Gefangenenaustausch, der sich nach Minsk I sehr in die Länge gezogen hatte, soll nun innerhalb von fünf Tagen nach dem Abzug der schweren Waffen beendet werden und zwar „alle für alle“. Es soll eine allgemeine Amnestie geben, was eine unabdingbare Voraussetzung für den Verbleib des Donbass in der Ukraine wäre. Allerdings hat Poroschenko diesen Punkt bereits in Zweifel gezogen, obwohl sein Emissär die Vereinbarung unterschrieben hatte.
Der Kiewer Seite ist eine Fortsetzung der Blockade humanitärer Hilfslieferungen verboten und sie muss die eingestellten Zahlungen sozialer Leistungen wieder aufnehmen. Auch in diesen Punkten kommt die Vereinbarung den Separatisten entgegen, was eben der militärischen Lage entspricht. Alle ausländischen Söldner, die es auf beiden Seiten des Konflikts gibt, müssen die Ukraine verlassen. Alle illegalen militärischen Verbände sind aufzulösen, wobei nicht explizit gesagt ist, ob das auch die Freiwilligenverbände auf Seiten der Kiewer Kräfte betrifft. Im Wortsinne sollte es das, denn da sie sich nicht einer staatlichen Befehlsstruktur unterworfen haben, verstoßen sie gegen das Gewaltmonopol des Staates. Über diese Frage wird es Diskussionen geben.
Im Gegensatz zu Minsk I präzisiert Minsk II ganz klar und mit einem Zeitrahmen eine langfristige Perspektive zur Beilegung des Konflikts, welche die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine (ohne Krim) gewährleistet. Beginnend am ersten Tag nach den lokalen Wahlen im Donbass und spätestens bis Ende 2015 soll die Kontrolle Kiews über die Staatsgrenze wieder hergestellt werden. Allerdings hat dieses große Zugeständnis der Separatisten, das eine Aufgabe aller strategischen Vorteile impliziert, eine Bedingung erfordert. Es muss eine Verfassungsreform in der Ukraine geben, wobei die neue Verfassung ebenfalls bis Ende 2015 in Kraft treten muss. Mit anderen Worten kann die Ukraine nur mit neuer Verfassung wieder souverän werden. Die Minimalbedingungen für die Autonomie des Donbass in dieser Verfassung- und ihre permanente Regelung- sind in einer Fussnote festgelegt. Insbesondere sind dies eine Amnestie für die an den Kriegshandlungen beteiligten Separatisten, lokale Mitsprache bei den Ermittlungsbehörden und der Gerichtsbarkeit, sprachliche Selbstbestimmung, zentrale Unterstützung grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit russischen Regionen, die Aufrechterhaltung lokaler Volksmilizen (schon am 16. September 2014 zugestanden) und ein Verbot der vorzeitigen Abberufung lokaler Abgeordneter und Offizieller. Diese Festlegungen schließen genau das Verhalten aus, mit dem die Jazenjuk-Regierung seit Ende Februar 2014 die Unruhen in den östlichen Oblasten erzeugt hat. Man kann voraussagen, dass sich die Oblast Charkiw ähnliche Bedingungen wünschen wird. Dort wird gerade versucht, mit einem Gerichtsverfahren den populären Bürgermeister Kernes, auf den 2014 ein Mordanschlag verübt wurde, aus dem Amt zu drängen und hinter Gitter zu bringen.
Kann aus all dem etwas werden? Das wird vor allem davon abhängen, ob Merkel und Hollande gegenüber den USA einknicken. Die USA werden sich Jazenjuks bedienen, um diese Lösung zu hintertreiben. Momentan hat Jazenjuk angesichts der militärischen Lage schlechte Karten. Wenn die neue Verfassung für die Separatisten- und die Bevölkerung im Donbass- so akzeptabel sein soll, dass dieses Gebiet in die Ukraine zurückkehrt, wird damit eine einseitige Westbindung der Ukraine unmöglich. Zumindest militärisch wird das Land neutral bleiben müssen. Für den Russlandhandel wird es eine trilaterale Einkunft zwischen der Ukraine, der EU und Russland geben müssen. Nichts davon ist im Interesse der USA. Anzunehmen ist daher, dass die USA angesichts der Aussichtslosigkeit einer militärischen Rückeroberung des Donbass versuchen werden, eine Politik des „Lieber die halbe Ukraine ganz als die ganze halb“ durchzusetzen. Das wiederum ist nicht im Interesse der EU. Hier hat sich nun der Interessengegensatz zwischen der EU und den USA voll herausgebildet, der sich bereits im Telefongespräch Nuland-Pyatt angedeutet hat. Wenn die Ukraine nicht zerrieben werden soll, ist eine Verständigung zwischen der EU und Russland auch gegen den Willen der USA unabdingbar.
Kommentare 26
Werter Herr Jeschke,
Sie sprachen zwar von einer Woche Urlaub ohne Internet, aber nach diesem brillianten Beitrag kann ich daran nicht so recht glauben.
"Die sinnvolle Lösung ist ein freier Abzug dieser Kräfte mit ihren schweren Waffen. Diese Lösung wird auf beiden Seiten schwer durchzusetzen sein, aber genau davon hängt ab, ob Minsk II die nächsten beiden Wochen überleben wird."
Sonst große Zustimmung, aber warum nun das? Es hat sich gezeigt dass die Kiever Regierung nur genau dann verhandlungswillig wird, wenn ihr der Arsch auf Grundeis geht. Erlaubt man wiederum den Abzug *mit* schweren Waffen wird das Schlachten genauso weiter gehen. Abgesehen davon, dass ja längst nicht klar ist in wieweit sich ein Poroschenko (der das Abkommen wohl nicht einmal ratifiziert hat?) gegen seine Koalitionspartner, Freifaschisten und co durchsetzen kann.
Die letzte Verlautbarung seitens der Seperatisten die ich mitbekommen habe war dass jeder Versuch den Kessel zu durchbrechen als Bruch der Waffenruhe verstanden wird. Das ist auch die einzige vernünftige Lösung. Die können sich doch nicht darauf verlassen, dass sich die Kiever Truppen mal um mal als unfähig erweisen!
Zugegeben, meine Freunde hatten ein ThinkPad dabei und in dem Ferienhäuschen gab es nicht nur einen herrlichen Ausblick, sondern überraschend auch schnelles WLAN. Wir waren aber wirklich nicht viel im Internet und ich habe nur die nötigsten beruflichen E-Mails beantwortet.
Die Kriegsfetischisten sabbern sich die Köppe voll.
Pfui
Die können sich doch nicht darauf verlassen, dass sich die Kiever Truppen mal um mal als unfähig erweisen!
Sagen wir so: Seit Mitte April ist das die einzige wirkliche Konstante in diesem Konflikt.
Aus Sicht der Separatisten haben Sie aber natürlich völlig Recht. Nur kann Kiew einem Verbleib der schweren Waffen im Kessel bei den Separatisten wirklich nicht zustimmen. Am Ende hängt die Stabilität der Waffenruhe genau davon ab, dass die Separatisten einem solchen Abzug unter sorgfältig ausgehandelten Bedingungen zustimmen.
Und ja, das kann nur nach neuerlichen Verhandlungen und in gegenseitigem Einvernehmen stattfinden. Der einseitige Versuch eines Durchbruchs wäre ganz klar ein Bruch der Waffenruhe und würde in einem Aufreiben des Kessels enden.
Ich reklamiere, dass es einen Unterschied gibt zwischen militärischer Kenntnis, die in diesem Fall für das Finden einer ausbalancierten diplomatischen Lösung unabdingbar ist, und Kriegsfetischismus.
Die Welt ist nun einmal so beschaffen, dass Machtkonstellationen und (militärische) Kräfteverhältnisse entscheidend für den Gang der Dinge sind. Sie können versuchen, das zu ignorieren, aber nur zu ihrem eigenen Schaden. Illusionen sind bequem, aber nicht hilfreich.
Egal, macht weiter
Danke für Ihrre Analyse
Kann aus all dem etwas werden? Das wird vor allem davon abhängen, ob Merkel und Hollande gegenüber den USA einknicken. Die USA werden sich Jazenjuks bedienen, um diese Lösung zu hintertreiben.
Genau. Mir ist beim Auftritt von Jazeniuk hier in Berlin schon aufgefallen, dass der sich voller USA- Unterstützung sicher ist. Der ist kreuzgefährlich.
Zumindest militärisch wird das Land neutral bleiben müssen.
Das sagen alle, die sich mit der Sache beschäftigt haben.
Erst mal vielen Dank für Ihre sehr gute Analyse.
In der Verhandlungsnacht hatte Poroschenko die Existenz des Debaltsewokessels geleugnet. Vielleicht wurde er auch falsch informiert. Putin hat dann vorgeschlagen, den Sachstand durch Militärexperten prüfen zu lassen. Der Punkt ist dadurch nicht ins Statement aufgenommen worden. In den Folgetagen gab es dann heftige Kämpfe um den Kessel zu öffnen. Eine Regelung wird nun sehr schwierig werden und bedarf tatsächlich fairer Hilfen von außen.
Was den Rechten Sektor, Asow und zwei andere Bataillone betrifft, so hatte ich gelesen, dass sie die Waffenruhe nicht anerkennen wollen, dass das ukrainische Militär bzw. die Nationalgarde von einigen EU Staaten bereits Waffen erhalten und die Nationalgarde auch ab März von den USA trainiert werden soll. Ebenso wird die Amnestie in Frage gestellt.
Meine Sorge ist auch, ob tatsächlich die regionalen Wahlen so frei sind, dass sich nicht nur Kiew genehme Parteien zur Wahl stellen können.
Danke für die informative Zusammenfassung!
Anzunehmen ist daher, dass die USA angesichts der Aussichtslosigkeit einer militärischen Rückeroberung des Donbass versuchen werden, eine Politik des „Lieber die halbe Ukraine ganz als die ganze halb“ durchzusetzen.
Es würde mich wundern, wenn das der Plan B der USA wäre. Das hieße im US-Speech: Die ´Supermacht´ knickt vor der ´Regionalmacht´ ein. Nach bisherigen Erfahrungen kaum vorstellbar. Von daher ist von dieser Seite, samt ihrer Buddies in Kiev, eher die Torpedierung von Minsk II zu erwarten _ bis hin zu einer False Flag.
Oder: In Washington setzen sich die ´Softliner´ durch, so wie in Kiev die oligarchischen Opportunisten. Immerhin wird denen mit 40 Mrd. € der Kompromiss schmackhaft gemacht. Es ist zwar Wahnsinn, Kriegstreiber mit diesen Summen belohnen zu wollen _ das ist in den glühenden Ofen geschmissenes Geld, bei den Ukrainern wird es kaum ankommen. Doch das ist offensichtlich der Preis, den die EU, angesichts ihrer irregeleiteten, wenig nachhaltigen & selbstverschuldeten Politik, für den Frieden in Europa z.g.T. zahlen muss.
Don´t feed the troll, please...
Ihre gründliche, kenntnisreiche & hochgradig sachliche Analyse tut so gut, angesichts dessen, was an bellizistischer Aufrüstung in regulären Medien zu lesen ist!
Er nährt die leise Hoffnung, als sei eine konstruktive Politik doch noch theoretisch möglich, obgleich man kaum zu hoffen wagt, dass europäische Regierungen die genuinen Interessen ihrer Bevölkerungen, in gedeihlichem Frieden zu leben, überhaupt noch wahrnehmen können & das Rückgrat haben könnten, sie gegen die USA, der daran offensichtlich nichts liegt, durchzusetzen. Zu merkwürdig sind die Beteuerungen "transatlantischer Freundschaft", seitdem ein totalitärer Abhörmechanismus durch die NSA als fest installiert bekannt wurde, der doch einen hochgradig aggressiven Angriff auf die genuinen Interessen unserer Gesellschaft, die ja von ihrem Wissen lebt, betrachtet werden muss.
Man möchte gerne das Lavieren der europäischen, vor allem der deutschen und französischen Regierungen als vorsichtig=klugen Versuch betrachten, mit einer unberechenbaren despotischen Macht jenseits des Atlantiks umzugehen. Allein, es sind zu viele Reden voller ideologischer Scharfmacherei publik geworden, dass ich daran ernsthaft glauben kann.
So bleibt uns nichts als hoffen & bangen ---- & weiter kritische Wortbeiträge hörbar zu machen.
…Der ist kreuzgefährlich.
Das ist wohl wahr. Mir ist schleierhaft, wie Merkel, Steinmeier & andere mit so einem Typen kommunizieren können. Wenn der mit denen so redet, wie in Interviews, dann müssen die doch Schnappatmung & Brechreiz kriegen _ oder?
Hier eine aktuelle Kostprobe der eigenartig fremden Weltanschauung von AJ:
Die beste Garantie für unsere Sicherheit ist ein starker und widerstandsfähiger ukrainischer Staat, der im Stande wäre, sich selber aber auch den gesamten europäischen Raum zu verteidigen.
Wenn Jazenjuk mich verteidigen soll, wird mir ganz Bange…
>> Putin ist bestrebt, in Europa zu herrschen, indem das Projekt Europa scheitert, ohne jegliche Chance auf Erweiterung.<<
Bitte auf die Wortwahl achten: ´Projekt Europa´! Wessen Projekt meint er damit? Dieses Projekt Europa hat sich in den vergangen Jahren enorm erweitert, zu ihrem Glück in dieser ´chancenreichen´ Erweiterung fehlt natürlich noch die Ukraine, oder wie? Ach ja, verstehe, weil die Europa vor dem bösen Herrscher Putin verteidigen weerden _ jats oh man…
>>Im gegebenen Moment möchte Putin das Spiel verzögern. Es geht nicht bloß um einen ukrainisch-russischen Konflikt. Russland hat die ganze demokratische Welt herausgefordert.
Dass sich in den demokratischen Ländern die Bevölkerung durch Putin herausgefordert sieht, ist eine Ansicht, der sich Therapeuten annehmen sollten. Vielleicht könnten die AJ den Begriff Demokratie in seiner ursprünglichen Bedeutung erklären, er hat ihn offensichtlich falsch verstanden.
Nicht nur die Ukraine, sondern auch der ganze europäische und transatlantische Raum ist durch Kreml gefährdet. Wir sollten Putin aufhalten und die internationale Ordnung wiederherstellen. Man muss alle möglichen internationalen Kräfte zusammenschließen, um den Kreml zurück zum Frieden zu bringen, damit Russland wieder zivilisiert mit anderen Völkern zusammenleben kann.“<<
Putin Putin Putin _ Yats the man sollte erst einmal dafür sogen, dass die Bürger in seinem Land zivilisiert & friedlich zusammenleben können. Danach sollte er über friedliche Agreements mit den Nachbarn nachdenken.
danke für Ihre - wie immer - überzeugende, faktenbasierte Darstellung und Analyse der Ereignisse. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Initiative bzgl. Minsk II wirklich von Merkel und Hollande ausging. Insbesondere in den französischen Medien wurde, wie auch bei Minsk I, ein Brief Putins als Auslöser dargestellt.
Meine große Sorge ist, dass genau wie bei Minsk I, die Ergebnisse als Niederlage für die ukrainische Regierung und die geostrategischen Interessen der USA betrachtet wird. Das westliche Medienecho und die Äußerungen der Vertreter der transatlantischen Think Tanks rufen ja ein Scheitern bereits intensiv herbei.. Ich fürchte, dass hier die Problematik des Kessels von Debaltseve den geeigneten Vorwand liefern wird.
Nicht umsonst hat Poroschenko, entgegen der Faktenlage, in den Verhandlungen so vehement darauf bestanden, dass er nicht geschlossen sei. Putin hat in seiner Abschlusserkärung deutlich auf die ungeklärte Problematik hingewiesen.
Hier müssen in der Tat Verhandlungen stattfinden, um einen Abzug der Eingeschlossenen zu ermöglichen.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass die Lösung des Konfliktes ein Lackmustest für die Eigenständigkeit einer europäischen Außenpolitik, unabhängig von den Interessen der USA, ist.
Problematisch und ernüchternd ist, dass Poroschenko, auf den die EU setzten muss, nicht nur Opportunist ist ( sicher auch, um seinen Posten zu halten) und dem enstsprechend unzuverlässig schwankend sondern auch leider intellektuell limitiert ist.
Auch von mir danke für die nüchterne Darstellung und kenntnisreiche Analyse.
Das ist wohl wahr. Mir ist schleierhaft, wie Merkel, Steinmeier & andere mit so einem Typen kommunizieren können. Wenn der mit denen so redet, wie in Interviews, dann müssen die doch Schnappatmung & Brechreiz kriegen _ oder?
Sie müssen mit dem kommunizieren. Was sollen die machen? Das ist Politik. Aber der Umgang mit ihm ist schon - medial gesehen - sehr reserviert. Merkt man.
Vielen Dank für die wie immer sehr fundierte Analyse!
Die Leugnung des Kessels Debalzewo birgt Eskalationsrisiken, das sehe ich wie die Kommentatoren weiter oben.
Möglich ist m.M.n., dass nur a) Freiwilligenbatallione eingeschlossen sind, die sowieso nicht auf Poroschenko hören und Kiew deshalb nicht sehr bemüht ist, sie zu retten (dies wurde im Verlauf der ATO schon mehrfach gemutmasst, Kiew könnte die allzu radikalen Kräfte auf diese Weise loswerden wollen) und B) es sind weitere ausländische Kräfte beteiligt, die durch geordnete Abführung der Gefangenen auf keine Fall "sichtbar" werden sollen.
Auf jeden Fall gibt es mehr als eine Kriegspartei, die mit der Waffenruhe nur ungern vorlieb nimmt. Sehr schwierig wird es auch mit der späteren Umsetzung, da sehe ich keinen politischen Willen in der Ukraine, dafür hat man zu sehr auf die Terroristen-Propaganda gesetzt, und jetzt sollen dieselben unter "Amnesie" fallen und unbescholtene ukrainische Bürger werden.
Ich gönne jedenfalls den armen Menschen in der Region vom Herzen etwas Ruhe und geordnete Verhältnisse!
Wow, was für ein Material! Vielen Dank dafür.
Was ist Ihre Prognose, wie es weiter gehen wird?
Ich habe auch gesehen, dass Sie den umstrittenen MH-17-Abschuss sehr detailreich und mit viel Kenntnis aufgearbeitet haben! Das ist das Beste, was ich zu dem Thema im Internet finden konnte. Nochmals Danke.
Eine Anmerkung zur militärischen Lage im August:
Im Interview "Wer bist du, Schütze? Gespräch mit Igor Strelkow", das ich in einer deutschen Übersetzung beim Vineyard Saker gelesen habe, sagt Strelkow: "... Die Kämpfe waren hart, es wurde viel verbraucht, und es kam kein Ersatz. Das war am 5. Juli. Die “Urlauber” kamen 40 Tage später. Wir hätten es bis zu ihrem Eintreffen nicht ausgehalten. ..."
http://vineyardsaker.de/novorossiya/wer-bist-du-schuetze-gespraech-mit-igor-strelkow/
D.h. nach Strelkows Aussage gab es also ab ca. Mitte August Unterstützung der Separatisten durch die russischen "Urlauber", die ein wenig nachgeholfen haben, daß die Separatisten nicht schon im August verlieren. Es wurde dann ja relativ schnell Minsk I verhandelt!
Da Putin spätestens Mitte August gewußt haben sollte, das MH17 eine "false flag attack" war (er wird wohl die "Analyse der Gründe für den Absturz des Fluges MH-17" vom Verband russischer Ingenieure zur Kenntnis genommen haben), die weiter vertuscht werden würde (und bis heute noch vertuscht wird), finde ich dieses Eingreifen der russischen "Urlauber" und die Erzwingung des ersten Abkommens von Minsk allerdings aus russicher Sicht konsequent.
Eine Korrektur zu Ihrer Wiederholung einer deutschen Medienlegende: "Minsk II kam in dieser Situation auf Initiative von Angela Merkel mit Francois Hollande im Schlepptau zustande."
Französische Medien wie die Zeitung Le Figaro berichteten anderes: Dem Beitrag in der Online-Ausgabe von Le Figaro vom 5.2.15 zu Folge kam die Initiative zum Gespräch von Merkel, Hollande und Putin in Moskau vom russischen Präsidenten. Ein noch geheimes russisches Angebot habe Anfang der Woche den Weg für die Gespräche in Moskau frei gemacht und Kanzlerin Merkel dazu gebracht, direkt mit Putin zu sprechen, so die Zeitung. Der geplante Gipfel in der kasachischen Hauptstadt Astana Mitte Januar sei auf deutsche Initiative abgesagt worden, heißt es weiter.
Laut New York Times vom 6.2.15 hatte Putin Briefe an Merkel und Hollande geschickt mit Vorschlägen für eine Konfliktlösung.
Merkel und Hollande haben Putin sicher nicht angerufen und gesagt: "Wladimir, wir kommen mal nach Moskau. Wir müssen mal mit Dir reden." So klingen aber die deutschen Medienberichte dazu. Und interessant der französische Hinweis, dass vor allem die Bundesregierung den zuvor diskutierten Gipfel in Astana nicht wollte
Was ist Ihre Prognose, wie es weiter gehen wird?
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen (dieser Satz wurde vielen Autoren zugeschrieben).
Es sieht ja nun so aus, als ob der Rückzug der schweren Waffen mindestens nicht pünktlich beginnen wird. Die Kiewer Kämpfer in Debaltseve bleiben blockiert und ohne Nachschub. Auf Zeit spielen können in dieser Situation eher die Separatisten. Entweder muss Kiew den Separatisten bezüglich Debaltseve ein Angebot machen, was extrem unwahrscheinlich ist. Oder Poroschenko muss mit Putin noch einmal über Debaltseve verhandeln und dabei zugeben, dass der Belagerungsring eben doch geschlossen ist. Auch das erscheint sehr unwahrscheinlich, aber in irgendeiner Weise wird sich Kiew bewegen müssen. Die Lage der eingeschlossenen Truppen wird ja nicht besser.
Der ukrainische Generalstab hat indes verlauten lassen, Debaltseve sei unter der Kontrolle der Kiewer Truppen, die Lage sei aber kompliziert. Gestern hätten 100 Kämpfer der Separatisten und drei Panzer die Positionen der ATO-Kräfte attackiert. Da das allein keine komplizierte Lage für meherere tausend Kämpfer in der Stadt mit sehr viel mehr schweren Waffen als drei Panzern erzeugt haben kann, muss man es wohl als Eingeständnis dessen lesen, was sowieso jeder weiss und selbst westliche Medien berichten, und was nur Poroschenko nicht zugeben will: Der Belagerungsring ist und bleibt geschlossen.
Aber der Umgang mit ihm ist schon - medial gesehen - sehr reserviert.
Woran genau machen Sie das fest? Im letzten Jahr wurde er immerhin eingeladen, die Laudatio (!) beim Aachener Karlspreis zu halten. Und wenn ich mich richtig erinnere, habe ich in der Zeitung gelesen, dass sich die EU-Parlamentarier von ihm "begeistert" gezeigt hätten (leider finde ich den Zeitungsbeitrag nicht mehr). Das war letztes Jahr und da mag bei den hiesigen Politikern noch die Freude über den gelungenen Coup in Kiew mitgeschwungen haben, aber ist die öffentliche Darstellung mittlerweile anders?
In Deutschland geht es jedenfalls mit der Militärdoktrin weiter: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/02/17/kalter-krieg-merkel-richtet-deutsche-militaer-doktrin-gegen-russland-aus/
Also ich schätze das eigentlich nur ein nach der Häufigkeit mit der er genannt wird. Momentan ist Poroschenko, Poroschenko. Begeisterung über Jazeniuk erlebe ich im Moment nicht.
Bei Bloomberg gibt es eine gute Analyse zur Situation in Debaltseve.
Hier noch eine entsprechende Analyse der Kyiv Post.