25.11.2017, 18:45 Uhr
Soll die SPD Martin Schulz (61) ersetzen?
Nein. Dass Martin Schulz im Januar Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur übernahm, spricht nicht so stark gegen ihn, wie manche glauben. Schließlich kam er als Außenseiter, der die Partei gar nicht kannte. Auch dass er mit diesem Klotz von Partei am Bein keinen Wahlkampf gewinnen konnte, ist ihm nicht allzu sehr anzulasten. All das scheint in der SPD vielen - man möchte fast sagen: allzu vielen - durchaus bewusst zu sein. Die SPD kann Schulz als Parteivorsitzenden schlecht absetzen, da sie kaum wieder jemanden mit ausreichenden Persönlichkeitseigenschaften finden wird, dem oder der man das Amt plausibel anbieten kann. Zumindest niemanden, der die Partei so wenig kennt, um es auch anzunehmen.
Soll die CSU Horst Seehofer (68) ersetzen?
Ja, unbedingt. Horst Seehofer hat sich in den vergangenen beiden Legislaturperioden in zwei verschiedenen Regierungskoalitionen ausgesprochen destruktiv verhalten. Dabei hat er politische Projekte durchgesetzt, die sowohl von einer Mehrheit innerhalb der Koalition als auch von einer Mehrheit der Bevölkerung und der Kommentatoren als widersinnig angesehen wurden. Das konnte aus Sicht der CSU so lange als machttaktisch sinnvoll angesehen werden, so lange noch Grund zu der Annahme bestand, die bayrischen Wähler würden es goutieren. Diese Annahme ist am 24. September 2017 widerlegt worden. Zudem verfügt die CSU über mindestens eine Politikerin (Ilse Aigner, 52) und mindestens einen Politiker (Markus Söder, 50), die das Amt des Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten nach einer Anlaufzeit mindestens so gut wie Horst Seehofer ausfüllen könnten. Es gibt keinerlei Grund, an ihm festzuhalten.
Soll die CDU Angela Merkel (63) ersetzen?
Ja.
Wenn Sie meiner Analyse vom Abend des 21. November nicht trauen, können Sie sehr ähnliche Schlussfolgerungen auf der Basis ähnlicher Argumente in einem Kommentar vom 24. November von Eric Gujer in der NZZ nachlesen. Günter Bannas von der FAZ argumentiert heute gegen die Idee vom Ende der Ära Merkel, allerdings auf etwas zweischneidige Art.
Warum ist Frank-Walter Steinmeier (61) Bundespräsident?
Weil nach den Fällen Köhler und Wulff keine unabhängig denkende Person aus dem Umkreis der Union mehr ein Stück Brot von Angela Merkel annehmen wollte.
Soll die SPD ohne Neuwahl in eine Große Koalition mit den Unionsparteien eintreten?
Höchstwahrscheinlich nicht. Diese Lösung wird zwar von großen Teilen des politischen und journalistischen Establishments bevorzugt, aber nur aus unreflektiert nostalgischen Gründen. Es besteht eine tiefe Sehnsucht nach den Gewissheiten der Berliner Republik unter Merkel bis zum August 2015. Es besteht eine große Hoffnung, Angela Merkel könne wieder die Stabilität herbeiführen, für die sie einmal stand. Es wird aber kein Zurück geben. Was immer man von Merkels ursprünglicher Entscheidung zur Grenzöffnung hält, sie hat von Oktober 2015 bis zur Schließung der Balkanroute durch andere Staaten politisch versagt. Sie hat auf dem Bundesparteitag der CDU vor einem Jahr politisch versagt. Sie hat während der Jamaika-Verhandlungen politisch versagt. Sie hat nach dem Ende der Jamaika-Verhandlungen politisch versagt. Niemand außerhalb der CDU vertraut ihr mehr und viele in der CDU tun das auch nicht. Die SPD tut weder sich, noch Deutschland, noch der EU einen Gefallen, wenn sie die Regierungszeit von Angela Merkel unnötig verlängert.
Wenn die Unionsparteien Horst Seehofer und Angela Merkel ohne vorherige Neuwahlen ersetzen, was allerdings sehr unwahrscheinlich ist, so kann eine Große Koalition wegen der inhaltlichen Nähe beider Parteien sinnvoll sein. Wesentlich wäre dabei, der Bevölkerung gegenüber wirklich glaubhaft den Eindruck eines Neuanfangs zu vermitteln und ein konstruktives Regierungsprogramm zu entwickeln, das sich den Herausforderungen der Zeit stellt.
Soll die SPD nach einer Neuwahl in eine Große Koalition mit den Unionsparteien eintreten?
Diese Frage wird sich vermutlich nicht in dieser Form stellen. Wenn diese Kombination nach einer Neuwahl noch eine Mehrheit haben wird, so doch keine solche Mehrheit, dass es noch sinnvoll wäre, von einer Großen Koalition zu sprechen.
Soll die Union eine Minderheitsregierung bilden?
Nein. Ausweislich der Verhandlungen zur Jamaika-Koalition ist Angela Merkel weder dazu in der Lage, in der jetzigen Situation programmatisch zu führen, noch dazu, Kompromisslinien zu finden, die von diversen eigenständigen Partnern akzeptiert werden können. Angela Merkel wird keine politisch handlungsfähige Minderheitsregierung aufbauen können. Wenn die Union sich aber dazu durchringen kann, Angela Merkel zu ersetzen, besteht die Notwendigkeit einer Minderheitsregierung nicht mehr.
Soll eine andere Partei oder Gruppe von Parteien eine Minderheitsregierung bilden?
Diese absurde Idee ist tatsächlich in Mainstream-Medien diskutiert worden. Wer sie ernsthaft in Erwägung zieht, hat keinen blassen Schimmer von Politik.
Sind Neuwahlen die beste Lösung?
Ja. Die Parteien haben in den zwei Monaten seit der Wahl eindrucksvoll demonstriert, dass sie aufgrund dieses Wahlergebnisses und mit dem derzeitigen Personaltableau keine Regierung mit einem plausiblen Programm bilden können. Keine noch so langen Gespräche zwischen Merkel, Schulz und Seehofer können daran noch etwas ändern. Wenn dabei einer Regierung irgendeiner Art zustande kommt, sei es eine formelle Koalition, eine tolerierte Minderheitsregierung oder eine Minderheitsregierung auf der Basis wechselnder Mehrheiten, so wird das im In- wie im Ausland immer als eine Notlösung angesehen werden. Entsprechend schwach wird diese Regierung sein.
Gegen Neuwahlen wird gern ins Feld geführt, dass derzeitige Umfragen in etwa das gleiche Wahlergebnis vorhersagen wie am 24. September. Lassen wir beiseite, dass die Ergebnisse der Umfragen vom 19. September von Allensbach und Forsa nahezu übereinstimmten, aber das Wahlergebnis vom 24. September nicht vorausgesehen hatten (CDU/CSU um etwa 3% überschätzt, SPD um etwa 2% überschätzt, AfD um 2,5-3% unterschätzt). Sobald den Wählern klar ist, dass das Wahlergebnis nicht zu einer Regierungsbildung geführt hat, werden einige ihre vorherige Wahl überdenken. Ein weiterer Teil wird das tun, bevor sie ihre Stimme abgeben. Die Umverteilung ist schwer vorherzusagen, aber Verluste der Union sind sehr wahrscheinlich, da das Versagen von Angela Merkel dann auch politisch weniger interessierten und informierten Bürgern offenbar wird. In der Folge wird Angela Merkels Stellung in der Union geschwächt werden und es wird wahrscheinlicher, dass die Union einen Neuanfang wagt.
Hat die Union außer Angela Merkel keine potentielle Bundeskanzlerin?
Annegret Kramp-Karrenbauer (55) könnte es. Sie würde sich nie selbst dafür bewerben. Genau das lässt sie in dieser Situation als besonders geeignet erscheinen. Wahrscheinlich würde sie es auch nicht wollen, aber sie würde sich aus Verantwortung für das Ganze überzeugen lassen. Christian Wulff (58) könnte ebenfalls als Bundeskanzler amtieren. Die Union hätte allen Grund, ihm gegenüber Wiedergutmachung zu betreiben. Wenn diese beiden am besten geeigneten Kandidaten in der CDU nicht durchsetzbar sind, wäre Volker Bouffier (66) als Übergangslösung für eine Wahlperiode immer noch eine bessere Lösung als Angela Merkel zum vierten Male. Wenig charismatisch, aber wahrscheinlich besser geeignet als Bouffier, ist Armin Laschet (56). Er wäre ebenfalls parteiintern leichter durchsetzbar als Kramp-Karrenbauer oder Wulff.
Kommentare 17
Der Beitrag belegt vor allem, wie dünn das Tabeau an Politikern in allen Parteien ist, denen wir zutrauen möchten, dass sie uns als Kanzler regierten sollten.
Herr Schulz ist von seinem aufbrausenden Gemüt, seiner fehlerhaften Urteilskraft und weil er nie ein Regierungsamt inne hatte (Grüßaugust des EU Parlaments ist nicht gleichwertig),zum Kanzler nicht geeignet.
Laschet ist gerade erst NRW Ministerpräsident geworden. Selbst dieses Amt haben ihm seine eigenen Parteifreunde lange nicht zugetraut. Als Bürger von NRW erlebe ich bisher auch keine Führungsstärke bei ihm. Sein einziger aktenkundiger politischer Anspruch war seit seiner Wahl, dass er Olympische Spiele nach NRW holen will. Wie er marode Straßen, Brücken und Schulen sanieren, Glasfasern unter die Erde bringen und die Kinderarmut reduzieren will, sagt er uns nicht. An der Braunkohle hält er fest. Aus 70 km Entfernung sehe ich von meinem Haus täglich die Rauchsäulen der Braunkohe-Kraftwerke bei Aachen. Ich erkläre dann meinen Kindern, "dort werden die Wolken gemacht". Zukunftsweisendes machen wir in NRW eher nicht.
Christian Wulf wurde zwar übel mitgespielt, ich möchte aber trotzdem keinen Kanzler, der sich von seinen reichen Spezis zum Urlaub einladen läßt und der meint, der Islam gehöre zu Deutschland.
Frau Kramp-Karrenbauer kann ich mir notfalls vorstellen,wobei ich deren außenpolitische Erfahrung nicht einschätzen kann.
Eine ernst zu nehmende Bewegung in der Union, Frau Merkel aufs Altenteil zu senden, sehe ich nicht. Ob die CSU mit Herrn Seehofer fertig hat, wissen wir in 9 Tagen. Anderes Personal wird es aber auch nicht schaffen,bei der nächsten bayrischen Landtagswahl die absolute Mehrheit zu holen. Daher bleibt die CSU in jeder Koalition immer eine lose Kanone.
die wahlen zeitigten vor allem:
1) ein exit von wählern aus dem konzept der groko.
2) die stärkung einer erwarteten oppositions-partei: afd
und einer unerwarteten: der fdp lindners.
regierungs-bildungen sind so prekärer geworden,
pseudo-stabilitäten sind manifesten instabilitäten gewichen.
eine regierungs-koalition
hat mit wähler-schwund durch benachbarte opposition zu rechnen
(die LINKE bleibt außen vor).
Sie haben schon Recht, aber jemand muss es machen.
Einige Punkte muss ich wohl gegenkommentieren:
Wenn Sie keine Kanzlerin wollen, die mit dem Chef der Deutschen Bank Geburtstag feiert und den Siemens-Chef auf jeden Staatsbesuch mitnimmt, aber nie Zeit für die Krankenschwester mit der miesen Rente hat, gebe ich Ihnen Recht. Man muss halt zwischen verschiedenen supotimalen Varianten wählen.
Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist zunächst einmal eine neutrale Tatsachenbehauptung. Wer sie leugnet, geht mit geschlossenen Augen durch das Land. Man muss auch einen Modus vivendi mit dem nicht unerheblichen islamischen Bevölkerungsanteil finden, auch mit denen, die in den letzten Jahren zunehmend ihren Glauben in der Oeffentlichkeit zeigen. Es ist eine andere Frage, was man tun muss, um einer weiter zunehmenden Islamisierung Einhalt zu gebieten, ein Ziel, das man heutzutage kaum vorschlagen darf, ohne mit den übelsten Gestalten von Pegida und AfD in einen Topf geworfen zu werden. Das ist aber langfristig eine Frage des Ueberlebens der offenen Gesellschaft und des Fortbestands unserer Lebensweise. Dass sie tabuisiert wird, bringt uns nicht weiter. Dass man darauf mit einem Burka-Verbot antwortet, ist naiv und populistisch.
Außenpolitische Erfahrung hat Kramp-Karrenbauer keine wesentliche, aber sie scheint lernfähig zu sein. Momentan haben wir einen Außenminister, der vor Amtsantritt mehr außenpolitische Erfahrung hatte, als Westerwelle vor dem seinen. In beiden Fällen passte die Besetzung des Amtes nicht zur Persönlichkeit (fehlendes diplomatisches Auftreten). Westerwelle hatte sich als lernfähig erwiesen, Gabriel agiert katatrophal. Der Hauptpunkt ist, ob ein Politiker weiß, dass er noch nicht alles kann - nie alles kann, weil die Umwelt sich ändert - und bereit ist, dazuzulernen. Diese Bereitschaft fehlt Gabriel weitgehend und Merkel inzwischen völlig.
Die CDU hat Angst vor der Nach-Merkel-Ära, aus durchaus verständlichen Gründen. Sie wird nicht springen, so lange sie das Ende der Merkel-Ära nicht als unausweichlich erkennt. Die SPD sollte diese Erkenntnisfindung nicht behindern.
Ja, die LINKE profitiert nicht von der allgemeinen Unzufriedenheit. Zum Teil hat das natürlich mit dem kulturellen Trend gegen linkssektiererische politische Korrektheit und Identitätspolitik zu tun, obwohl die LINKE mit diesen unsäglichen Erscheinungen gar nicht so stark assoziiert ist. Sie sitzt in diesem Kulturkampf etwas zwischen den Stühlen. Die Leute, welche die offene Gesellschaft und die Meinungsfreiheit von links angreifen, wählen eher die Grünen und in geringen Teilen die SPD. Diejenigen, welche die offene Gesellschaft verteidigen, trauen der LINKEN nicht. Und diejenigen, die sie von rechts angreifen wollen, wählen AfD.
Im Kulturkampf hat die LINKE also keine für irgendjemanden attraktive Position. Sie müsste mit realistisch umsetzbaren inhaltlichen Angeboten attraktiv werden. Auf solche kann sie sich nicht einigen. Scheinbar kann sie sich überhaupt nicht auf etwas einigen, nicht mal auf's Personal,.
<<Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist zunächst einmal eine neutrale Tatsachenbehauptung. Wer sie leugnet, geht mit geschlossenen Augen durch das Land. Man muss auch einen Modus vivendi mit dem nicht unerheblichen islamischen Bevölkerungsanteil finden, auch mit denen, die in den letzten Jahren zunehmend ihren Glauben in der Oeffentlichkeit zeigen.>>
Im Sinn von Multikulti gehören auch der Buddhismus, der Konfuzianismus, der Brahmanismus und sonstiger ismus zu Deutschland. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, gerade dem Islam eine herausragende Stellung zuzugestehen, insbesondere, wo es DEN Islam ja nach dem eigenen Selbstverständnis der Muslime garnicht gibt. Der Satz von Herrn Wulf impliziert aber, dass diese Religion unser kulturelles Selbstverständnis beeinflussen soll und darf. Ich gehe sogar so weit, dass heute auch das Christentum nicht mehr im Sinne von Kulturprägung "zu Deutschland gehört"(besonders in Ostdeutschland ist das ja ganz deutlich), es sei denn, man meint damit die Plattitüde, dass bei uns viele Menschen leben, die an Christus glauben oder bei einer Kirche eingeschrieben sind.
Jeder darf in Deutschland glauben, was er will, aber es darf das öffentliche Leben nicht mit seinen religiösen Ansichten bestimmen wollen. Einzig der Islam beansprucht aber bei uns genau das (und leider auch einige seiner Vertreter mit Gewaltfantasien). Ich habe hier viele Freunde aus Südostasien, die bei uns leben und den verschiedensten exotischen Religionen angehören. Mit diesen Menschen muss hierzulande niemand "einen Modus vivendi finden". Ihre Religion vertreten sie nicht offensiv nach außen und schon gar nicht die Forderung, ihre Religion sei die allein Seligmachende. Im Fall des Islam ist es ja zusätzlich auch noch so, dass religiös-kulturelle Ansprüche durch ausländische Regierungen unterstützt werden (Türkei, Saudi Arabien).
Dass Scharfmacher aus der Union dem mit einem Burkaverbot für Staatsdiener begegnen, ist natürlich lächerlich und geht am eigentlichen Problem völlig vorbei.
Was Herrn Gabriel als Außenminister angeht, stimme ich Ihnen völlig zu.
>>Im Sinn von Multikulti gehören auch der Buddhismus, der Konfuzianismus, der Brahmanismus und sonstiger ismus zu Deutschland.<<
Atheisten/inen und Agnostiker/innen sind einfach, egal ob irgend ein wichtigtuender Wicht sagt, dass sie dazu gehören oder nicht.
"Ich gehe sogar so weit, dass heute auch das Christentum nicht mehr im Sinne von Kulturprägung "zu Deutschland gehört""
Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Auch mit den meisten anderen Ihrer Sätze stimme ich überein.
Ich denk, Sie überinterpretieren, was Wulff mit dem Satz sagen wollte. Vor ihm war es Linie, vor allem der Unionsparteien, den Islam als die Religion einiger nicht ganz dazugehörender Gäste in Deutschland anzusehen. Das verkennt die Tatsachen.
Per 31. Dezember 2015 wurde die Anzahl der Muslime in Deutschland auf zwischen 4,4 und 4,7 Millionen geschätzt, was zwischen 5,4 und 5,7% der geschätzten Wohnbevölkerung entsprach. Sie glauben nicht alle das Gleiche (Christen auch nicht), aber sie haben im Grossen und Ganzen doch einige gemeinsame Ansichten, die von der kulturellen Prägung abweichen, auf der unser (zerfallendes) Wertesystem beruht.
Daraus folgt ein Problem, dem man sich stellen muss, denn es wird nicht dadurch verschwinden, dass man den Kopf in den Sand steckt.
Mit dem einen "Modus vivendi finden", meine ich, dass sie etwa 5% der Bevölkerung nicht als unerwünscht behandeln können. Das ist eine feine Linie, denn wenn man klar macht, dass man nicht noch mehr will, signalisiert man ja schon eine gewisse Unerwünschtheit. Private Religionsausübung ist geschützt, der politische Islam ist eine Gefahr. Allerdings ist es auch nicht einfach, den politischen Islam zu verbieten, ohne mit dem Grundgesetz in Konflikt zu kommen. Das Problem ist komplex und müsste sachlich und ohne Schaum vor dem Mund diskutiert werden.
...und unter den 56% eingetragenen Christen (28% Protestanten, 28% Katholiken) dürfte der Anteil der Agnostiker/innen sehr hoch sein.
(keine gendergerechten Endungen bei Christen und Untergruppen. Gibt die Bibel nicht her ;-)
Der »Krankenschwester mit der miesen Rente« muss eine höhere politische Priorität beigemessen werden
Ich finde, die Personaldebatte hier gehört um eine Frage erweitert, nämlich um die, welche politischen Inhalte den politischen Alltag zukünftig bestimmen sollen.
Wollen wir eine Politik die weiterhin mit dem »Chef der Deutschen Bank Geburtstag feiert und den Siemens-Chef auf jeden Staatsbesuch mitnimmt, aber nie Zeit für die Krankenschwester mit der miesen Rente hat«, oder haben wir die Erwartung, dass die Lebenssituation der »Krankenschwester mit der miesen Rente« zukünftig zu den Prioritäten politischen Handelns zählt.
Die aktuelle „Krise“ die die Jamaika-Fans unter den Politikern herbeigeführt haben, muss nach meinem Dafürhalten für eine Neuorientierung, die sich an einem angemessenen Lebensstandard für a l l e Bürgerinnen und Bürger zu orientieren hätte und die die Reichen und Super-Reichen hierfür ausreichend solidarisch in die Pflicht zu nehmen hätte, genutzt werden.
Ich jedenfalls wünsche politische Verabredungen für ein „Weiter-So“ grandioses Scheitern!
Die Namen, die Sie in diesem Blog durchdeklinieren, stehen allesamt für ein „Weiter-So wie bisher!“ bzw. „Wir-sind- die-Verursacher-der-gegenwärtigen-‚Bewährungsprobe‘“. Sie haben alle keine Alternativen im Rucksack – und wollen auch keine.
Ich finde, die „Ratlosigkeit“ unter den politischen Akteuren ist noch nicht groß genug.
Wenn Frau Merkel dem Land etwas Gutes tun wollte, würde sie als Kanzlerkandidatin nicht mehr antreten – oder, man muss sie z. B. im Rahmen von Koalitionsverhandlungen dazu zwingen. Ich bin ohnehin dafür, die Amtszeit der Kanzlerin, des Kanzlers auf zwei Wahlperioden zu begrenzen.
Sobald die Wirtschaftslobbys begreifen, dass Angela Merkel von ihrem besten Pferd zu einer Belastung geworden ist, wird sich eine ehrenvolle Lösung für die Langzeit-Kanzlerin finden und der Weg für eine neue Grosse Koalition unter einem anderen CDU-Kanzler frei werden.
Wenn die Wirtschafts-Lobbys bessere Analytiker hätten, würde die Diskussion in den Mainstream-Medien schon jetzt anders aussehen.
Oder die Wirtschafts-Lobbys haben gute Analytiker, die über den inneren Zustand der SPD besser informiert sind als ich oder besser wissen, wie dieser Zustand beeinflusst werden kann.
Fest steht nur eins: Die SPD als Partei kann in dieser Situation nichts mittel- und langfristig Blöderes tun, als in eine weitere Grosse Koalition unter einer Kanzlerin Merkel einzutreten.
Die für die SPD optimale Lösung ist, soziale Forderungen aufzustellen, von denen sie weiss, dass diese für die Wirtschafts-Lobbys und damit für die Union völlig unakzeptabel sind und die Union so, falls sie Merkel und Seehofer nicht los wird, in eine Minderheitsregierung zu zwingen und dabei selbst gut auszusehen.
Man muss es nur vage genug machen, um im Falle einer Merkel- und Seehofer-Ablösung eine Koalition vereinbaren zu können, ohne diese Forderungen beizubehalten. Denn auch die SPD kann natürlich keine Politik gegen die Wirtschafts-Lobbys *machen*, sie kann nur so tun, als ob sie eine solche wollte.
So behielte die SPD sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat politischen Einfluss und könnte sich bei ihrer eigentlichen Klientel im Ansehen erholen. Letzteres wäre durchaus auch im Sinne der Wirtschafts-Lobbys.
" oder haben wir die Erwartung, dass die Lebenssituation der »Krankenschwester mit der miesen Rente« zukünftig zu den Prioritäten politischen Handelns zählt"
Wir haben den Wunsch. Die Erwartung habe ich nicht. Das Wahlergebnis entspricht dem auch nicht und auch das Ergebnis einer Neuwahl würde dem wohl kaum entsprechen.
Es gibt nur ein Personal des "Weiter so". Das politische System ist darauf angelegt, allzu disruptive Persönlichkeiten auszuscheiden und allzu disruptive Parteien mit einem Tabu zu belegen, bis sie "gezähmt" sind.
" Ich bin ohnehin dafür, die Amtszeit der Kanzlerin, des Kanzlers auf zwei Wahlperioden zu begrenzen."
Volle Zustimmung. Zu lange Amtszeiten führen erstens zur Stagnation und zweitens zum Realitätsverlust der Amtsinhaber. Das passiert den besten Leuten. Frau Merkel war, gemessen an den Standards ihrer Zunft, mal ein Glücksfall. Das ist sie inzwischen definitiv nicht mehr. Sie hätte eine gute politische Biografie und einen sehr positiven Eintrag in den Geschichtsbüchern gehabt, wenn sie gezwungen gewesen wäre, nach zwei Amtsperioden etwas anderes zu tun.
Für Altbundeskanzler(innen) mit ihrer politischen Erfahrung und Vernetzung gibt es durchaus sinnvolle Beschäftigungen und sie geben hervorragende Berater und Schlichter ab, sobald sie kein Eigeninteresse mehr haben. Das muss nicht so enden wie bei Gerhard Schröder.
Darf ich daran erinnern, dass es die SPD war, die mit ihrer AGENDA 2010 quasi die Hausaufgaben für Frau Merkel gemacht hatte. Das war komfortabel für sie: Das Drehbuch ihrer Politik: Made by SPD. Der SPD hätte ich gewünscht, dass sie, wie in den Niederlanden und Frankreich marginalisiert wird.
Ich erlaube mir, an dieser Stelle einen Auszug aus der Mail Nr. 57 | Team Sahra (Wagenknecht) vom heutigen Abend einzustellen:
»Was bedeutet es in dieser Situation also, ‚staatspolitische Verantwortung‘ zu übernehmen. Ganz sicher nicht, den Kurs fortzusetzen, der immer mehr Menschen zurecht unzufrieden macht, weil er Niedriglöhne ausweitet, Ungleichheit verstärkt und Unsicherheit produziert. Wohl aber endlich den Mut zu finden, personell und programmatisch für eine andere Politik einzustehen. Denn es gibt Alternativen. Ein sozialer Kurswechsel in der Politik ist möglich.
Ich habe mich in der letzten Woche vor diesem Hintergrund mit einem Appell an die noch verbliebenen Sozialdemokraten in der SPD gewandt und dazu aufgerufen, jetzt gerne staatspolitische Verantwortung zu übernehmen; aber richtig verstanden kann das nur bedeuten, dass sich die Partei zurück besinnt auf sozialdemokratische Werte und auf diese Weise endlich einen Kurswechsel in der Politik möglich macht.«
Ein Nachtrag zu Armin Laschet
»Wenig charismatisch, aber wahrscheinlich besser geeignet als Bouffier, ist Armin Laschet (56) «
Er gibt gerade hier in NRW seinen Einstand:
Die NRW-Landesregierung will sich aus der Finanzierung des Sozialtickets im Nahverkehr zurückziehen. Bei den 2011 eingeführten subventionierten Sozialtickets handelt es sich um rabattierte Nahverkehrsmonatskarten für Bedürftige, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Das Land zahlt bislang jährlich 40 Millionen Euro, um das Sozialticket zu finanzieren. Das Geld soll stattdessen in den Neubau von Straßen fließen.
„Besser kann Schwarz-Gelb kaum deutlich machen, wie egal ihnen die gesellschaftliche Teilhabe einkommensschwacher Haushalte ist“, sagte Grünen-Fraktionschef Arndt Klocke.
Auch Menschen mit wenig Geld hätten das Recht auf Mobilität, argumentierte der Landessprecher der Linken, Christian Leye. „Warum zum Teufel wird immer bei den Schwachen gespart, statt die Reichen zu belasten?“
Ich bin kein Freund von Armin Laschet oder von Schwarz-Gelb. Nur muss man realistisch bleiben. An der Union kommt man bei der Regierungsbildung nicht vorbei, aller Wahrscheinlichkeit nach auch nach einer Neuwahl nicht. Die Frage ist also nur, was besser für das Land ist, eine vierte Regierung Merkel oder ein anderer CDU-Kanzler (bzw. eine andere CDU-Kanzlerin).
Der Laschet einer Grossen Koalition würde auch nicht so handeln können, wie der Laschet von Schwarz-Gelb in NRW.
Veilleicht ist es ja ganz gut, wenn es im Moment zu keiner neuen Regierung kommt. Die aktuellen Hibsbotschaften machen einem wirklich Angst:
https://netzpolitik.org/2017/neue-ueberwachungsplaene-innenminister-will-hintertueren-in-digitalen-geraeten/
Ich denke nicht, dass das gegen entschlossene Leute durchsetzbar ist. Kriminelle oder Terroristen werden Mittel finden, das auszuhebeln. Es wird aber möglich sein, dadurch die Kommunikation normaler Bürger auszuhebeln, wenn eine Mehrheit unzufrieden sein sollte mit der Art, wie sie regiert wird.
Genau diese Befürchtung hatte ich auch. Wer wirklich will, wird immer einen Weg finden.
Außerdem: Wer weiß, was in Zukunft kommt. In der deutschen Geschichte hätten sich zwei Systeme sicher sehr gefreut, wenn sie diese Möglichkeiten schlüsselfertig übergeben bekommen hätten. Mag’ das jetzt zu legitimen Zwecken geschieden, so ist es extrem gefährlich solch eine Infrastruktur zu schaffen !