FREITAGsFlAtUlEnZeN

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

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Die letzte Woche liegt mir noch schwer im Magen.
Das Stöbern durch die Community und durch die Artikel des Freitags macht träge, oft.
Der Kopf scheint voll, kein Platz mehr für Einfaches, für einfache Worte, die jeder versteht.
Der intellektuelle Wahnsinn kennt keine Grenzen. Aus den Tiefen der Lehre werden Worte aufgeschrieben, für die ein Normalo ein Fremdwörterbuch in Dauerleihstellung nutzen müsste. Leider hat er das gerade nicht dabei, wenn er im Bahnhofspresseamt einen Freitag aufschlägt, um vorzulesen.

Holen wir einen Bauarbeiter von der Straße und fragen ihn nach der Bedeutung des Wortes "Wehrpflichtapologeten".
"Ich kenne nur den Umgehungsstraßenapologeten, der meinen Arbeitsplatz sichert."
, wird unerwartet scharfwürzig zurückfremdwortiert.

Würde ein Fremder in der Fremde mit einem Fremdwort einen Bauern nach dem richtigen Weg fragen, er würde ihn in den Wald zurückschicken. Recht so!

Überintellektuell könnte man natürlich jetzt begründen, dass das Wort zum Freitag nicht für den Bauarbeiter von der Strasse bestimmt ist. "So?"
Gibt es nicht bei den Schreibenden einen gewissen Ansatz zur Überheblichkeit?
Man mag schlecht verdienen, aber man hat ja das bessere Wort aus "flatu und lenzen" von Seite 1055. Der Bauarbeiter dagegen, hat ja nur Bier und das kurze Nöl- und Poltergespräch, kein Wort der Lehre, später nur Leere.
Wenn der Bauarbeiter, der in der Freitagsallee das Pflaster zerhämmert, nur den Freitag abonieren würde. Tut er aber selten, zu selten. Die Sprache der Bild ist deutlicher. Auch das Bild.http://kyf.net/freitag/img/klingelmal.jpg
Der Bauarbeiter ist kritisch. Seine Frau auch. Man kann es beobachten, vor dem Kühlregal. Da nimmt er oder sie einen Joghurtbecher, der dann mehrmals gedreht und begutachtet wird. Es kommt auch vor, dass obere gut gefüllte Joghurtpaletten erst zur Seite geräumt werden, um an die unteren Paletten zu kommen. Wie will der Freitag unter dieser Wühltätigkeit bestehen?
Wer würde sich nicht wünschen, dass mal die Sprache der Strasse, die direkte Schwarzdecke, das noch warmgewalzene Leben der Strasse, hier den Freitag etwas erträglicher macht. Haben einfache Worte keinen Platz im Meinungsmedium?
Muss man sich zukünftig entschuldigen, wenn man gerade kein Buch mit 5002 Seiten auf seinem Nachtschränkelein liegen hat?
Wenn der Freitag ein Buchklub wird, über Zeitungen schon fast kaum noch geschrieben wird, wäre es Zeit, das Layout zu ändern. Das Corporate Design, der allgemeine Wiedererkennungseffekt besteht dann nur aus fester Pappe, in der die geschlossenen Benutzergruppen sich gegenseitig vorlesen können und der Dreck der Strasse vom angewärmten Heimklo aus beschrieben wird.

Wieviele Bauarbeiter schreiben eigentlich in der Community? Einer? Keiner?
Ein Freitag ohne das wahre Leben.

Vielleicht muss man am Freitag einfach mal die Spur der Steine suchen. Und der Arbeiter schmeißt dann nicht den Polizisten in den Dorfteich, sondern einige Redakteure und Publizisten.

Das Wort "Lötkolben" sucht man seit Jahren am Freitag vergeblich. Nun wird es wieder gefunden.
Das Wort "Buch" dagegen quillt in Stückzahlen aus dem Suchauftrag. Irgendwie ein Mißverhältnis.

Kommt jetzt "Betreutes Lesen", weil wir "Betreutes Wohnen" schon haben? Das gut erlesene Seniorenbuch sorgt für Flatulenzen und wird den Grunufinken vom Baum des Wassers verjagen.

Vielleicht wird am nächsten Freitag eine neuer Schreiber begrüßt?

"Mir war noch übel, der Gestank der gestrigen Zukunftsstrasse lag mir immer noch in der Nase. Die ganze Nacht träumte ich von einer übel riechenden Zukunft. Vielleicht wird es doch nicht ganz so schlimm.
Heute mussten wir in der Farbengasse eine neue Schwarzdecke auftragen. Die Schwarzmischung wird durch die ganze Stadt gefahren. Jeder kennt den Duft vom Deckenmacher.
Die letzten Wochen konnten wir prima planieren, es war nicht so warm. Am Wochenende will Fred kommen, das Hoch, uns die nächste Woche versauen. Es wird wieder eine Schweinehitze!

Hauptsache Arbeit! Manch einer glotzt trotzdem blöd, wenn wir am Morgen schon aktiv sind. Da hängen die am Fenster rum und ziehen an ihrer Zigarette. Manchmal kommt ein dummer Spruch, wenn wir zu dritt vor einem Loch stehen und sich nichts tut. Dann geht ein dummer Spruch eben zurück.
Aber es gibt auch Ausnahmen! In der Zukunftsstrasse macht immer eine ältere Frau für uns Frühstück. Morgens 8 Uhr ist alles komplett aufgebaut, der Kaffee und die Stullen. Jetzt, da wir in der Farbengasse arbeiten, bringt sie uns das Gedeck 800 Meter um die Ecke. Wie finden wir das? Klasse! Denn wir haben keine offizielle Pausenversorgung, aber die inoffizielle ist besser, sowieso!"


Daraus wird nun nichts. Das Plenum des ZK hat am Freitag beschlossen, solche Texte in den Tresor zu schließen. Sollte es mal wieder eine Wende geben, werden sie dann feierlich vorgelesen, nur kurz. Der schreibende Bauarbeiter wird dazu extra eingeladen und bekommt von Kallewirsch einen Blumenstrauß.

Fix und Foxi klingeln sich durch und hoffen auf Sammelbilder mit Arbeitern. Sie müssten nur Jan und Tini fragen, die können alles erklären und kennen sich aus.

Nach Redaktionsschluß gab es doch wieder Hoffnung. Es geht um Liebe und Horizont. Ob das anhält?

Profi bin ich nicht. Manchmal mag ich welche.
Ich spiel mir ein Lied von Ennio Morricone...






http://kyf.net/freitag/utb.php?d=19.08.2010-2

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gustlik

aufgedacht und nachgeschrieben

Gustlik

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