Härte über der Weiche

09.05.2015 День Победы

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Der Mitteldeutsche Reichsrundfunk hat sein Programm zur Kapitulation umgestellt. Zum 70. Jahrestag sendet man im Abendprogramm den Film "Die Brücke von Arnheim", der im Regal der 3. Fernsehgestalten stets auf Griffhöhe liegt.
Die Programmmacher haben lieber auf einen Sean Connery gesetzt, der am Falschirm eine dem Zeitgeist entsprechende Haltung abgibt. Für einen Sergej Bondartschuk im Panjewagen hätte man sich bücken müssen und mit "Ich war neunzehn", "Mama ich lebe" von Konrad Wolf oder "Geh und sieh" von Elem Klimow seine Entlassung gleich im Videotext gefunden.

Der Reichsrundfunk Berlin-Brandenburg sendet komplett am Format vorbei.

Somit sei widerlegt, dass mit Frauen in Führungspositionen automatisch alles besser wird. Wir danken Dagmar Reim vom RBB und Prof. Dr. Karola Wille vom MDR für die Klarstellung, die Mann natürlich im historischen Kontext sehen muss.

Wir leben in einer Zeit komplizierter Mädchenwerdung. Die Gruppinnendynamik verlangt, sich frühzeitig mit einer Tasche von Adidas, Bench oder Nike zu behängen. Der Blick ist derweil streng ins Smartphone gerichtet. Wann der 2. Weltkrieg begann, wie er verlief, wo, warum und wann er endete, wissen trotz angekörperter Rechentechnik auch nicht mehr Mädchen. Jungen verändern den Durchschnitt nicht und teilen ihn durch Eins.

Geschichte und deren Orden sind uncool...
http://s1.fotokto.ru/concurs/photo/full/7/79522.jpg[Foto: Виктор Сильнов]

Scheinbar hängt im alltäglichen Tretauto immer so ein penetranter Duftbaum, aus dem allirgendwannlich ein neualter amerikanischer Trend ausdünstet, der die Welt wieder mal glücklich machen soll. Früher wurden Frauen durch Schmerzen grau, weil Mann und Kind im Krieg oder an der Front geblieben sind. Heute ist es eine modische Randerscheinung, die Strähnen zu vergrauen. Mit Altersstarrsinn oder Lebenserfahrung hat das nichts zu tun, nur mit Flüchtigkeit vor dem Feind.

http://cdn8.s.kolorado.ru/products/2/21/214/214681/100_1_2_zoom.png[Foto: kolorado.ru]

Reichsdeutschland war auf der Flucht. Scheinbar war mein Vater der einzige, der als Blondschöpfling die Rote Armee in Kowary (früher Schmiedeberg) 1945 begrüßte. Er hatte da so eine Ahnung am Riesengebirge. Er brachte dann eine große Portion Tabak mit nach Hause, die dann gegen Lebensmittel eingetauscht werden konnte. Sein Russlandbild hat sich nicht verändert, es wurde barfuß geprägt.

So liegt ein Zeugnis vor, dass es Vergewaltigungen gab, diese aber stets hart unterbunden wurden, wenn der sowjetische Offizier mit weiblichen oder männlichen Antlitz auf der Türschwelle stand.
Später kam der Pole und sorgte für eine beschleunigte Ausreise.

Über die Rechenschwäche der Russen...

http://caricatura.ru/parad/korsun/pic/25028.gif

Nun zeigt der Russe seinen neuen Panzer und lässt auch anderes Kriegsgerät paradieren. Das stört das Duftbaumempfinden gewaltig. Nach vor Jahren hat man über die Russische Armee [lustvoll] gewitzelt und die Schrotthaufen beschrieben. Jelzin hätte nur einige Flaschen Wodka mehr trinken müssen und der Frieden wär heute sicher und Russland bis zur Taiga ein Teil unseres Flächennutzungsplans.

Oft wird vom glorreichen Einzug der Amerikaner im April/Mai 1945 bis zur Elbe/Mulde berichtet, das moderne Gerät, die sauberen Uniformen beschrieben. Später im Juni zog die Rote Armee zerlumpt und schlecht motorisiert in die festgelegte Zone ein. Das Klappern gehört bis heute zum politischen Handwerk.

Den Amerikaner zu danken, ist heute ein leichtes Spiel. Da kann man sich als linker Minsterpräsident schon mal mit Ben Hodges, dem Kommandierenden General der US-Landstreitkräfte in Europa, beim Point Alpha treffen.
http://www.thueringen.de/mam/th1/tsk/fittosize__570_0_99c3a326f55cf6370b455ee9301cb91d_2015-04-24_mp_point_alpha_-_dpa.jpg[www.thueringen.de]
Jener Ben Hodges war noch vor einigen Wochen mit gepanzerten Fahrzeugen durch Osteuropa unterwegs, um den Balten, Polen und Tschechen zu demonstrieren, dass sich der amerikanische Rückhalt nicht im Point Betastadium befindet. Er hätte auch mit Motorrädern fahren können...
Man möge den beteiligten Regierungs- und Realpolitikern zurufen, dass Friedenspolitik auch was mit Symbolik zu tun hat.

Der deutsche Leopard wird wieder straßenhoffähig und öfters als Kampf-, Patenschafts- und Bewerbungskanone unters Volk verkettet. Langsam beginnen im deutschen Salon die Türen wieder zu flügeln.

Dass nun gerade zum 8. Mai der taumelnde Raumtransporter "Progress M-27M", der eine Kopie des Siegesbanners auf die ISS bringen sollte, im Irgendwo auf die Erde bröselt, ist eine geschichtliche Randnotiz. Sollten Teile in deutsche Vorgärten fallen, wär das ein Grund, über die tiefere Bedeutung des Tages nachzudenken.

http://politikus.ru/uploads/posts/2015-05/1430600999_00.jpg

[Юбилейный поезд метро]
So rauscht er davon der Zug der Erinnerungen. Mag sein, dass alles nur noch zur Mode verkommt und Trends die Geschichte belagern. Wir sollten die letzten Zeitzeugen in der näheren Umgebung noch befragen, bevor das dynamische Jungvolk aus dem Volkssturm einen Tornado im Wetterbericht macht.

Man sollte das Zurückschauen nicht verlernen.

http://b1.filmpro.ru/c/297545.660xp.jpg[Они сражались за Родину]

Bei uns (auch) in der realpolitischen Provinz, die 1945 (vorerst) von den Amerikanern befreit wurde, wird der 8. Mai als solcher begangen. Es gibt "Wladimir Wyssotzki - Lieder und Geschichten von Kolchosbauern, Mädchen, Kraftfahrern, Soldaten, Heizern und Trinkern" und dazu selbsterkochte Soljanka. Unweit der Örtlichkeit steht ein Festzelt, was aber nichts mit dem einpolitisierten Tag zu tun hat. Da wird kräftig entpolitisiert...

http://cs620325.vk.me/v620325574/584b/8AKXg0B01sE.jpghttp://kyf.net/freitag/utb.php?d=07.05.2015

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Geschrieben von

Gustlik

aufgedacht und nachgeschrieben

Gustlik

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