Heiner von der Feuerwehr - Durchzählen nach dem Einsatz

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Als Heiner Geißler im Wahlkampf des Jahres 1990 auf dem Marktplatz in Bad Frankenhausen stand, trug er einen blau-schimmernden Anzug. Aber die Zuhörer hatten keinen Schimmer, so musste Geißler ihnen und uns erklären, wie überlegen doch der Westen sei, da er viel mehr Waschmaschinen und Farbfernseher produzieren könne als der Osten in der DDR, damalig.
Damals waren Kleinstädte noch wichtig. Man baute Bühnen, von der die Allianz für Deutschland die Versicherungspolicen in die Menge warf. Den Ausgang kennen und spüren wir.

Heute erleben wir die Kleinstaaterei. Selbst die Autobahn ändert ihren Belag, wenn man die Landesgrenze überfährt. Man sollte sein Salamibrötchen an jener Stelle aus dem Fenster werfen und zur Fettbemme greifen, wegen der Identität.

Heute läßt sich kein Problem der Welt mehr nur mit WACHSTUM lösen. Auch Heiner ist bei Attac an die Grenzen des Marktes gestoßen.

Alltäglich ist die Stadt nun von politischer Ruhe geprägt. Nur vereinzelt stehen Meckergruppen am Straßenrand, um über die Daoben herzuziehen. Sparvorgedanken aus Regierungsecken über Kürzungen bei der Bundeswehr lässt die Region aufhorchen. Es geht doch hier um Arbeitsplätze. Und ausserdem sei doch die Bundeswehr ein Wirtschaftsfaktor. Eine seltsame Argumentationslogik dringt sogar bis in Linke Kreise vor. Da kann es schon mal passieren, dass ein Protest vor der Kaserne gegen einen Tag der offenen Tür zum Politikum wird und man den Nestbeschmutzer drei Straßen weiter anders anschaut, ab sofort.

In der Provinz gibt es keine Anonymität. Protestler aus der großen Stadt können sich dagegen in ihren Stadteilen gut verstecken.

Auch eine Aktion zur Neueröffnung von LIDL lässt Leutchen der Provinz erstmals von Attac hören.

Dass es bei Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern überhaupt Protestwillige gibt, die über den Rand der nächsten Umgehungstrasse schauen, ist schon ein Wunder. Auch die Linke, die Volkspartei des Ostens, lässt in den Provinzen kaum von sich hören.
Die Ortgruppen dämmern so dahin. Man diskutiert mehr über gute Rollatorwege durch schönsanierte Kommunen, statt die Ausgaben, Schulden, die Schießplätze vor der Stadt zu hinterfragen.
Die Feuerwehr bekommt ein neues Gerätehaus. Dafür lohnt es zu streiten! Alles andere sei Politik, die wollen wir aber nicht.

Nun hat uns auch noch Hans-Dietrich Genscher geschrieben. Er ist unter die Briefmarkenfreunde gegangen. Nun sollen wir die letzten 22 Briefmarken der DDR kaufen. Auf einer ist sogar das Kyffhäuserdenkmal zu sehen, gleich neben dem Brandenburger Tor. "Na endlich!"

Endlich stehen wir Provinzler mal neben der Berliner Schnauze, in gleicher Höhe. Dabei denken die doch immer, Politik können man nur in Berlin machen.
Und die Journalie der Großstadt sitzt in den Klimakästen und schreibt über unsere Hinterhöfe in Schraplau, um am Abend per U-Bahn, per S-Bahn oder per A100 in die Vorhöfe der Entscheidungen zurückzukehren.

"Journalisten, bewegt euren Arsch mal hierher!"

Aber nicht nur, wenn sich ein Jemand vor den Zug wift, ein Anderer seine Frau zersägt, eine Dritte ihren Mann vergiftet.

Hier entscheidet sich das Leben dieser Republik! Wer das schnallt, hat morgen die Story über den aufgweichten Unterbau der Gesellschaft.

Parteien sterben von unten! Bei Bürgermeisterwahlen in den Dörfern gibt es nur noch Kandidaten aus den Reihen der Kaninchenzüchter, der Feuerwehr oder ... Vereinzelte aus dem "Pro".

Eine Bundestagsabgeordnete hat gerade ihr Mandat im Kreistag niedergelegt, aus Zeitgründen. Weil Berlin einfach wichtiger ist. Da gibt es noch richtige Versammlungen und Policen für ein gesegnetes Morgen.http://kyf.net/freitag/utb.php?d=05.06.2010-1

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Geschrieben von

Gustlik

aufgedacht und nachgeschrieben

Gustlik

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