Kaufmannsladen

Ehre Wer online kauft, kann dem Verkäufer nicht in die Augen schauen.

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Jahrzehnte zurück.

Natürlich haben wir Kaufmannsladen gespielt. Da waren die kleinen Verpackungen, die kleinen Flaschen, die über den Ladentisch gereicht wurden. Wir haben quittiert, es gab den entsprechenden Block dazu.

Ich erinnere mich noch an den Geruch im Milchladen, an Senf, der aus dem Fass abgefüllt wurde. Die Verkäuferin hatte einen kleinen Dutt. Sie war dann immer die "Frau mit dem Dutt".

Später wurden Läden immer seltener. Doch neben dem Kino existierte noch lange ein Laden der 1000 Dinge, wo es scheinbar alles gab, die Rolle Drops und das Klebeband für die Mangelwirtschaft neben HO und Konsum.

Wir ziehen bald in ein Haus, wo früher ein Laden war. In den letzten Monaten haben wir dort ein Allerlei an Kaufmannslust gefunden. In alten Aufzeichnungen der 20er und 30er Jahre ist genau dokumentiert, was da geliefert und verkauft wurde.

Damals musste Mann und Frau noch dem Ladenverkäufer in die Augen schauen. Es ging auch ohne Schufa, um mal anschreiben zu lassen. Ein Blick genügt, man kennt sich ja.

Heute? Im Frühjahr habe ich sogar Rhabarber bei Amazon gekauft, da ich regional niemanden gefunden habe, der mir so eine einfache Knolle liefert.

Der Button "Absenden" oder "Bestellen" ersetzt den vertrauten Verkäufer. Wir dürfen jetzt bewerten und Sterne vergeben. "Schnelle Lieferung, gerne wieder" schreibt der Kunde.

Wie lange gibt es noch Kaufmannsladen?

http://kyf.net/freitag/img/amazon.jpg
Die Nachgeneration "Netz" wird das nicht mehr spielen wollen.

Wir spielen Onlinebestellung und sparen uns die Modellflaschen und Modellverpackungen!

Sehr geehrter Kunde,
der für Sie bestimmte Artikel ist derzeitig im Rückstand.
Nach erfolgter Lieferung durch unseren Hersteller erfolgt der sofortige Versand an Sie.
Wir sind bemüht den uns vorliegenden Auftrag so schnell wie möglich für Sie zu erledigen.
Bitte haben Sie dafür etwas Verständnis.
(Bla Bla)

Natürlich gelten auch hier die alten Kaufmannsregeln! Oder etwa nicht?

Auch wenn der bestellte Artikel nicht im Lägerchen ist, buchen wir den Betrag vom Konto ab. So wird heute verkauft. Zeitnah.

Ich schrieb dem sogenannten Verkäufer, dass sich ein alter Kaufmann im Grabe herumdrehen würde, wenn er den heutigen Ladentisch sieht.

So ist das. Online kann eben jeder einen Laden eröffnen. Aber alle Artikel liegen eben nur virtuell im Regal. Im Zeitalter "Netz" benötigt man schwülstige Platzhalter, die in Mails einbebunden werden. Zertifiziert werden solche Antworten mit bunten Logos.

Der alte Kaufmann hätte sich auf die Zunge gebissen... wegen der Ehre.

"Gerne wieder!"
http://kyf.net/freitag/utb.php?d=13.08.2012

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Geschrieben von

Gustlik

aufgedacht und nachgeschrieben

Gustlik

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