Unser Bundespräsident grundsatzredete auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Das Wort "Abrüstung" kam in seiner Rede nicht vor.
"Unvermutet schnell geraten wir hinein in eine Welt, in der sich einzelne so viel Vernichtungskraft kaufen können wie früher nur Staaten."
Ein Satz, der tief blicken lässt.
Nichts über Möglichkeiten zur grundlegenden Abrüstung, die 1990 mit dem Wegfall des östlichen Blockgebildes "Warschauer Vertrag" bestanden haben.
Nichts über Rüstungsexporte, Konversion, aktive Friedensarbeit...
Deutschland soll sich mehr einmischen, so fordern es Merkel, Gauck, von der Leyen... und Steinmeier. Die Stahlhelme werden neu bespannt, das Wegducken ist vorbei.
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In der Unnatürlichkeit der Sache liegt, dass es Vordergründig um militärisches Engagement geht, was die Weltgemeinschaft (angeblich) von uns erwartet. Ist das so?
Dabei gibt es Alternativen, mit denen Deutschland punkten und ganz nebenbei für eine weltweite Abkehr von Krieg und Gewalt, Drohung sorgen könnte.
Das Technische Hilfswerk (THW) hat einen Gesamt-Jahresetat von unter 200 Millionen Euro, 99% sind ehrenamtlich tätig, es besitzt keine eigenen Flugzeuge.
Das THW muss kommerzielle Lufttransportkapazität anmieten, was immer teurer wird. Helfer, Technik und Hundestaffeln kommen nicht in die Krisenregionen, Transporte verzögern sich. Man erinnert sich bitter daran, dass Hundestaffeln des THW auf fremden Flughäfen festsitzen und Hunde nicht nach Verschütteten suchen, sondern nach Müllecken auf dem Flugplatz.
Es gibt viele engagierte Mitglieder im THW. Aber für große Katastrophen oder gar schnelle internationale Hilfe fehlt die entsprechende Masse, Hauptamtlichkeit, Ausrüstung, Beweglichkeit und Unabhängigkeit.
Die Bundeswehr dagegen verbringt ein Großteil der Zeit mit der Ausbildung an der Waffe und dem Dienst an der Waffe. Da wird man schnell zum Handlanger, wenn man nicht weiß, wie man Deiche baut und Sandsäcke stapelt. Menschen aus Hochwasser, Verwüstung, Trockenheit, Hitze, Sturm, Zerstörung zu retten, steht gerade nicht im Ausbildungsprogramm an erster Stelle. Die meiste Ausrüstung passt einfach nicht zum Thema und stört eher. Statt Munition müssten hier eigentlich in Größenordnungen Lebensmittel, Trinkwasser, Verbandszeug, Kleidung usw. eingelagert werden.
Hier könnte Deutschland ein Musterland abgeben. Welche Nation würde es uns verübeln und uns als Drückeberger abstempeln, wenn wir auf militärische Auslandseinsätze aus historischen Gründen verzichten, dafür aber einen Milliardenhaushalt für den Katastrophen- und Zivilschutz einsetzen?
Deutsche Waffenproduzenten wie Rheinmetall-Defence werben nicht mit Hochenergielasern zur Vernichtung, sondern mit hocheffektiven Rettungsfahrzeugen für Wasser, Wüste und Schnee.
Es ist eine historische Tragik, dass sich nun gerade wieder die SPD (nach den Bombenflügen über Belgrad) maßgeblich für den Schwenk in der deutschen Außenpolitik engagiert. Oder ist es gar historische Kontinuität?
Von einem Bundespräsidenten Gauck möchte man schon nichts anderes mehr erwarten. Er sollte es als Theologe besser wissen, was jene erwartet, die das Schwert erheben. Vorbei die unfreie Zeit, als man "Schwerter zu Pflugscharen" trug und dafür in die Tagesschau kam.
http://kyf.net/freitag/utb.php?d=01.02.2014
Kommentare 11
Was den Fokus auf THW statt Bundeswehr angeht, gebe ich Ihnen Recht.
Was militärische Eingriffe angeht, so sehe ich aber nicht ein, warum Deutschland "aus historischen Gründen" weniger tun soll als andere Länder, sei es Lettland oder Spanien oder Indien.
Wenn es - vor allem unter einem UNO-Mandat - Fälle gibt (wie Bosnien oder Ost-Timor), wo Interventionen beschlossen werden - warum soll sich Deutschland nicht genauso beteiligen wie andere Länder?
Natürlich bin ich gegen Verknüpfung von Wirtschaftsinteressen und Militäreinsätzen (wie man von H. Köhler zu Afghanisten erfahren hat, oder jetzt gar von der Leyen auch etwas ähnliches zu Afrika-Einsätzen mit "Wirtschaft" verknüpfte). Aber: Hat Deutschland wirtschaftlich etwas aus dem Bosnien-Einsatz gehabt? Oder Australien aus dem Einsatz in Osttimor?
Es ist eine ethische und philosophische, aber auch praktische Frage des Gewissens: Was spricht für und gegen einen Einsatz in Zentralafrika (oder 1994 in Ruanda), wenn nachweislich große Verbrechen geschehen? Abwarten? Eingreifen? Andere eingreifen lassen? Da können auch gefälschte, politisch & wirtschaftlich motivierte Einsätze (wie USA in Irak oder Afghanistan) nicht als einziger Grund für "Immer nein" sein.
Vorbei die unfreie Zeit, als man "Schwerter zu Pflugscharen" trug und dafür in die Tagesschau kam.
tja, die zeiten für tagesschau-präsenz ändern sich ... das weiss nicht nur herr gauck - auch die spd zu schätzen
"... weltweit 400 große Katastrophen, von denen jährlich 240 Millionen Menschen betroffen seien. Aufgrund des Klimawandels nähmen Intensität und Häufigkeit zu..." (siehe)
Ich würde mich nicht darüber streiten wollen, ob ein UN-gestützter Einsatz unter Teilnahme von Blauhelmen der Bundeswehr nun sein soll oder nicht. Ich stelle mich aber entschieden gegen die Argumentationslinie von Gauck und Steinmeier, dass Deutschland sich nicht weiter wegducken soll.
Wer hätte Gedacht, dass wir uns die relative Zurückhaltung von Westerwelle zurückwünschen in Bezug auf Steinmeier.
Da werden allerlei Vorwandismen in die Debatte geführt, nur um begründen zu können, dass man nicht abrüsten muss, keine Konversion betreiben muss, Raketenschilder benötigt...
Hier geht es um militärische Stärke in der Aussenpolitik.
@"Da werden allerlei Vorwandismen in die Debatte geführt, nur um begründen zu können, dass man nicht abrüsten muss"
Das wollte ich als mein Argument für Militäreinsätze anführen: Man könnte ja die Militäretats senken einerseits (vor allem für Schwerartillerie oder Flugzeuge, auch für Truppen im Inland), und - vor allem auf europ. Ebene - eine flexible Eingreiftruppe bilden. Dann könnten alle EU-Länder von mir aus 30-40% des Militäretats streichen, und dennoch - wenn es "ein Ruanda" oder "ein Zentralafrika" gibt - schnell eingreifen.
Sie haben Recht, durch die Not an Auslandseinsätzen (vor allem, wenn man betroffene Zivilisten wie in Zentralafrika sieht), wird für mehr Militärausgaben geworben.
Und sicherlich ist die "militärische Stärke in der Außenpolitik" ein weiterer Grund - ich kenne es ja aus Polen 2001-2003, als man "sofort und ohne wenn & aber" sich den USA als "Helfer" für Afghanistan & Irak andiente. Ganz offen in den Medien & Diskussionen hat man zugegeben, man tue es aus Gründen der Solidarität mit den USA (also, um als "New Europe" außenpolitisch und außenwirtschaftlich an Stärke zu gewinnen, ein offenes Arschkriechen mit Gewinn-Gedanke). Kaum ein Wort, daß man es wegen der Unterdrückter Iraker oder Afghanen tun würde. Zwar haben einige Kommentatoren damals auch von "Freiheit für den Irak, wie 1980 wir Freiheit forderten!" oder "Baghdad kann kein zweites Gdansk werden!" - aber das glaubte nicht mal in der US-euphorischen Zeit um 2000 kein Mensch...
"Deutsche Waffenproduzenten wie Rheinmetall-Defence werben nicht mit Hochenergielasern zur Vernichtung, sondern mit hocheffektiven Rettungsfahrzeugen für Wasser, Wüste und Schnee."
Rheinmetall Defence wirbt aber auch für Waffen, Munition, Flugabwehr, gepanzerte Kettenfahrzeuge, Infanterie, ... Und ich mag wetten, dass es auch bei Rheinmetall-Defence ein internes Rechnungswesen gibt. Auch um international Vergleiche anstellen zu können... Und das wird rechnerisch belegen, dass man sich entweder von der militanten Sparte trennen oder den Umsatz steigern muss... Sonst ist man im Vergleich nicht konkurrenzfähig... So ganz auf Waffenentwicklung verzichten, das will man ja auch nicht, schon wegen der Selbstverteidigung... Man schleppt einen riesigen Kostenapparat mit sich rum, der nichts einbringt außer dem Ruf, die besten Waffen der Welt zu bauen, wenn man nicht auch diese Waffen verkauft.
Rüstung und Marktwirtschaft passen nicht zueinander, wenn man nicht auch ordentlich Krieg und Zerstörung betreibt. Darum ist schon der Name Rheinmetall-Defence blanker Zynismus...
"Welche Nation würde es uns verübeln und uns als Drückeberger abstempeln, wenn wir auf militärische Auslandseinsätze aus historischen Gründen verzichten"
Schade finde ich, dass man sich bei dieser Frage immer hinter dem historischen Kontext verstecken muss... Das impliziert ja die grundsätzliche Bereitschaft, Menschen zu töten, wäre da nicht der historische Supergau... Ich kann jedenfalls für mich sagen, dass ich unter keinen Umständen töten will. Und ich würde mir viel mehr Menschen wünschen, die das auch so sehen. Insgeheim tun sie das vielleicht, schicken darum Stellvertreter, um nicht selbst den Abzug betätigen zu müssen... Und die Verantwortung geben sie gleich mit ab in die Hände von Marionetten, die man im Zweifel opfern kann...
Nachtrag zur Verteidigungsministerin:
https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2014/5/124719294
Im ersten Teil des Interviews argumentiert Sie noch (wie ich es tun würde) mit Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Vergewaltigungen.
Am Ende des Interviews kommt es aber raus: Afrika als Quelle von Wirtschaftswachstum & Markt.
Deswegen ist es natürlich wichtig, solchen Firmen und insbesondere den dort Beschäftigten eine Konversionsalternative anzubieten. Natürlich gehört es dann dazu, sich von den Profiten im Rüstungsgeschäft zu verabschieden...
Bin gespannt, wie das vielbeworbene "mitte-links" Gestrüpp unter den Bedingungen der steinmeierchen Tarngründüngung gedeihen soll.
ja, wir werden sehen ... ob die hemmungen und der damit verbundene aufwand zur verschleier-schönerung fällt ... die werden schon "erforscht" haben, wo die grenze der erträglichkeit liegen ...
So ein Abschied, der wäre schön... Aber die Rüstungslobby ist mächtig... Und alle gieren nach Profit... Mir scheint wahrscheinlicher, weil profitabler, dass wir nach der ersten Militärwelle eine zweite Welle hinterher schicken, um alles erst zu zerstören und dann wieder aufzubauen...
Danach folgt dann die dritte, die Wirtschaftswelle... Und dort wo vorher Lehmhütten standen, stehen dann McDonalds- und Burger King-Filialen, Banken und Villen von Unternehmern, die sich nach mehr Ursprünglichkeit und besseren Wachstumsraten sehnen, während man die Vertriebenen an unseren Außengrenzen mit ihren Booten ins Meer zurück jagt...
Warum die SPD da nun auch mitspielen will, weiß ich ja nicht... Aber eine so kleine Partei muss eben in beiden Richtungen auf Wählerfang gehen. Darum auch sicher Gabriels Kritik an Rüstungsexporten... Eine win-win-Situation. Die Pazifisten können sich nun ebenso auf die Schulter klopfen wie die Kriegstreiber. Nur an der Variablen Tod ändert sich nichts...
>>Natürlich gehört es dann dazu, sich von den Profiten im Rüstungsgeschäft zu verabschieden...<<
Damit würden sich die Betrübswirtschaftler schwertun: Der Kriegsrüstungsteil ist der Hauptprofitbringer, er hält die Aktie für Anleger attraktiv.