Altehr- und Fragwürdig

Günter Grass die erfolge des künstlers günter grass sind einzigartig. der nobelpreis für literatur überragt die reihe weiterer preisungen und ehren.

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aber der bekannte autor ist hierzulande auch immer wieder mal angeeckt. zuletzt mit gedichten, die sich ins politische geschäft einmischten. medial war sein text zur situation in nahost mit der israel-kritik auslöser großer empörung.

grass' politisches engagement ist nicht neu. schon vor einem halben jahrhundert setzte der heute 85-jährige sich im bundestagswahlkampf aktiv für die partei willy brandts ein. hierzulande war es ein traditionsbruch, dass ein schriftsteller von wahlkampfarena zu wahlkampfarena zog und politische reden hielt.

am sonntag war nun günter grass gast der sendereihe "zeitzeugen" bei phoenix. der hochbetagte mann ließ sich artig ausfragen. nur einmal ignorierte er einen deplatzierten einwurf des interviewers, indem er einfach weiterredete. die bewegung seiner hände, die in merkelscher unmanier die gespreizten finger gegeneinander trieb, deutete auf eine anspannung und/oder verlegenheit.

in der retrospektive räumte grass auch fehler ein, politische fehleinschätzungen seinerseits, die er bedauerte. das betraf nicht etwa sein israel-kritisches gedicht, dessen tendenz er vielmehr ausdrücklich verteidigte.

nein, es waren zwei andere politische positionen, die der alte mann eingestand und zurücknahm. zum einen seine haltung im streit um die atomkraft. er habe den untrennbaren zusammenhang von militärischer und ziviler nutzung der atomkraft nicht früh genug durchschaut.

zum anderen revidierte grass seine einstellung zum jugoslawienkrieg der nato. er war seinerzeit wie die seltsam gleichgeschaltete deutsche öffentlichkeit für den krieg gegen serbien gewesen. (anmerkung: dass auch jürgen habermas sein eintreten für den krieg mittlerweile zurückgenommen hätte, ist mir nicht bekannt)

die selbstkritische einsicht in frühere fehlurteile verdient allen respekt. allein, es bleiben zweifel. es bleibt die frage, wie ein irrtum in so gravierenden dingen möglich sei. wie ein gewissen so fundamental versagen kann. das ist die gretchenfrage in der kriegsgesellschaft.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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