Asse ohne Ende

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das salzbergwerk asse verdankt seinen namen dem höhenzug gleichen namens südöstlich von braunschweig.

asse 1 machte ende des 19. jahrhunderts den anfang, wurde aber nach wenigen jahren wieder aufgegeben, weil es probleme mit laugeströmen gab. nur anderthalb kilometer entfernt vom stillgelegten schacht wurde dann asse 2 abgetäuft. es konnte fast sechs dezennien salz fördern.

asse 3, noch vorm ersten weltkrieg angelegt, hatte wie asse 1 mit wassereinbrüchen und anderen schwierigkeiten zu kämpfen, bis es bald nach dem krieg geschlossen wurde.

mitte der 60er jahre, als asse 2 kein salz mehr förderte und die atomindustrie der brd sich allmählich nach einem endlager für den atommüll umzusehen begann, erklärte man den ausgehöhlten salzstollen zum "Forschungsbergwerk", in dem techniken der endlagerung erprobt werden sollten.

von den japanischen walfängern wissen wir, dass die forschung seltenst reiner selbstzweck ist, und so machte man sich schon mal übungshalber daran, fässer mit radioaktivem abfall in die asse 2 zu verfrachten. und weil die riesigen hohlräume nach sechs jahrzehnten salzabbau dazu regelrecht einluden, steigerte man die einlagerung von wenigen tausend fässern pro jahr bis zu zehntausenden.

ende der 70er jahre hörte das versenken der atomabfälle in dem 750 meter tiefen schacht auf. weit über 100 000 gebinde lagen in der asse. den lieferanten ging der stoff nicht aus, aber das meiste war doch schon ordentlich aufgeräumt. anfangs wurden die großen fässer sorgsam gestapelt, hernach musste es schneller gehen. die 100 - 400 l - fässer wurden nur noch abgekippt. nicht ausgeschlossen, dass dabei so dann und wann ein fass leck schlug.

es war bekannt, dass die metallfässer der korrosion im salz bestenfalls ein paar jahrzehnte standhielten, schlimmstenfalls nur ein paar jahre. es dachte längst niemand mehr an die rückholung des mülls.

in der phase des verstärkten und beschleunigten wegkippens in die asse gab ein staatssekretär zu protokoll, das eindringen von wasser sei mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. ein starkes statement, denn auch als bergbaulaie hätte der mann wissen müssen, was für probleme bereits asse 1 und 3 mit wassereinbrüchen hatten.

1976 eilten juristische asse schon mal den anderen voraus mit der definition eines endlagers. nur drei jahre drauf konnten berg-asse ihr gutachten nicht mehr hinter dem berg halten. darin sagten sie dem ehemaligen salzbergwerk keine großartige zukunft voraus.

der damalige betreiber, getragen von lauter hohen assen, versteht sich, wies den kritischen bericht zurück und spielte die trumpfkarte "unwissenschaftlich". doch das leipziger institut für gebirgsmechanik, eine vereinigung von berg-assen, legte nach langjähriger untersuchung ein papier vor, das die ältere prognose vollauf bestätigte.

der berg werde sich zunehmend bewegen, hieß es, so dass womöglich schon 2014 die lage unbeherrschbar eskalieren werde durch verschiebung des deckgebirges, durch streckeneinstürze und durch wassereinbrüche. an der erdoberflache messbar senkt sich der boden über der asse um 15 cm pro jahr.

als im vergangenen herbst durchsickerte, dass radioaktive lauge in größeren mengen und mit strahlungsdaten über dem grenzwert durch das bergwerk floss, nannte der bundesumweltminister die asse 2 "die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden." geforscht wurde schon seit mitte der 90er jahre nicht mehr. nun endlich soll das "Forschungsbergwerk" geschlossen werden.

ziel der stillegung ist es, asse 2 so dicht zu machen, dass die biosphäre keinen schaden nimmt. die asse, die sowas mit ernster miene verkünden, schaffen es glatt, einen wackelpudding STILLzulegen. sie haben auch keine schwierigkeiten, eine scharfe grenze zu ziehen zwischen dem wasser im und am berg.

über die geschätzten sanierungskosten der asse 2 von 2-4 milliarden euro können die hohen trumpfasse nur mild lächeln. sie haben ja neulich schon ganz andere summen aus dem hut gezaubert. gegen die großkopferten sind die berg-asse geradezu zwergenhaft, asselchen sozusagen, die lediglich gerüchte streuen und die bevölkerung verunsichern.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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