Bericht aus der Provinz

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gestern abend versammelte sich wieder die "interessengemeinschaft gegen gasbohrung" in nordwalde. der 10 000-einwohner-ort liegt im nördlichen münsterland. dort in der bauerschaft scheddebrock soll im januar die erste probebohrung zur unkonventionellen gasförderung stattfinden.

die bürger-initiative gegen diese pläne nennt sich "ig gegen gasbohrung". ihr vorsitzender, mathias elshoff, handelt die tagesordnungspunkte der reihe nach informativ und entspannt ab. dabei ruft er immer wieder mitstreiter in den zeugenstand, die über einzelne erfahrungen berichten, z.b. über die teilnahme an einer gesprächsrunde in berlin. darüber hinaus ist auch immer das plenum gefragt, eigene erfahrungen und meinungsäußerungen beizutragen.

mitten in der besprechung öffnet sich die saaltür weit und herein kommt das zdf-team, um wie vereinbart aufnahmen von der versammlung für die heute-nachrichten zu machen. eine reporterin des lokalradios ist gleich mit von der partie.

das medien-interesse ist für den erfolg der ig gegen gasbohrung natürlich sehr wichtig. darum wird eine kunstpause für die zeit der einzelinterviews eingelegt. danach geht die versammlung wieder normal weiter.

in mehreren beiträgen wird deutlich, dass in den umliegenden orten das interesse an dem problem unkonventionelle gasförderung erschreckend gering bis gar nicht existent ist. zum einen wissen die meisten normalbürger nichts über geologie. das war in der schule nie ein ernstes thema. noch weniger wissen die leute über das gasförderverfahren, das jetzt erst angewendet wird, um die letzten reserven an erdgas dem gestein in der tiefe von 2000 m und darüber hinaus ganz wörtlich abzupressen. das ist das unkonventionelle und zugleich riskante an dieser technik. denn dazu werden nicht nur unmengen wasser gebraucht, die nach gebrauch nicht einfach ins abwasser geleitet werden dürfen, weil sie mit einem cocktail giftiger chemikalien versetzt sind.

das ist der springende punkt. nahe bei nordwalde erstreckt sich der glaziale kiessandrücken, das größte und beste grundwasserreservoir im lande, von münster bis zur niedersächsischen grenze. es wurde denn auch mit genugtuung in der versammlung die stellungnahme des größten trinkwasserversorgers im land, gelsenwasser, noch einmal aufgenommen. gelsenwasser hatte sich eindeutig gegen probebohrungen ausgesprochen.

welche umweltprobleme mit der geplanten gasförderung im münsterland verbunden sind, wissen die mitglieder der interessengemeinschaft genau. sie kennen z.b. den filmbericht über die unkonventionelle gasförderung in den usa, der vor wochen schon von 3sat gezeigt wurde.

der punktuelle protest der nordwalder wird bis jetzt nur von einer gruppe in borken im westlichen münsterland unterstützt. nicht von ungefähr, ist dort die zweite probebohrung bereits fest eingeplant. anscheinend brauchen die leute die unmittelbare aussicht auf die bohrtürme vor ihrer eigenen haustür, um wach zu werden. aber natürlich wird die ahnungslosigkeit der menschen durch beschwichtigende mitteilungen von interessierter seite gehätschelt. es geht ja doch "nur" um probebohrungen, und das verfahren hat sich in den usa doch schon seit 5 jahren bewährt.

als von der einladung zu einem fertigen probebohrungsgelände durch den betreiber exxonmobil die rede war, warnte ein teilnehmer der versammlung vor möglichen bügeleffekten einer schaufensterprobebohrung. einige der besucher der probebohrung könnten durch den anschein und die vielen mitgelieferten details, die vor ort nicht nachprüfbar sind, den blick auf das große ganze der rückwärtsgewandten ausbeutung der letzten reste der fossilen treibstoffe verlieren. das risiko der umweltverwüstung werde von den betreibern in kauf genommen. ihre gewinne aus der tiefe fließen nicht auf die konten der betroffenen bevölkerung am bohrfeld.

demnächst findet eine gesprächsrunde mit einem experten aus süddeutschland statt, der weitere fundierte argumente gegen das riskante förderverfahren mitzubringen verspricht.

die versammlung schloss mit der überreichung eines präsents an den vorsitzenden der "ig gegen gasbohrung". ausgepackt entpuppte es sich als gasmaske. die nordwalder sind also gut gewappnet für die künftige arbeit. vernetzt ist die gruppe inzwischen auch im internet unter www.gegen-gasbohren.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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