das ist deutsch.

hauptwörter. wer in diesem land geboren und aufgewachsen ist, hat sich meist daran gewöhnt. wer aber außereuropäisch deutsch lernt, müsste beim vergleich stutzig werden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

die substantive sind die deutschen "hauptwörter". warum das so ist, wissen die wenigsten. und als "hauptwörter" müssen sie groß geschrieben werden. das ist in keinem anderen land in westeuropa der fall (wo auch lateinisch geschrieben wird). dort heißen sie aber auch nicht so.

was haben sich die deutschen nur dabei gedacht? sollte man sich fragen. in der grundschule war die erklärung kindgemäß simpel: die "dingwörter", die mit einem artikel gebraucht werden, müssen groß geschrieben werden. punkt.

beispiele waren natürlich die konkreta. das haus, die wand, der hund... von barocker philosophie war natürlich nicht die rede. die aber steckt hinter der majuskelei der substantive. für die philosophaster jener tage empfingen diese wörter die besondere ehre der großschreibung, weil sie - daher auch der name substantive - als einzige mit der substanz zu tun hatten.

was barockphilosophisch noch ehrwürdiger war als die an der substanz teilhabenden substantive, wurde geheiligt und noch deutlicher aus der wortreihe herausgehoben durch zwei große anfangsbuchstaben, etwa in GOtt oder HErr. was hätte auch noch substanzieller sein können?

schon im grimmschen wörterbuch, das von den brüdern grimm ab mitte des 19. jahrhunderts geschrieben wurde, erging es den "hauptwörtern" wie den englischen und den französischen, kurz, den europäischen nomen, sie wurden klein geschrieben.

wenn ich in china oder indien aufgewachsen wäre und aus irgendeinem grund deutsch gelernt hätte, würde ich mich bzw. meine deutschlehrer fragen, warum die nomina diese hervorhebung im satz verdienen. und ich würde mich auch fragen, wes geistes kind die deutschen sind, dass sie nicht rechts und links sehen, wie die nachbarn schreiben. dass sie gar keinen vernünftigen grund haben, es ganz anders zu machen als die übrigen europäer, aber trotzdem daran festhalten.

und wenn ich philologen aus einem nachbarland diese absonderlichkeit loben hörte, weil das auge angeblich halt an den majuskeln finde, der text strukturierter erscheine, war das mehr als schmeichelei oder höflichkeit? brauchen gewisse oder alle deutsche diese seltsame lesehilfe? warum? sind diese mittel-europäer zu mittelmäßig?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden