das rabentagebuch (26).

mein rabe krah. s. o.

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26 die nächsten tage in freiheit

mitte oktober. um 8 uhr 40 vom raben im wald zurück. er begrüßte heute nicht mich mit der verbeugung und u-ton, sondern die geöffnete futtertüte. womöglich war das gestern auch so gemeint mit der tiefen verbeugung und den hohen u-tönen. nahm brav das fleisch und die eine oder andere rosine, zusätzlich eine halbe erdnuss.

war um 11 uhr 30 bei krah, der in bewegung kommt, wenn ich mich nähere. er aß wenig fleisch, mehr erdnüsse und weinbeeren. als er genug gespeist hatte, stieg er einen ast höher.

um 15 uhr und um 17 uhr 30 ging ich wieder in den wald. das besondere war, dass krah mich schon grüßte, als ich noch am eingang zum wald war, also noch fünfzig meter von krahs holunderburg entfernt.

am 16. oktober war ich wieder kurz nach acht bei krah. das war heute wohl etwas früh, denn er ließ sich viel zeit, ehe er in bewegung kam. er nahm auch nur wenig zum frühstück und stieg dann gleich wieder hoch mit viel geflatter und gezappel im holunderdickicht.

vor zwölf sah ich Kkrah erst gar nicht, weil ich ihn ganz oben im holunder suchte. er aber war schon auf der zweigetreppe abwärts, als ich noch am graben entlang lief. er nahm nur wenig, vor allem weil er viel früher als ich merkte, dass jemand auf dem grabenweg vorbeilief. krah stieg vorsichtshalber ein paar aststufen aufwärts und verweilte da, bis die „gefahr“ vorüber war. danach konnte ich ihm noch dies und das anreichen.

um 17 uhr war die luft wohl rein, denn krah rief mir seinen gruß schon von weitem zu, als ich noch auf der straße war. langsam bewegte er sich nach unten, landete auf meiner hand und speiste, vor allem fleisch und weinbeeren.

am abend lief ich bei strömendem kaltregen in den wald. fand krah ziemlich nass vor. er schüttelte sich mehrmals.

es regnete durch bis 21 uhr. ich machte mir sorgen um krahs gesundheit. nässe und kälte sind keine angenehmen umstände ohne schutz. ich fürchtete, ihn am kommenden morgen krank anzutreffen.

von krankheit war am nächsten morgen aber keine spur. krah machte einen ganz gesunden eindruck. sein gefieder war trocken und glatt. er begrüßte mich, als ich in höhe seines verstecks am graben entlanglief. aber er kam und kam nicht herunter. darum versuchte ich es mal anders. ich hielt meine hand hin und lockte ihn, dass er vielleicht heruntergeflogen käme. aber nichts.

die erklärung nahte in gestalt eines mannes mit hund. es war ein urlauber, mit dem ich ein paar worte wechselte. erst als der fremde mit dem hund weg war, besann sich krah und kam zweig um zweig, ast um ast abwärts und nahm sein frühstück in empfang.

gegen zwölf uhr eine ähnliche szene. krah war wachsam wie zumeist. zwischen seine begrüßung schob er eine warnung ein, bis ich sah, dass jemand auf dem matschweg näherkam. es war jemand anders als heute früh. aber eben auch ein fremder, wenn auch ohne hund. nachdem diese „gefahr“ vorüber war, stieg krah herab mit rund geplustertem kopfgefieder. es war offenbar zu nervig für den raben, dass da wiederholt fremde herumspazierten. er nahm alles, fleisch, weinbeeren und erdnüsse.

am nachmittag begrüßte mich krah wie nun schon üblich. er stieg auch gleich aus seinem auskuck herab und landete auf meiner hand. er ließ sich mit fleisch, erdnüssen und beeren füttern. dann sprang er mit ein paar flügelschlägen auf den waldboden hinunter und suchte hier und da. dabei fand er erst eine weinbeere und dann ein stückchen fleisch. dinge, die bei den regelmäßigen mahlzeiten heruntergefallen waren oder fallen gelassen wurden. nach der bodensuchaktion wählte er heute mal einen anderen holunderstrauch und stieg hinauf.

als ich nach 18 uhr verspätet zu ihm kam, weil ich am telefon festgehalten worden war, sah krah nicht vorwurfsvoll auf die uhr. er begrüßte mich, kletterte sogleich herab und aß seine übliche portion. danach stieg er wie gewohnt wieder hinauf, und ich ging.

zur gewohnten stunde am morgen stand ich im wald. auf dem matschigen weg neben dem graben noch rief krah mir sein willkommen vernehmlich entgegen. aber es dauerte wieder mal, bis er überhaupt anstalten machte, seine bel etage zu verlassen. bis er von ast zu ast wie ein alter mann auf einer steilen treppe bedächtig herabstieg.

dabei kam mir in den sinn, dass seine flugbereitschaft doch noch einiges zu wünschen übrig ließ. endlich landete er auf meinem arm und frühstückte. als er genug genommen hatte, stieg er wie gewohnt wieder die asttreppe hinauf. meinen abschied bedachte er mit einem deutlichen dankesgruß.

vor zwölf und seinem mittagsmahl begrüßte krah mich schon von weitem, als ich gerade erst den waldeingang betrat. andere krahs nah und fern riefen auch. ob eine verständigung so zustande kam, weiß ich nicht. dieses mal war er schon bis auf schulterhöhe herabgestiegen, als ich bei ihm anlangte. den gierigen räuber spielend raffte er den schnabel übervoll, legte dann aber artig die überladung wieder zurück in die tüte, um manierlich häppchen um häppchen zu vertilgen.

auch heute sprang er wieder auf den waldboden hinunter und wendete blätter, ohne noch nahrhaftes zu entdecken. auf meine hingehaltene hand ging er nicht ein. und aufwärts stieg er schon wieder. ich ging und sagte ihm tschüss.

beim nachmittäglichen annähern sah ich krah erst gar nicht, denn er wartete schon in mittlerer höhe. als ich bei ihm ankam, sprang er auf meinen arm und speiste wie gewöhnlich. zum abschied schickte er mir mehrere krahrufe hinterher.

krah grüßte, als ich auf höhe seines holunderturms war. auch während des frühstücks rief er mehrmals, was ungewöhnlich war. wollte er mir etwas wichtiges mitteilen und ich verstand es nicht? ein anderer krah flog hoch über dem wald vorüber und rief auch. mein krah antwortete aber nicht. nach der mahlzeit stieg er wie üblich wieder hoch ins oberstübchen.

wiederholung insgesamt gegen zwölf, nur hielt sich krah in einem anderen holunderturm auf, tiefer im wald. was hatte dieser ortswechsel zu bedeuten? ist krah gestört, gar vertrieben worden? denn sonst blieb er doch meist astfest im hohen holunder seiner wahl.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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