"nach der wahl ist vor der wahl". das kennt man. das ist eine erfahrungstatsache.
aber wenn man gar keine lehren aus den vielen wahlen zieht, besteht doch die gefahr, dass sich
das rad im leerlauf dreht.
jemand schrieb (ich meine, es war anna), es sei feierlich im wahlraum gewesen. den eindruck hatte ich nicht, aber so eine atmosphärische mischung aus lotto-annahmestelle bei gut gefülltem jackpot und bürokratischer amtshandlung, von der einiges abhängt, könnte ich attestieren.
gewiss ist eine politische oder parteien-wahl nicht so alltäglich wie eine fahrt im pkw. folgenreich und verantwortungsvoll auf jeden fall. darum meine ich, die wähler/innen sollten im vollbesitz ihrer kräfte und nüchtern sein, wenn sie zur wahl gehen.
nun wäre von den überwachern der entsprechend durchgeführten stimmabgabe etwas zuviel verlangt, sollten sie wirklich alle teilnehmer/innen einzeln auf ihren alkoholspiegel überprüfen, etwa so wie bei einer polizeikontrolle zu silvester. ein erster praktikabler schritt wäre es, den wahlraum grundsätzlich nicht mehr in kneipen einzurichten. damit könnte der grad der nüchternheit der wahl schon um einige promille erhöht werden.
sodann dürften fürs erste stichproben genügen. wenn im schnitt etwa jede zehnte person ins röhrchen pustete, hätte man ein ungefähres bild der lage und könnte außerdem diejenigen gleich von der wahl ausschließen, die sich mit einer fahne der urne nähern.
in wenigen wahlkreisen sollten freilich alle wahlberechtigten dem alkoholtest unterworfen werden, um daraus eine hochrechnung auf den durchschnittlichen promillegehalt der wahl zu erstellen und einen entsprechenden anteil in prozenten von der wahlbeteiligung abzuziehen.
wenn in zukunft es noch einmal vorkommen sollte, dass ein betrunkener abgeordneter sich am rednerpult im plenarsaal festhält und hochprozentige lallophonie produziert, würde ihm immerhin die basis entzogen sein für die allzu menschliche verwechslung von karnevals- und parlamentssitzung.
über das ernüchternde ergebnis des urnengangs hinaus ergäben sich bald spürbare konsequenzen.
die wahrscheinlichkeit z.b., dass der bundestag die null-promille-grenze für autofahrer beschließen könnte, stiege nahezu auf 100 prozent.
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23:08 02.10.2009
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Geschrieben von
h.yuren
buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos
ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

Kommentare 9
Was soll man sagen?
Mein Wahl'lokal' war in einem Kindergarten untergebracht...
Vielleicht hat das besonders kindische Wahleintscheidungen hervorgebracht.
Die Möglichkeit besteht allerdings, daß die wahlbeteiligung noch niedriger ausfallen wird, wenn die Leute alle nüchtern sind. Sie sähen dann ja schließlich klarer.
Wäre das eine Lösung?
"Stell dir vor, es ist Wahl, und keiner geht hin..."
hm. wahl ist frei und geheim und gleich und allgemein und unmittelbar - von nüchtern steht nix im GG!
"eine atmosphärische mischung aus lotto-annahmestelle bei gut gefülltem jackpot und bürokratischer amtshandlung, von der einiges abhängt, könnte ich attestieren" - ich auch, ich wählte im foyer der schönen ihk münster, nette junge schöne damen saßen da, mir zettel gebend, und ich wählte dann doch, ähem, die linke, weil ich nichts besseres wußte und mit meinen kreuzen uch nicht zufrieden war. - nüchtern ging das zu, und doch volltrunken. --- denn wählen in einer demokratie kapitalistischer ordnung: dieses ist dann doch eigentlich und wesentlich zuviel verlangt. der dumme bürger macht es halt. wegen zugewiesener dummheit aus interesse.
Steht aber auch nichts drin, dass man bei klarem Verstand sein muss. Die Anforderungen an den Schreiber eines Testaments in Greater Germany sind schon recht hoch. Bei einer Bundestagswahl 2009 reicht es für den Wähler aus, dass er eine Wahlbenachrichtigung erhält.
"unmittelbar"?
wo hast du das wort denn her, rahab?
eine direktwahl hat was unmittelbares. aber alles andere ist doch, na, sagen wir mal, mittelbar (das ist aber wirklich nun keine anspielung auf die mittel, mit denen so eine wahl bestritten wird);)
vielleicht "unvermittelbar"?
aus Art.38 GG: die abgeordneten des deutschen bundestages werden in allgemeiner!, unmittelbarer!, freier!, gleicher! und geheimer! wahl gewählt. steht da so rum. hab ich nicht er- sondern ge-funden.
und extra nachgeguckt - allerdings in meinem alternativ-kommentar zu GG aus dem jahr 1984 - ährlisch!da steht 1984! hab ich auch nicht erfunden.
da ich seither (also seit 1984) mal ne ganze zeit lang auf der etwas erdabgewandten seite des mondes tätig war, dachte ich mir, ich guck es extra noch mal nach. hätt ja sein können, dass da nun irgendwie noch "nüchtern" reingekompromißt wurde. schließlich sind kompromisse im GG seit geraumer weile ja in mode...
und wo ich nun grad am blättern bin, noch schnell aus Art.21 GG: die parteien wirken an der politischen willensbildung des volkes mit.
darf sich mensch bei gelegenheit auch mal wieder durchs hirn ziehen lassen...
danke für deine akribische forschungsarbeit in sachen gg, rahab. nun wissen wir, dass wir beide recht haben. du nach dem buchstaben des gesetzes, ich nach dem sinn; denn eine listenwahl mit rutschpositionen ist doch keine unmittelbare oder?