Die Phantasie an die Macht!

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'68 sprühte jemand im revoltierenden paris an die wand: "L' imagination au pouvoir!" zu deutsch: Die Phantasie an die Macht.
phantasielos waren die jungen leute nicht, aber am ende doch machtlos gegenüber der uniformierten staatsgewalt. schließlich ist die phantasie keine waffe, zumindest keine scharfe waffe.

anders das wissen. das ist, wenn es den namen verdient, scharf, präzise, treffsicher.
schaun wir uns die regierenden aller länder an, sehen wir gleich auf den ersten blick, dass die damen und herren, wenn's hoch kommt, jura studiert und praktiziert haben wie obama und schröder, oder, seltener, physik wie die kanzlerin. doch das wenige fachwissen spielt realpolitisch keine rolle, ist bloß ein hübsches persönliches aushängeschild.

was zählt und größtes gewicht hat für die damen und herren in der ersten reihe der politprominenz, ist die parteiarbeit. denn die partei trägt sie und gibt ihnen kraft oder power oder pouvoir. um in einer partei nach ganz oben zu rudern und oberwasser zu behalten, muss mensch robust gebaut sein und vor allem eines mitbringen: machtinstinkt. für den muss er/sie bereit sein, alles, was sie/er mal gelernt hat, zu vergessen. wissen, das wiegt, gerinnt zum herrschaftswissen.

wozu machtinstinkt und herrschaftswissen mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit führen, ist in geschichte und gegenwart bequem zu besichtigen. nehmen wir als beispiele nicht bush & blair, denn das wäre zu simpel, sondern obama und merkel.

der mit vorschusslorbeeren überladene obama intensiviert den krieg und lässt neue atomkraftwerke in seinem land bauen (nach einer fast 40-jährigen pause!). und unsere kanzlerin mit ihrem vize geht in die gleiche richtung, wenn auch nicht mit gleicher verve.
nicht dass ich glaubte, der eine oder die andere wollte aus innerem antrieb in die eingeschlagene richtung gehen; sie tun es, weil sie sklaven ihres machtinstinkts sind. das system in frage zu stellen (wie gorbatschow) fällt ihnen nicht ein, unter anderem weil gorbatschow dadurch seine macht verloren hat.

aber nicht nur den gewählten spitzenpolitiker/innen fehlt es offensichtlich an phantasie, sich die folgen ihres tuns vorzustellen; auch fast alle anderen menschen bleiben auf dem falschen kurs, weil sie keine phantasie für realistische alternativen haben. dabei ist es doch gar nicht so schwer, im technisch-wissenschaftlich bestimmten alltag auf die idee zu kommen, dass primitive instinkte wie der machtinstinkt ein ganz schlechter wegweiser in die zukunft sind. wissenschaft und technik wären gewiss zuverlässiger, wenn die leutchen nicht korrupt wären. das aber ließe sich viel besser kontrollieren als die methoden im machtkampf.

die disziplin, die an erster stelle in frage käme für die korrektur und leitung der politik, wäre die ökologie. sie ist eine exakte wissenschaft, und ihre gesellschaftliche anwendung ist gekoppelt an technische kontrollen. ich wage die these: die menschheit hat nur dann eine zukunft, wenn sie ihre politik durch ökologische expertenkammern überprüfen und korrigieren lässt.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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