das phänomen ist nicht neu. tucholsky fand seinerzeit schon, dass gewisse leutchen einen vornehmen genitiv spazieren führten.
der sprachbeobachter sebastian sick bringt die entgegengesetzte tendenz im titel seines bestsellers: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. these und beleg in eins: der 3. fall [grundschuldeutsch] im sprachlichen flachland ersetzt des öfteren den 2. fall. beispiel: wegen dem regen [fiel der spaziergang aus].
zum glück gibt es aus dem sprachlichen hochland die entgegengesetzte tendenz, den genitiv an stellen im wortgefüge, wo man ihn gar nicht vermuten möchte.
so blendete die tagesschau gestern ein wort des ministers der verteidigung ein, der sich gegen vorwürfe verteidigte. dabei glaube ich die phrase gehört zu haben: "entgegen anderslautender berichte ..."
wenn das man kein vornehmer genitiv ist! das wort des adeligen ministers in der tagesschau!
die redaktion hatte die einblendung wohl ganz in ordnung gefunden.
denn der edelmann kämpft nicht allein auf verlorenem posten, umzingelt von lauter lauten dativ-fans. nein, nein. so ist das nicht. der genitiv hat durchaus mächtige verteidiger.
so las ich vor einiger zeit den mutigen spruch aus dem munde eines professors, der anhub: "Entgegen des offiziellen Selbstverständnisses ...", und im nämlichen text erkühnte sich der seine akademischen titel vor sich hertragende mann zu der fügung: "Entgegen des dramatisierend wirkenden Titels ..."
gegen soviel hochsprachliche genitivstilparaden macht die flachsprachliche vorliebe für den dativ keine gute figur.
wenn du genau hinhörst, wirst du ohrenzeuge/in beim spannenden kampf zwischen genitiv und dativ, der überall unverhofft ausbricht. früher oder später wirst du in das geschehen hineingezogen und musst partei ergreifen oder die flucht.
Kommentare 27
Des Genitvs sollte aber stets eingedenk sien, nicht wahr?
Denn welcherorts wären wir ohne des gnädigen Genitivs Hilfe?
Außerdems hat unsers Adels Ministers für der Veteidigung von des Afgahnistans so eines schönen Haarschopfes, dß unser alles der Verzeihung seiner anheischig sein sollte.
Oder findest Du dessn nicht so, meines lieben H.Yurens? - Des Genitivs sei Dank!!!
Mit der freundlichsten Grüßen von des I.D.A. Liszts
Wir nennen es Gewandhaussächsisch: Aus Angst vor falscher Aussprache wird alles vorauseilend hyperkorrigiert. Plauplütler, kanz oder kar nicht.
kk
Nu, so soocht es de gai gloedser.
liebe kk und lieber ida.liszt, schön, dass ihr nicht die flucht ergriffen habt angesichts der übermäßigen probleme.
dass der von und zu(rück) g. mal ein wenig zu hochedel redet, finde ich eher normal oder erwartungsgemäß, dass aber die tagesschauredaktion keine knade kennt (oder wie ist der durchlass zu verstehn?), missfällt mir schon.
aber kk, es geht hier doch ums mark der sprach, um die grammatik, nicht ploß um die aussprach.
ida, du kannst das so gut; bist du etwa auch adeldig oder hochschulmäßig?
Aber nicht nur bei Politikern, auch bei Journalisten feiert der feierliche Genitiv fröhliche Urständ, siehe auch hier:
www.freitag.de/community/blogs/streifzug/klaras-abgesang-oder-der-preis-der-freiheit
Tessa schrieb am 09.12.2009 um 16:05 [ 7 ]
Noch eine zusätzliche Information: Klaras Minarett-Text bleibt samt der Kommentare erhalten. Er sollte in Kürze wieder online gehen.
oranier schrieb am 09.12.2009 um 21:00
@ Tessa
Bei Journalisten ist erkennbar aus Furcht, den Genitiv zu töten, dieser dem Dativ sein Tod.
"... samt den Kommentaren", sagt der "selbsternannte Hohepriester der Textkritik" (klara), aber nur zu Profis und solchen, die sich Herausgebern gegenüber erfolgreich als solche andienen.
Grüße
oranier
Lies mal denn Namen richtig, helder! Herr A (= von) Liszt heiszt mit Vornamen "Idee", nicht "Ida".
Und der, als beinahe Rheinländer, wird folgendes kennen: das "g" wird ja vom gemeinen Volk wie "j" gesprochen. Weswegen die gebildeten Prediger von der Kanzel von "unserem lieben Herrn Gesus" erzählen.
Lieber h.yuren,
ich weiß ja, wollte nur den Korrekturwahn in die falsche Richtung andeuten.
Und ganz deutlich sehe ich die Tagesschau-Redaktionskonferenz:
Redakteur: Entgegen anderslautender Berichte war falsch.
Abteilunsgleiter: Hat Guttenberg so gesagt.
Redakteur: Ich meine die Formulierung
Abteilungsleiter: ?
Redakteur: Die Grammatik.
Abteilungsleiter: ???
Redakteur: Da gehört kein Genitiv hin.
Abteilunsgleiter: Ich verstehe nicht, warum du wegen dem Genetiv den ganzen Beitrag schlecht machst. Man darf das jetzt so sagen, und ich wünsche keinen falsch verstandenen Fülletonismus hier. Wir machen Nachrichten. Um Grammatik kümmern sich andere.
Redakteur: Wem?
Abteilungsleiter: Wo den Auftrag haben.
Und überhaupt die Tagesschau! Da treiben auch die Metaphern eigentümliche Blüten:
Originalton: "Der Finanzminister sieht ein großes Loch auf sich zukommen" (wird namentlich leider nicht näher bezeichnet).
Nein, mitnichten! Wir, IDA und von Dingsdas Gnaden Liszt, sind nur des Hochadels Bankert, da bedürfen Wir der Schule nicht.
Oh Genie, wie tiev bist du gesinkt.
Versuch einer oder keiner dem deutschen Dialekt Grammatik oder andere Weißheiten bei zu bringen.
Es ischt vergäblisch.
hübsch, danke, kay!
Ach herrje von Dingsdas Gnaden, und ich dachte, den Namen um eine Idee in Richtung höherer Bildung statt höheren adels verrücken zu sollen.
ach, luggi, was rädtst du da wieder undergründisches?
die dagesshow macht doch in dialäkt.
lieber oranier, danke für die frischen beispiele.
kk, meine liebe, danke für die perfekte szene. so muss es gewesen sein, genauso.
oranje boven, den gesus is mir noch nich begegnet, wohl das münteferingsche "getz" (=jetzt)+(=kleinwagen).
... macht doch nicht in dialäckt!
lieber dingsda von IDAs gnaden, rischtisch, schule is schund, milde jesagt. das kommt von dem politschkitsch.
Jetzt binsch aba irretiert, issn die Dagmar wedder uffm Scherm? Na hoffentlisch nisch in HaDe, wejen der Falten, nich in Rock sondern hingene im Jenicke.
Und neulich hörte ich in ein Interview (ich weiß nicht mehr wer und worüber - war wohl nicht ganz so wichtig), in dem einer davon sprach, daß wir den Standort Deutschland nach vorn bringen müssten.
So, von diesm Blickpunkt, müßte man schon genau zuhören...
Ich glaube, daß daher auch der Begriff "Schludrigkeit" (irgendwie eine Kreuzung aus Schund und Schule) stammt.
da fehlt das -l- von schludrigkeit; also muss auch noch der schlendrian, vielleicht auch der schlund mitgespielt haben.
im guten alten gutenberg-zeitalter gings nicht gar so schnell wie heut im elektrifizierten, wo die journaille und die lieben interviewten ein redewettrennen nach dem andern veranstalten müssen. weil die zeit zum denken fehlt, lohnt sich die nach- und blütenlese täglich. aber wir möchten ja auch immer ganz aktuell ins bild gesetzt werden. wenn dabei der wesentliche fortschritt nicht auf der strecke bliebe, wärs zu verkraften.
aber luggi, mal im hochdeutschen, nein, sagen wir besser, im schriftdeutschen ernst: alle logik der sog. normsprache ist aus den mund(un)arten gekommen und bildet nun den einheitsbrei oder german eintopf an grammatik und logik plus schwarzheiten.
Ach Helder, seltsam ist, dass das hochdeutsche Schriftdeutsch sein Wurzeln im niederdeutschen Sprechdeutsch hat.
Im Schönebecker Sprechgebiet wird die mir-mich-Klippe mit dem Wort micke umschifft.
Wenn ich als Zugereister einen Bayern bitte, etwas verständlicher zu sprechen, dann wird er nur lauter, oder versteht er mich nicht? Sehr komisch mit det deutsch.
tja, luggi, wenn du aus dem niederdeutschen ins oberdeutsche wechselst, ist das mit anstregenden stufen aufwärts verbunden.
in meiner gegend verzichtet das nordseegermanisch ganz auf eine endung. es heißt schlicht 'mi' (wie engl.).
schön fand ich das kohlenpottdeutsch, in dem die leute es schafften, nach 'für' ein 'ihr' zu platzieren. als nordseegermane verstand ich 'for her' und 'voor haar' (nl.). es war im grunde richtig, hörte sich aber an wie kreidekreischen auf der tafel. die leidige oberflächenstruktur macht uns zu schaffen.
Unsere Abizeitung hieß: "Wem?"
Danke Helder und allen anderen für die erfrischende Lektüre.