französische revolution(3)

jean meslier s. o.

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Beim Stand der Technik und Gewohnheiten vor 200 Jahren war das Maß ziemlich bald voll. Schon länger ging es in der Politik weniger um hehre Ziele geistlicher und fürstlicher Leitung, als vielmehr um banale Fragen der Wirtschaft und Versorgung.
Das Bürgertum kam dabei immer besser ins Geschäft. Denn Handel und Verkehr, Wissenschaft und Technik waren seine Domäne. Mehr und mehr Bürgerliche konnten es sich leisten, den feudalen Lebensstil nachzuahmen. Siehe Voltaire.
Politisch freilich verfügten reiche Kaufleute über nicht mehr Rechte als Bauern und Tagelöhner. Sie waren eben auch nur Angehörige des 3. Standes. Nur so ist überhaupt das revolutionäre Bündnis zwischen Arm und Reich gegen die fürstlichen Privilegien zu verstehen.
Doch gleich von Anfang an verfolgten die Verbündeten unterschiedliche Ziele. Den gutsituierten Bürgern ging es um die rechtliche Gleichstellung mit den Adeligen. Die einfachen Leute in Stadt und Land dachten, wenn sie zu denken wagten und nicht nur der Brotnot gehorchten, an die ungerechte Verteilung der Lebens-Chancen. Sie hatten wie Meslier eine andere Gleichheit im Sinn.
Aus der aufklärerischen Vorarbeit des Landpfarrers und aus der biologischen Vorarbeit der Dörfler reiften endlich anno 1789 politische Konsequenzen in Gestalt einer schweren Krise. Ein zu großes Loch in der Staatskasse, Missernten, Massenarbeitslosigkeit, Unruhen in ganz Frankreich und nirgendwo ein Ausweg in Sicht.
In dieser außergewöhnlichen Lage besann sich der Kronrat auf ein altehrwürdiges Beratungsorgan: die Generalstände. Mochte das Gremium auch etwas aus der Übung gekommen sein in der Tagungspause von über 160 Jahren, so war es doch der Strohhalm, nach dem man in der Not griff.

Kaum war der Tagungstermin bekannt, wurden auch schon Forderungen laut, der 3. Stand müsse stärker vertreten sein, weil er inzwischen, anders als 1614, für 24 Millionen Franzosen spreche, die beiden anderen Stände aber nicht einmal für 1 Million.
Selbstverständlich verwahrte sich der Adel gegen derlei unziemliche Zahlenspiele. Der Kronrat aber gab den Forderungen nach. Er verdoppelte die Anzahl der 'Volksvertreter' in den Generalständen. Das heißt, der 3. Stand erhielt so viel Stimmen wie der 1. und der 2. zusammen.
Die königlichen Berater beglückwünschten sich zu dem genialen Schachzug. Er würde das Volk beruhigen und den Adel schwächen, aber dem König Gelegenheit bieten, die widerstreitenden Parteien gegeneinander auszuspielen.
Nur sollte die Rechnung nicht aufgehen. Die Monarchie wich in einem ersten Schritt vor der Demokratie zurück. Das war der Anfang der Entmachtung des Königs. Der unspektakuläre Auftakt der Revolution.
Kaum war das Zugeständnis gemacht, rührten vermögende Kreise schon wieder die Trommel mit neuen Forderungen für den 3. Stand. In seiner Flugschrift "Was ist der 3. Stand?" - im Januar 1789 in hoher Auflage unters Volk gebracht - verkündet der Abbé Siey?s bereits: "Der 3. Stand ist alles, die ganze Nation."
Als dann im Mai die Generalstände zusammentraten, war der Abbé ein für den 3. Stand gewählter Abgeordneter, auf dem besten Wege, seinen Worten nun Taten folgen zu lassen. Den wochenlangen Verhandlungen über den Abstimmungsmodus machte er ein Ende, indem er die Abgeordneten seines Standes dazu aufrief, gar nicht mehr mit den Vertretern der andern Stände zu verhandeln, sondern sofort den 3. Stand zur "Verfassunggebenden Versammlung" zu erklären. Die Kollegen folgten seinem Aufruf und taten damit den ersten revolutionären Schritt.
In der folgenden Sitzung ließ der König den Beschluss für null und nichtig erklären. Die Revolution der Bürgerlichen hätte so ein rasches Ende gefunden, wenn nun nicht das Volk von Paris auf den Plan getreten wäre. Die von allen Seiten in den Versammlungsraum drängende Menge setzte den König matt.
Bourgeoisie und Proletariat hatten zusammengespielt und gewonnen.
Weil die Soldaten sich geweigert hatten, auf die Menge zu schießen, zog Ludwig XVI. in Versailles schweizerische und deutsche Regimenter zusammen. In Paris kursierten Gerüchte, der König plane einen Gewaltstreich gegen die Nationalversammlung.
Für den Fall ging die Einwohnerschaft der Hauptstadt nun daran, sich zu bewaffnen. Am 14. Juli frühmorgens erbeutete die Menge im Hotel des Invalides an die 30 000 Musketen sowie ein paar Kanonen. So gerüstet fühlte man sich stark genug, die alte Zwingburg von Paris, die Bastille, anzugreifen.
Der Coup gelang. Die Besatzung gab den ungleichen Kampf bald auf. Das verhasste Staatsgefängnis war geknackt, das Symbol absolutistischer Herrschaft ausgelöscht.
Der König, einmal mehr von den Ereignissen überfahren, kam nach Paris und ließ sich die rot-weiß-blaue Kokarde der Revolution an die Brust heften. In sein Tagebuch schrieb er nur das eine Wort: "rien", zu deutsch: nichts.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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