Geschichte kurz. Teil 1

George Fox. geschichte ist eine serie von veränderungen, manche davon revolutionär. in england sollte man so etwas nicht für möglich halten. im 17. jh. wars aber so.

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Ein Sonntagmorgen anno 1649. Glocken läuten. Die Sonne scheint. Und Schmetterlinge fliegen. Ein Bild tiefen Friedens im mittel-englischen Hügelland.
Durch die Felder zieht eine Gruppe einfacher, aber nicht bettelarmer Leute, nach der Kleidung zu urteilen. Sie sind unterwegs nach Nottingham. Eben haben sie die letzte Hügelhürde genommen. Die Stadt liegt vor ihnen. Wenn sich der mächtige Kirchbau dem Blick nicht so aufdrängen würde, könnten sie sich freuen, dem Ziel nun nicht mehr fern zu sein. So aber entlockt der alles überragende Dom den Pilgern Unmutsäußerungen.
Einer unter ihnen, ein junger Mann von 25 Jahren, fühlt sich durch den Anblick des Kirchturms so sehr herausgefordert, dass er sich vornimmt, dem Turmbau gleich einen Besuch abzustatten. Er sagt stets Turmbau statt Kirche, um seine Verachtung für die "Gotteshäuser" zum Ausdruck zu bringen.
Der zornige junge Mann ist nicht etwa ein militanter Pfaffenhasser und Feind aller Religion. Ganz im Gegenteil. Er kennt seine Bibel genau und glaubt, den Auftrag zur Verkündigung unmittelbar von Gott zu haben.
Bald nach der Ankunft der Gruppe in Nottingham verabschiedet er sich von seinen Freunden und eilt zum Turmbau. Erwartungsgemäß findet um diese Zeit ein Gottesdienst statt. Der Geistliche auf der Kanzel spricht gerade über die grundlegende Bedeutung der Bibel für alle Christen. Er bemerkt den Nachzügler und betrachtet ihn mit Missfallen.
Tatsächlich dauert es lange, bis der Fremde sich erhebt und dem Pfarrer das Wort abschneidet. Ohne Poltern, aber doch sehr entschieden im Ton ruft er der überraschten Gemeinde zu, nicht die Bibel sei der Prüfstein, um Gut und Böse zu erkennen, sondern der heilige Geist, der alles bewirke von Anbeginn. Aus ihm sei die Bibel hervorgegangen, nur durch ihn werde sie richtig verstanden, ohne ihn bleibe die heilige Schrift nur irgendein Buch.
Gern hätte der Gegenprediger weiter ausgeholt. Doch anwesende Offiziere schritten rasch als Ordnungshüter ein. Sie führten den Störenfried ab und sperrten ihn ins Stadtgefängnis.

War der Gefangene ein Spinner, ein von allen guten Geistern Verlassener, oder sprach aus seinen Worten etwa wirklich der heilige Geist? Das war die Frage, vor die sich der Bürgermeister und die Sheriffs von Nottingham gestellt sahen.
Noch am gleichen Tag holten sie den Häftling zum Verhör.
Name: George Fox. Geboren: Juli 1624. Geburtsort: Drayton-in-the-clay, ein Dorf in der Grafschaft Leicestershire. Wohnort: zur Zeit ohne festen Wohnsitz. Zuletzt ausgeübte Tätigkeit: Schafhirte. Arbeitsstelle: zur Zeit keine. Religionszugehörigkeit: zur Zeit kein Mitglied einer Kirche. Name des Vaters: Christopher Fox. Beruf des Vaters: Weber.
Was ihn denn dazu bewogen habe, den Gottesdienst zu stören, wollten die Sheriffs wissen.
Die Weisung, in den Turmbau zu gehen, habe er von Gott erhalten, sagte Fox. Er sagte das so, als sei das eine ganz selbstverständliche Sache. Bürgermeister William Nix reichte es. Schon wieder so einer, dachte er. Von diesen Landstreichern gab es zu viele in letzter Zeit. Alle beriefen sich auf Gott, vom König bis zum Bettler. Und die Zustände im Land wurden immer gottloser.
Er gab dem Wachmann einen Wink und schickte den zugelaufenen Selfmade-Prediger zurück ins Gefängnis. Da würde er Gelegenheit haben, wieder zur Besinnung zu kommen, ehe er anständigen Engländern noch einmal den Sonntag verdarb.



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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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