Geschichte kurz. Teil 2

george fox s.o.

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Viel Zeit zur Besinnung blieb dem Häftling allerdings nicht. Er wurde gleich wieder auf freien Fuß gesetzt, weil der Hauptsheriff ihn noch am selben Abend zu sprechen wünschte.

Im Haus des obersten Ordnungshüters der Stadt wurde George Fox wie ein guter Freund begrüßt und herzlich aufgenommen. An eine Rückkehr ins Gefängnis war kein Gedanke. Fox wohnte von nun an im Haus des Sheriffs von Nottingham.
Viele Besucher fanden sich ein, um den merkwürdigen jungen Mann zu sehen und zu hören.
Den guten Bekannten, Freunden und Verwandten des Hausherrn fiel eines sogleich auf: Das war nicht mehr der alte John Reckless, wie sie ihn kannten. Der Sheriff war wie umgewandelt. Das zeigte auch der folgende Vorfall:
Eines Morgens beim Frühstück fühlte sich der Mann derart von der neuen Wahrheit durchdrungen, dass er sofort aus dem Haus lief und der Menge auf dem Markt eine Predigt hielt. So hatten die Nottinghamer ihren Hauptsheriff noch nicht erlebt: als Bußprediger in Hauspantoffeln auf dem Marktplatz.
Die einen waren belustigt, die anderen erschüttert. Wieder andere sprachen von einem Skandal. Nicht wenige aber waren auch beeindruckt von der Bekehrung des Sheriffs und hielten zu ihm.
Den Ratsherren von Nottingham ging der Wirbel um George Fox nun doch zu weit. Sie setzten den Unruhestifter kurzerhand abermals hinter Gitter. Laut Gesetz machte sich strafbar, wer in seiner religiösen Überzeugung von der Lehre der anglikanischen Kirche abwich.
Diesen Tatbestand erfüllte Fox ohne Zweifel.
Den anglikanischen Priestern warf er vor, sie dienten nicht der Wahrheit, sondern dem König und den Bischöfen. Mit Glockenlärm bestellten sie die Gläubigen in ihre Warenhalle, die sie Kirche nannten, um ihnen wie Marktschreier Bibelverse zu verkaufen. Die Hauptsache sei das Geld, das sie der frommen Kundschaft abluchsten. Wenn sie vom heiligen Geist erleuchtet wären, wüssten sie, dass die Wahrheit nicht käuflich ist, dass sie weder in Büchern noch in Tempeln wohne, sondern allein im Herzen der Menschen.
So ziemlich alles, was die Kirche zur Kirche machte: die beeindruckend hohen Turmbauten ebenso wie die hoch gestaffelte Rangordnung der Geistlichkeit vom einfachen Diakon bis zum Erzbischof - alles das schalt Fox als falsch, heidnisch und götzendienerisch, kurz: wert, dass es verschwände.

Das war nicht bloß eine kleine Meinungsverschiedenheit. Diese Anklagen waren ein Anschlag auf die etablierte Staatskirche und wogen vor Gericht schwer gegen den Ankläger.
Was aber die Richter erst recht in Rage brachte, war das ungehörige Benehmen des Angeklagten. Der junge Mann erdreistete sich, in der Verhandlung den Hut nicht abzunehmen. Damit nicht genug, duzte er den vorsitzenden Richter und alle anderen im Gericht ohne Rücksicht auf Rang und Namen.
Die auf gesittete Umgangsformen bedachten Gentlemen fanden es angemessen, dass dem Mann erst einmal Manieren beigebracht wurden. Durch eine ordentliche Tracht Prügel. Danach war der Hut des Angeklagten meist unauffindbar, jedenfalls nicht mehr auf dem Trotzkopf.
Dass Fox ungeachtet der unangenehmen Folgen das unschickliche Benehmen nicht aufgab, hatte gute Gründe: Er wollte demonstrieren, dass kein Mensch das Recht hat, sich über andere zu stellen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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