Geschichte kurz. Teil 3

George Fox s. o.

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Während die Gegensätze zwischen Parlament und König, Puritanern und Staatskirche, Stadt und Land und nicht zuletzt zwischen Arm und Reich ganz England in feindliche Bürgerkriegslager teilten, sah und betonte Fox das Einende, das alle Verbindende, das nach seiner Überzeugung Vorrang hatte vor dem, was die Menschen voneinander trennte. Da er so konsequent als Anwalt der Gleichheit auftrat, musste er im Dauerkonflikt mit der dissoziierten Gesellschaft leben.
Insgesamt verbrachte George Fox 6 Jahre in Gefängnissen, und mehrmals wurde er von wütenden Kirchgängern brutal zusammengeschlagen.

Der verbissen geführte religiöse Streit war Teil des Bürgerkriegs, den England seit einem Jahrzehnt ausfocht. Sozusagen als nationales Gegenstück zum 30-jährigen Krieg auf dem europäischen Festland.
Wie üblich fiel den meisten Menschen in der Krisenzeit nichts Besseres ein, als sich ans Altbewährte zu klammern. Nur war das nicht für alle Engländer das Gleiche.
Der König hielt fest am Gottesgnadentum seiner absoluten Herrschaft. Landadel und Besitzbürger forderten für sich Rechte und Freiheiten, ohne daran zu denken, ein einziges Privileg aufzugeben. Die Staatskirche verteidigte ihr Religionsmonopol mit allen Mitteln gegen die stets zahlreicher und selbstbewusster auftretenden Puritaner. Diese wiederum nahmen für sich in Anspruch, das Christentum 'pur' zu verkörpern.
Überall fühlte man sich bedroht und angegriffen und reagierte überreizt wie jene Bürger, die George Fox am Sonntag in ihrer Kirche zu stören wagte. Je verängstigter und scheinheiliger die Staatschristen waren, desto wütender verjagten sie den Bürgerschreck Fox.
Nicht ohne Grund machte er ihnen Angst. Der arme Webersohn und vormalige Schafhirte, der mit 19 Jahren sein Elternhaus verlassen hatte, entstammte der Klasse der Besitzlosen, schlimmer noch, er kam aus der untersten Unterschicht der Nichtsesshaften. Das machte ihn unheimlich.

Fox hatte sich nicht abgefunden mit der Armut und den löcherigen Redensarten in seinem Dorf. Ausgerüstet mit Mut, Phantasie und Ausdauer war er beizeiten auf die Wanderschaft gegangen, um im Wechsel von einsamer Gewissensprüfung und Diskussion mit anderen nach der Wahrheit zu suchen, seiner Wahrheit. Dabei gelangte er zu der Überzeugung, dass die Menschen zuerst und vor allem gleich sind.
Also predigte er als einer der Ersten gegen den blühenden Sklavenhandel, durch den englische Reeder sich bereicherten. Und natürlich verweigerte er den Kriegsdienst. Was wäre das auch für eine Gleichheit, wo der Mensch dem Menschen zur Beute wird, tot oder lebendig!
Hätte es damals schon eine Kommission gegeben, die sein Gewissen überprüfte, so wäre der junge Mann höchstwahrscheinlich als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden. So unmissverständlich wie bei Fox äußert sich das Gewissen nur bei wenigen Menschen: klar in der Erkenntnis aller Formen der Ungleichheit, entschieden in ihrer Ablehnung, ohne Rücksicht auf persönliche Nachteile.

Was George Fox als seine Wahrheit erkannte und unermüdlich predigte, war so überzeugend, weil sein Denken und Handeln übereinstimmten. Auch heute kann das seine Wirkung nicht verfehlen auf Menschen, die entfremdet leben, die entweder nicht wissen, was sie tun, oder aber täglich Dinge tun, die sie nicht verantworten können.
Nur, wer wie Fox allein der Stimme des Gewissens folgt, unempfänglich für die Einflüsterungen der Gesellschaft um ihn herum, immun gegen Drohungen und Zwangsmaßnahmen, der wird sich unbeliebt und strafbar machen.
George Fox ging seinen Weg unbehelligt von Rücksichten auf den Brotberuf, auf Besitz und Familie. Die einzige Schranke, die ihn zurückhielt, war die Sprache. Fox sprach nur englisch. Doch damit kam man schon damals recht weit. Fox reiste denn auch bis nach Amerika, um "Friends" oder Freunde zu gewinnen. Und er fand sie auch dort. In der Geschichte der USA haben die "Friends" eine große Rolle gespielt.

Natürlich verkörperten nicht alle "Friends" (genauer: Mitglieder der Society of Friends) die Stimme des Gewissens so rein wie der Gründer der Society. Viele waren zu Kompromissen bereit, besonders in England, das sich fieberhaft auf die industrielle Produktion einrichtete.
In jenen Jahren begann die Blütezeit der Geschäftemacher, der Makler und Händler, die rechnen konnten, der cleveren Spekulanten, die mit Riesengewinnen auch den standesbewussten Landadel in der Hand hatten und für ihre Zwecke einspannten, zum Beispiel als Militär.
Die Habenichtse und der verschuldete Adel unterwarfen sich gleichermaßen dem Kalkül der Kapitalisten, weil sie keine Wahl hatten auf der Insel. England war, was wir heute ein Entwicklungsland nennen.
Vergleichen wir die Struktur der Gesellschaft mit einem Haus, so war das englische überfüllt und abbruchreif. Das windschiefe Gebäude musste durch ein modernes Hochhaus ersetzt werden. Und hier, im vielfachen Über- und Untereinander der Stockwerke, spiegelt sich die Über- und Unterordnung der modernen Gesellschaft. Mit einem Wort, die allgegenwärtige Ungleichheit.
Wenn wir heute diese Entwicklung betrachten, von der im 17. Jahrhundert kaum jemand etwas ahnte, müssen wir feststellen, dass George Fox mit seiner Gleichheitspredigt nicht eben die Wellenlänge des Zeitgeistes traf. Im Gegenteil. Statt den Fortschritt zu propagieren, erinnerte er an die fernste Vergangenheit, an die Zeiten der nomadischen Wildbeuter, und beklagte die Verluste seitdem: den Mangel an Mitgefühl, Freundlichkeit und Gleichheit.
Was aber sollten die verunsicherten Engländer im Gedränge des verschärften Wettbewerbs damit anfangen? Sie erklärten den selbsternannten Prediger für verrückt. Das war bequemer als das Eingeständnis, dass gerade in der Aufbruchsphase zu gesteigerter Unbarmherzigkeit ein Appell an das Gewissen durchaus seine Berechtigung hatte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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