gewohnheitstiere.

und mitläufer. silvester wird wie alle vorabende von neuanfängen (hochzeit, reifefeier) mit unglück abwehrenden aktivitäten begangen (lärm, maskenzüge) ... wusste das fischer lexikon.

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da ist es sicher der reine zufall, dass der krachbrauch am letzten tag vor dem neuen kalenderjahr deutliche merkmale der kriegsgesellschaft trägt. ohrenbetäubende detonationen, dichter rauch, grelle leuchtsignale, raketen. krieg ist in jeder hinsicht das teuerste unternehmen. auch den silvesterlärm lässt man sich was kosten. bei soviel volksfreudenfeuer lässt man sich nicht lumpen.

damit die kriegsverwandtschaft voll zur geltung komme, muss unbedingt auch gelitten werden. zuerst sind die kleinen kinder opfer, aber auch die kranken und die alten, schließlich nicht zuletzt alle lebewesen mit empfindlichen ohren. haus- und wildtiere inclusive. wie im echten kriegsernstfall nennt man sowas kollateralschaden. war ja nicht so gewollt.

klar, wer sich im krieg besonders hervortun muss, tuts auch im silvestermanöver. immer die gleichen. maskulin und unreif. dass die bengel unterschiedlicher jahrgänge nicht wissen, was sie tun, darf unterstellt werden. nicht nur zu silvester. nicht nur im ernstfall. von den unglück abwehrenden übungen ahnen sie nichts. sie folgen schlicht der kurzen erinnerung, dem brauch im letzten jahr. folgen nur der gewohnheit. laufen mit.

dass die gewählten vertreter des volks zu- oder auch wegschauen, ist kein zufall. falls sie zu den zuschauenden zählen, kennen sie bestimmt die statistik über die folgen der freiwilligen kriekskulturellen übungen, etwa brandschäden, hand-, augen- und gehörverletzungen, und nicht zuletzt die luftverpestung mit dicken rauchschwaden. vielleicht schauen die damen und herren volksvertreter nicht nur zu, sondern nehmen volkstümlich teil am feuern und feiern. das beliebte kulturgut alkohol darf dabei nicht fehlen, damit die freude am feuerwerk voll sei.

womöglich gibt es unter den gönnern des populären treibens ein paar leutchen, die es sogar für erforderlich halten, dass die massen sich wieder einmal so richtig austoben, ähnlich wie im karneval, und meinen, dieses ventil sei nützlich, denn es helfe, dass die volksseele nicht an anderer unliebsamer stelle und gelegenheit hochkocht. es soll immer hübsch im rahmen der guten alten tradition bleiben.

alles gut, sagt und hört man häufig.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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