Köhlers Bekenntnis

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nun hat das thema die tagesschau erreicht. köhlers ausspruch wird in voller länge präsentiert. der "kriegs"minister verteidigt köhlers bekenntnis gegen sprecher der opposition.

was hat der bundespräsident anderes gesagt als die wahrheit?
herrscht nicht seit jahren konsens über den krieg der usa gegen den irak? es ging um öl, nicht um husseins massenvernichtungswaffen, die nur vorgeschoben waren als offizieller kriegsgrund.

und sind nicht auch die einsätze am horn von afrika zur sicherung der seewege gegen die piraten dort ökonomisch motiviert?
ergo spricht der präsident nur eine wahrheit aus, die bislang ebenso unaussprechlich war wie das wort krieg, das ja nun schon sagbar geworden ist.

die kritiker berufen sich unter anderem auf die verfassung der brd. kriegführung aus wirtschaftlichem interesse ist darin nicht vorgesehen. aber die brd ist ein nato-mitglied. und die nato ist in ihren planungen und einsätzen nicht an die deutsche verfassung gebunden.

zwei dinge werden in der debatte gar nicht erwähnt:
1. was das wort des bundespräsidenten bedeutet, vermag in seiner ganzen tragweite nur jemand zu erfassen, der am kriegsende vor 65 jahren erlebt hat, dass es keine deutschen uniformträger mehr gab, dass der deutsche staat aufgehört hatte zu existieren und dass die symbole der nation wie fahnen etc. verschwunden waren.

wer historisch ein wenig bewandert war und womöglich kants werk "Zum ewigen Frieden" gelesen hatte, wunderte sich dennoch nicht über die entwicklung der folgenden jahrzehnte mit grundgesetzänderungen, wiederbewaffnung, wiederaufbau der rüstungsindustrie, bis aus dem bekenntnis "Nie wieder Krieg!" die beiden ersten wörtchen gestrichen wurden. konsequent wäre es, nun den "Verteidigungsminister" auch wieder wie zu kaisers zeiten "Kriegsminister" zu nennen. die in afghanistan kämpfenden einheiten werden schon lange in der kaiserlich kolonialen tradition als "Schutztruppe" apostrophiert.

2. das bekenntnis des bundespräsidenten, auf dem rückflug aus afghanistan zu protololl gegeben, ist zynisch oder aber offen und ehrlich, je nach blickwinkel.
in einer welt der globalisierten konkurrenz ist der krieg die konsequente fortsetzung der konkurrenz auf allen ebenen der gesellschaft. der kampf der konzerne um die vormacht auf dem markt, der wettkampf der staaten, kirchen, parteien, verbände etc. bis in die schulen und kindergärten hinein ist ziemlich frei von einsicht und gewissen. wer aber das gegenteil, nämlich wahn und gewalt, vom olympischen feuereifer bis zur notwendigen wirtschaftsspionage, nicht bloß duldet, sondern zum obersten prinzip der gesellschaft (v)erklärt, muss im krieg enden.
kurz: nicht das offene wort des präsidenten ist der skandal; es offenbart vielmehr die skandalöse bewusstlosigkeit einer gesellschaft, die den rücksichtslosen kampf im alltag nicht wahrnimmt, der früher oder später den krieg gegen andere bevölkerungen und das bekenntnis dazu hervorbringt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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