Meinungsbildung

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hatte harold pinters nobelpreisrede entscheidenden einfluss auf die öffentliche meinung?

wenn die meinungsbildung funktionierte im sinne einer aufrichtigen suche nach der bestmöglichen lösung für ein problem, was walter lippmann in seiner klassischen schrift "Public Opinion" vor gut acht jahrzehnten schon bestritt, hätte der sterbenskranke harold pinter vor ein paar jahren nicht seine letzte kraft für die nobelpreisrede an die sterbenskranke menschheit einsetzen müssen.

pinters scharfe kritik an den regierenden in washington und london hatte keine spürbaren folgen, geschweige denn einen meinungsumschwung herbeigeführt, weil die meinungsmacher in den medien und den mächtigen verbänden immun sind gegen solche wahrheitsattacken, andernfalls hätte lippmann seinerzeit schon die us-gesellschaft zur einsicht gebracht.

allerdings ist ein wandel der öffentlichen meinung nicht völlig ausgeschlossen, selbst unter erschwerten bedingungen nicht. das beweisen die revolutionen, die in den jahrtausenden der staatlichen ära immer wieder stattfanden.

in krassem gegensatz zur absoluten bedeutungslosigkeit der einzelnen meinung(säußerung) wird in unserer gesellschaft geradezu ein kult der eigenen meinung gepflegt. nicht das gute argument gilt als wertvoll, vielmehr die rhetorische geschicklichkeit, die eigene meinung in diskussionen durchzusetzen. das hat nicht zufällig große ähnlichkeit mit der cleverness, ein bestimmtes produkt durch marketing gut zu verkaufen. die qualität der ware ist dabei nur ein mögliches element in der strategie.

wenn der slogan der marktmünzer "anything goes" lautet, ist es nicht marktkonform, die große freiheit mit auflagen einzuschränken. vernunft und gewissen sind auf dem markt der meinungen lediglich anbieter unter vielen anderen, oft entgegengesetzten positionen. das system markt hegt keine aufklärerischen absichten, im gegenteil. es setzt allein auf umsatz und wachstum. quantitäten.

reflexione galore schreibt in ihrem blog zum thema: "Schon in der Schule kam es mir immer mehr so vor, als sei die 'eigene Meinung' in Diskussionen wichtiger als das Verstehen der Themen selbst." damit zeigen die schüler/innen, dass die marktmentalität bei ihnen unbewusst, aber desto wirksamer angekommen ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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