nicht die dopingserien sind arg

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was auf ziemlich alten zeugnissen "leibesübung" hieß, umschreibt der duden, volkstümlich in der auffassung und amtlich im ton, als "körperliche Betätigung, die [im Wettkampf mit anderen] der Gesundheit u./od. dem Vergnügen dient".

dass die nationalmannschaften dem nationalprestige dienen und auch dem nationalgefühl, ist den machern des "großen Wörterbuchs" ebenso entgangen wie die tatsache, dass der profi-sport ein lukratives geschäft ist, dass spitzensportler ein höheres einkommen haben als spitzenpolitiker etc. kritik am sport ist unerwünscht; rainhard fendrichs hit "Es lebe der Sport" existiert nicht. dabei macht nicht nur der massensport fußball schlagzeilen wegen vereinspleiten, spielmanipulationen, spielerhandels mit sogenannten ablösesummen in millionenhöhe, vielmehr reißen die skandale um fast alle olympischen disziplinen nicht ab, besonders die medizinische nachhilfe, genannt doping, ist ein dauerlutscher der journaille.

meist bleibt der unmut an der oberfläche nach dem motto: der sport ist gut und gesund, nur gibt es ein paar schwarze schafe, die das schöne spiel verderben. die ähnlichkeit mancher veranstaltungen (wie etwa die wettkämpfe der radrennfahrer und boxer) mit den römischen spielen im colosseum, inszeniert um den massen roms ein vergnügen zu bieten und sie im doppelten sinn zu fesseln, ist kein thema.

montaigne nannte solche spiele (zu seiner zeit und in seinem milieu vor allem zweikämpfe im fechten) hirnlos und hart. es ist nicht schwer, sich vorzustellen, welchen spielen von heute der erste essayist dasselbe prädikat zumessen würde. marlene streeruwitz übernahm den job an seiner stelle und drückte dem klassischen theater den stempel "Kriegsvorbereitungsstätte" auf. die andere österreicherin, elfriede jellinek, widmete dem sport ein ganzes theaterstück, gar nicht klassisch; und doch herrscht einverständnis in der sache.

wenn die edlen griechen im alten hellas ihre olympischen spiele zu ehren des obergotts zeus feierten, ruhten angeblich für die dauer des fests alle kriegshandlungen. das will etwas heißen bei einem völkchen, das die sentenz hervorbrachte: aller dinge vater, aller dinge könig ist der krieg.

wenn man genauer hinsieht, waren die wettkämpfe in olympia archaische kriegshandlungen. speer- und diskuswerfen, faustkampf und ringen, wettrennen und weitsprung spielten in der phalanx der hopliten schon längst keine rolle mehr. doch auf kraft und geschicklichkeit, nicht zuletzt auf kämpferische haltung kam es noch immer an.

so war es kein zufall, dass die imperialistischen europäer im industriezeitalter sich auf die schönheit der olympischen spiele besannen, sie aus der versenkung hervorholten, entstaubten und glanzvoll wiederaufführten, nicht ohne die eine oder andre neuerung ins programm aufzunehmen wie etwa das schießen mit feuerwaffen.

angesichts dieser hehren tradition sollte sich niemand über die dopingserien im sport ereifern. nicht das doping ist der skandal. das fällt vielmehr in die rubrik der listenreichen tricks, die immer schon kriegsentscheidend waren. die "spiele" selbst sind der skandal. nicht die vorsätzliche körperverletzung beim boxen, nein, der gefeierte und großzügig geförderte sport als paramilitärische übung, oft genug hirnlos und hart, ist der skandal.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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