aus gegebenem anlass in der community hier schreib ich den blog über das wort und seine wucherungen, die noch stets (zäh wie plattgetretene kaugummis auf dem pflaster) an manchen schädelinnenwänden haften. ich schreibe das mit deutlich distanz zum wortgebrauch anzeigenden anführungsstrichen, versteht sich.
wie fragwürdig das lexem ist, haben die sogenannten väter des grundgesetzes noch nicht geahnt. sie waren mit der selbstverständlichkeit der vokabel aufgewachsen und wollten lediglich den rassismus verhindern, den sie nur zu gut kannten. ihre absicht ist ehrenwert, das ergebnis nicht.
denn nun steht das unwort im verfassungstext.
gut gemeint ist noch nicht wirklich gut, sagen selbst biologen inzwischen. es sei nichts als willkür, auf grund einiger (meist gut sichtbarer) biologischer merkmale die menschheit auf verschiedene schubladen zu verteilen. in wirklichkeit seien die unterschiede innerhalb einer sogenannten rasse nicht geringer als zwischen individuen innerhalb der gesamten menschheit. die ursache sei die genetische mischung seit anbeginn.
der rassenwahn ist auf dem mist des nationalismus gewachsen, sagen kritische historiker.
wenn us-amerikaner beim census offiziell gefragt werden, welcher rasse sie sich zugehörig fühlen, signalisiert das land damit die lebendigkeit (der tradition) des rassenwahns, wo es doch beinah in jeder größeren institution (wie schulen oder verwaltungen) möglich ist, sich sämtliche leute des hauses in einer langen reihe vorzustellen, von geringster bis zu stärkster pigmentierung nuanciert, um die versammelten sodann in die fiktive verlegenheit zu bringen zu entscheiden, wer im mittelfeld der reihe noch in die eine oder schon in die andere schublade gehört.
unabhängig vom urteil der biologen, historiker und anderer fragt der ethiker nach dem menschenbild, das dem biologismus, nationalismus und rassismus zugrunde liegt. wer sich selbst und sein gegenüber nicht zuerst und vor allem als teil der menschheit begreift, sondern nur als vertreter einer konkurrierenden gruppe, ist ein unmensch. umgekehrt verwirklicht die- oder derjenige die menschheit in sich in dem maß, wie sie oder er die erscheinungsformen von wahn und gewalt zurückweist und zurückdrängt.
die sogenannten väter des grundgesetzes haben die antidiskriminierende formulierung in GG Art 3(3) wie gesagt in guter absicht gewählt.
dass aber die inzwischen zu kritisierende vokabel noch immer nicht aus dem gesetz gestrichen ist, lässt zweifel an der geistigen und sprachlichen wachheit der heute politisch verantwortlichen aufkommen.
dass der duden die ganze wortfamilie des lemmas aus dem wörterbuch des unmenschen präsentiert, als lebten die nutzer des werks nicht heute, sondern vor 70 oder mehr jahren, ist auch nicht gerade ein ausweis zukunftsfähiger lexikographie.
die idee klar definierbarer und möglichst reiner rassen ist eine primitive vorstellung aus der zeit der entdeckungen, inspiriert von karnickel- und dackelzüchtern. die idee bekam auftrieb in der veröffentlichten meinung, weil sie geeignet war, die koloniale herrschaft der europäer zu legitimieren. vom sklavenhandel bis zur apartheid.
in deutschland, wo die kolonialzeit nur ein spätes und kurzes intermezzo war, diente der rassenwahn besonders der nazi-herrschaft mit ihrer aberwitzigen ideologie von einer nordischen herrenrasse. aberwitzig und lächerlich schon aus dem simplen grund, dass nicht nur der "Führer" so gar nicht ins bild der herrlichen herrenrasse passte.
der rassenwahn hatte eine wichtige funktion im klassenkampf. durch die propaganda der rassisten wurden die realen klassengegensätze verschleiert. das ziel war die romantisch unterfütterte volksgemeinschaft.
eine generation nach der nazi-herrschaft waren die rassistischen vorstellungen noch lange nicht aus den köpfen verschwunden. der neue duden, der wörter wie "Rassenhygiene" oder "Rassenforschung"dokumentiert, als wären es die selbstverständlichsten dinge der welt, ist bezeichnend für die trägheit der tradition.
Kommentare 4
@h.yuren
AUSGEZEICHNET !!!
Ein wenig sehe ich mich als "gegebener anlass in der community ..." (mein aktueller Thread über die "idiotischen Drei") und dies gibt mir die Gelegenheit folgendes zu klären:
Ich benutze niemals, wenn ich von Menschen rede/schreibe, das Wort "Rasse." Dass der Ausdruck "Rassismus" noch nicht adäquat ersetzt wurde, ist ein Dilemma, in dem auch ich mich gefangen sehe ...
Das Wort Rassismus finde ich recht nützlich. Man kann es ja auch benutzen, ohne das Wort Rasse zu gebrauchen. Vor allem habe ich bedenken, durch ein neues Wort den Akt des Rassismus weichzukochen. Das es nicht immer leicht ist, mit dem Wort umzugehen muss natürlich nicht sagen, erwähne es aber bevor mir jemand das um die Ohren haut.
Ein paar Alternative Worte sind mir eingefallen.
Wenn es um das Aussehen geht:
Morphismus
Wenn es um die Herkunft geht:
Genismus oder Originismus
Wenn es um die Religion geht:
Katholizismus
...ach ne, das letzte ist ja schon weg.
sorry, sexpower, dass ich eine so verfängliche formulierung gewählt habe. nein, du bzw. dein blog war/st nicht der anlass aus der community.
den gebrauch des wortes "rassismus" werte ich nicht so negativ wie das wort "rasse", weil die ablehnung beim ersteren eindeutig ist und das wort insofern einen sinn hat. nur die herleitung von "rasse" stört (mich).
die gemeinten melden sich nicht (bis jetzt). du kannst ganz beruhigt sein und hattest es ja auch nur "Ein wenig" für möglich gehalten. aber das wenige trifft auch nicht zu. ich habs überprüft und genehmigt, was in deinem blog steht.
merdeister, natürlich kannst du mit meiner ausdrücklichen erlaubnis das wort "Rassismus" fürderhin verwenden, brauchst nicht krampfhaft nach ersatz zu fahnden, denn es bezieht klar stellung gegen den unmenschlichen aberwitz. mir gefällt das wort bloß nicht, weil es eine ableitung von "Rasse" ist und sozusagen durch die hintertür den unhaltbaren begriff zulässt und konserviert.
passend ist meist in diesem kontext 'diskriminierung' zum beispiel, oder auch 'hetze' oder 'fremdenfeindlichkeit'/'xenophobie' usw. (das sind möglichkeiten ohne -ismus)