schließt die schulen!

wissen und gewissen. jean ziegler setzt im gespräch mit jacob augstein auf den "Aufstand des Gewissens". den gibt es tatsächlich, aber nicht als massenerhebung, sondern allenfalls singulär.

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das schul-, ach, sagen wir besser: bildungswesen hierzulande hat in der welt nicht den schlechtesten ruf, wenn auch die pisa-studien keine spitzenposition beweisen. nur, weder die bundesdeutschen noch die internazionalen vergleichswerte sind durch die historische aufklärung gegangen, verharren vielmehr auf einem missverständnis. aufklärung wurde und wird großenteils bis heute als wissensmehrung begriffen. so halten es die kultusbürokraten mit dem abfragbaren, dem vermittelbaren wissen. das wird in prüfungen getestet.

nun gibt es seit jahrzehnten die idee, dass ein biolehrer den schülern sein wissen über fauna und flora geben soll wie gehabt, doch ein versager ist, wenn er nicht zugleich seinen schülern eine positive einstellung zum tier, zur pflanze gibt. kurz, gegenstand und ziel des unterrichts sei nicht bloß das buchwissen, sondern die verantwortung für das lebewesen. falls dieses zusätzliche unterrichtsziel nicht erreicht werde, dürfe der lehrer gar nicht anfangen, dürfe schule nicht stattfinden, weil das tote wissen über die tiere diese am ende quäle und töte.

da nun aber kein zweifel bestehen kann am versagen des systems schule und bildung in dieser hinsicht, weil der massenbetrieb schon - der nach comenius' vorstellung mechanisch wie ein brotofen in einem backvorgang möglichst viele brote garen soll - den nahen umgang und ein gefühl für das lebende wesen verhindert, ist schule in der überlieferten form verboten. denn sie erzieht nur nützliche idioten, die dem tier und der pflanze, kurz, dem leben gegenüber keine skrupel kennen.

was am beispiel biologie besonders einleuchten müsste, gilt generell. alle fächer und lehrpläne missachten den grundsatz der ethischen handlungsorientierten lektion. in den fächern erdkunde oder chemie ist es zum teil auch die ehrfurcht vor dem leben, bedeutender aber die ökologische einstellung und verpflichtung der lernenden, die gelernt sein will. erst auf der grundlage der ethisch verankerten lerninhalte ist dann auch mathematik und physik möglich.

da bis jetzt keine methode bekannt ist, wie im einzelfach die gewissensbildung zu praktizieren wäre, müssen alle kultusminister und schulpolitiker erst einmal nachsitzen. der ethikunterricht muss aus seiner sonderstellung geholt werden, indem das lernziel ethik auf alle lerninhalte im kanon ausgedehnt wird. bildungsforschung muss für alle lehrenden die praktischen erkenntnisse so schnell wie möglich zur verfügung stellen.

was für den schulalltag der heranwachsenden ganz neu sein wird, muss aber auch den wissenschaftsbetrieb der hochschulen verändern. die voraussetzungslose wertfreie wissenschaft war schon immer triefend ideologisch und fragwürdig. ebenso die zu recht kritisierte fachidiotie der reinen experten. sachverstand dient der menschheit, nicht bloß einem auftraggeber. im zweifelsfall hat eben die menschheit vorrang vor allen anderen interessenten. das steht im gegensatz zur nazionalen bildungswesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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