"Schutztruppe"

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

seit einigen jahren ist in den nachrichten mit schöner regelmäßigkeit vom einsatz der bundeswehr als «Schutztruppe» die rede. das schutz verheißende wort wird gebraucht, als wäre sein sinn klar und unbedenklich, eben nur gutes deutsch im gegensatz zu isaf und ähnlichen kürzeln.
dabei unterstellen die macher der meldung dem publikum ein unterentwickeltes sprach- und geschichtsbewusstsein. oder aber (was die sache nicht besser macht) sie verraten ihr eigenes defizit; andernfalls würden sie die deutschen soldaten «out of area» in afghanistan, im zerschlagenen jugoslawien oder anderswo als imperialistische kolonialtruppe denunzieren; denn schutztruppe ist ja kein neues wort; es war zu kaisers zeiten die schönfärberische bezeichnung jener uniformierten, die in den deutschen "Schutzgebieten", sprich: kolonien, für preußische ordnung sorgten, besonders gründlich beim herero-aufstand in deutsch-südwest, heute namibia.
die nazis nannten in der nämlichen sprachtradition ihre schutzgebiete in ost-europa latinisiert «Protektorate» und ihre speziellen einsatzkräfte «Schutzstaffeln», besser bekannt in der kurzform «SS».
dudens nannten und nennen das lemma schutztruppe noch «historisch»:
"(hist.) Kolonialtruppe in den deutschen Schutzgebieten."

merke: die produktivität von "schutz"-wörtern ist verräterisch; sie markieren tabuzonen, sollen in sicherheit wiegen, wo gefahr droht. vom naturschutz hören wir seit hundert jahren, sogar vom luftschutz war/ist die rede, das neueste beispiel aus der schutzwortkiste ist der klimaschutz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden