Small is beautiful

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leider ist der buchtitel des britischen ökonomen e.f. schumacher völlig in vergessenheit geraten. in den 70er jahren wurde die wirtschaftsstudie international übersetzt und diskutiert und "Small is beautiful" zum geflügelten wort.
dass die generation der jungen bwler heute nichts mehr anfangen könnte mit schumachers gedanken, wenn sie irgendwo noch etwas davon gehört hätten, versteht sich in einer gesellschaft, die dem wachstumswahn verfallen ist. dass der gegen den strom schwimmende möglichst rasch in der versenkung verschwinden musste, machen schon wenige worte des falschen propheten deutlich, etwa dieser satz aus seinem buch: "Die wirklich hilfreichen Taten kommen nicht vom Sitz der Regierung; sie lassen sich nicht von großen Organisationen durchführen; Leute aus der Bevölkerung aber können sie tun."

zur unentbehrlichen atomwirtschaft, die ja bekanntlich auch nicht gerade kleckert mit milliönchen, sondern klotzt mit milliarden, hatte der autor eine denkbar unzeitgemäße einstellung. so schrieb er zum wunden punkt der hypothetischen endlager: "Aber was heißt sichere Lagerung bei der ungeheuren Menge an radioaktivem Abfall, der von Kernreaktoren erzeugt wird? Von keiner Stelle auf der Erde läßt sich nachweisen, daß sie sicher ist."

und schließlich zur massentierhaltung, gleichfalls keine kleinigkeit, befand schumacher: "Es hat weder in unserer noch in irgendeiner anderen Kultur Aufgeklärte oder Heilige gegeben, die Tieren gegenüber grausam waren oder die sie lediglich als Gebrauchsgüter ansahen."
der moderne mensch mache aus den tieren maschinen.

heute ist es kaum zu verstehen, dass der brite mal ein wirtschaftsmanager war. aber allmählich, schritt für schritt, müssen wir die vergessene lektion lernen, und zwar durch die erfahrung des scheiterns der großkotzigkeit.
die leute von lehmann brothers und viele andere im bankgeschäft haben ihr lehrgeld zum teil schon gezahlt. ebenso die menschen bei general motors, vormals weltgrößter autobauer. hierzulande sind die opelaner nicht die einzigen betroffenen.

was es heißt, einem immobilienhai in den rachen zu rutschen, spüren z.b. tausende mieter tagtäglich, weil die verwalter und erst recht die eigentümer der wohnungen nicht mehr ansprechbar bzw. überhaupt nicht identifizierbar sind.
menschen, die in australien in einen fonds eingezahlt haben, von dem sie nun eine rente beziehen, wissen nichts von überfälligen reparaturen an den immobilien in europa, die der rentenfonds hier als kapitalanlage en gros gekauft hat. die distanzen im globalisierten geschäft machen die einzahler auf dem anderen kontinent unerreichbar für die sorgen und nöte der mieter hier. die wohnblocks verkommen. kapital wird vernichtet, weil das finanziell global konstruierte mietmodell fühllos ist wie ein leprakranker, dessen nerventaubes gewebe zum absterben verurteilt ist.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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