den abgefahrenen zug kann man z.b. im niederländischen und im englischen beobachten. wo es im konservativen deutsch noch (fast) vier fälle gibt, wenn der artikel einbezogen wird, etwa der baum, des baum(e)s, dem baum(e), den baum, heißt es im niederländischen: de boom, (van) de boom, (naar) de boom, de boom und im englischen: the tree, (of) the tree, (to) the tree, the tree.
die verfallenden fälle sorgen für unsicherheiten bei vielen sprechern. wenn die dialekte wie im niederdeutschen auch keine deklination nach altem muster mehr kennen, ist die unsicherheit noch größer. dann hört man statt des ursprünglich allein richtigen "wegen seiner" nun "wegen ihm" oder "seinetwegen". und das ist längst dudenkonform.
für den linguisten gibt es im gegensatz zum deutschlehrer keine fehler, sondern nur unterschiedlichen gebrauch. wissenschaftler versuchen, das gefühl nicht mitsprechen zu lassen. das wird gern missverstanden im sinne von "anything goes". wenn ich aber neuerdings immer öfter höre und lese, dass der präposition 'entgegen' ein genitiv folgt, der eigentlich nach 'wegen' kommen sollte, hingegen 'entgegen' den dativ nach sich zieht, wehrt sich das sprachgefühl (noch).
wenn es noch mehr menschen gibt, die mit alten ohren hören, dann wäre es ein gewinn, wenigstens nach 'entgegen' den dativ zu retten, wo der genitiv nach 'wegen' schon so gut wie passé ist.
Kommentare 10
"die verfallenden fälle sorgen für unsicherheiten bei vielen sprechern," dem kann ich nur beipflichten, lieber h. yuren... da war doch noch was, murmelt dumpf die Erinnerung ;-))
Gut aufgespießt!
LG
archie
diesen effekt nennt man übrigens "sprachökonomie"...
...und noch ein Bereich, der den Gesetzen des Marktes Untertan gemacht wird...
Vier Sprachbeispiele aus dem realen Leben der Südpfalz:
Karl sein Messer ist stumpf.
Der Frau seine Halskette ist verloren gegangen.
Dem Mann sein Mantel hat ein Loch.
Das Fahrrad ist mir.
danke, lieber archie, für den spießer-orden;-)
lieber andreas,
welchen effekt meinst du?
lieber doimlinque,
kennst du einen bereich, der nicht dem markt unterworfen ist?
lieber achtermann,
die sprachbeispiele aus der südpfalz hören sich in zentralwestfalen sehr ähnlich an, wenn man unters volk gerät.
Touché, lieber h.yuren, am Ende kann man natürlich immer und überall die 'unsichtbare Hand' im Nacken ausmachen. Nur ist das gleichzeitig doch ein Grund mehr, dem nicht immer und überall nachzugeben.
wenns nur die gesetze des marktes wären, lieber doimlinque...
nicht zu trennen von denen sind die gesetze der herrschaft seit mehreren tausend jahren. das ende des katarakts ist sichtbar, ist spürbar, ist unleugbar. aber wie in den wirbelnden wassern gibt es hier und da auch relativ ruhige partien, wo mensch sich wie ein fisch im wasser fühlen kann.
groetjes, h