mal wieder sind zwei institutionen in die kritik geraten: die bundeswehr unf die katholische kirche. nicht eben zwei unbeschriebene blätter.
was johan galtung noch sehr neutral als strukturelle gewalt in sozialwissenschaftliche begriffe fasste, bedeutet in wirklichkeit meist unauffällige gewalt gegen mitglieder einer solchen institution und nach außen, aber dann auch in unschöner regelmäßigkeit der nicht mehr zu vertuschende ausbruch der gewalt, der die öffentlichkeit beschäftigt und verstört wie jetzt die begrüßungsrituale bei der bundeswehr in bayern und anderswo sowie der sexuelle missbrauch an jugendlichen in katholischen bildungs- und erziehungsanstalten durch jesuiten.
das abscheuliche dieser "vorfälle" (stets sind die um schadensbegrenzung bemühten vertreter der beiden institutionen eilends dabei, die "vorkommnisse" als einzelfälle und ausnahme-erscheinungen hinzustellen) ist die offensichtliche diskrepanz zwischen dem schutzversprechen der bundeswehr und dem heilsversprechen der alleinseligmachenden katholischen kirche.
wenn aber wie in diesen apparaten die zufälle sich als wahrscheinlichkeit gravierender verfehlungen entpuppen durch die nicht zu leugnende wiederholung durch die jahrzehnte hin, dann begreifen wir erst richtig, was strukturelle gewalt heißt. dann begreifen wir schließlich, dass die fratze der gewalt und die fratze des wahns regelmäßig zum vorschein kommen müssen, wenn nämlich die maskierung und das verschweigen nicht mehr den schein der heiligkeit bzw. nützlichkeit wahren können.
das weltgewissen braucht diese beweise der kriminellen energie nicht. es weiß, dass krieg das größtmögliche verbrechen ist und dass kriegsvorbereitungen entsprechend zu bewerten sind. es weiß auch mit schiller, dass der schrecklichste der schrecken der mensch in seinem wahn ist.
militär und katholische kirche sind jahrtausendealte einrichtungen, die durch die unvorstellbar lange zeit ihres bestehens nicht "altehrwürdig" geworden sind - eine entsetzliche vokabel, ein unwort -, sondern unzeitgemäß, und das beweisen sie jeden tag. aber die tradition ist der inbegriff von zähigkeit, und die traditionalisten sind bereit, die zukunft und das leben für die vergangenheit und das tote zu opfern.
die öffentlichkeit reagiert mit entsetzen auf einzelne enthüllungen, ohne die grundsätzliche fragwürdigkeit der institutionen zu erkennen und die notwendigen konsequenzen zu ziehen. das ist zumindest fahrlässig, wenn nicht durch medienmanipulation an der oberfläche ansehnlich gehalten, bis es kein halten mehr gibt.
Kommentare 8
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Zollitsch, hat sich ja "entschuldigt". Von Schadensersatz an die Opfer war dabei nicht die Rede. Kindern sagt man immer, eine Entschuldigung ist nur was wert, wenn anschließend auch Konsequenzen gezogen werden und sich im Verhalten was ändert. Das macht die katholische Kirche nicht, sie bittet nur diffus um Vergebung und behält ihren alten Trott.
Und auch das "altehrwürdige" Militär verursacht (um mal das Wortungetüm von Josckka Fischer zu nennen) "Kollateralschäden". Ups... ist aus Versehen passiert.
Derlei "Entschuldigungen" kann man in der Pfeife rauchen. Sie sind nichts wert.
militär und katholische kirche sind und waren immer schon (Teil von) Macht und Gewalt, stets überschminkt, aber ab und an kommen doch nackte Tatsachen unter dem Lack zum Vorschein.
hallo hermanitou, weiß nicht, ob die medien das falsch wiedergaben. danach "entschuldigte sich" zollitsch, statt um entschuldigung zu bitten.
"kollateralschaden" ist hier das passende unwort.
"Macht und Gewalt" sind ein ebenso unzertrennliches paar wie wahn und gewalt. und beide paare sind wieder ganz nahe verwandte.
Ich denke, die Menschen erfahren beide Institutionen auch als Macht und Gewalt, aber eben auch als gegeben, weil systemisch der Veränderungswille ausgetrieben wird. Die Institutionen sind eben unzeitgemäß, weil sie Veränderung verhindern. Bei den ominösen "Einzelverfehlungen" gibt es dann eben die Empörung, die zum System des Weitermachens gehört. Punktuelle Empörung ist bloß die Reinigung des Drecks. Ein Paradoxon. In dem "wir" aber leben.
" ... weil systemisch der Veränderungswille ausgetrieben wird."
so ist es wohl, lieber rainer. ein bisschen kabarett, ein paar sarkastische bemerkungen, auch punktuell scharfe kritik.
das ist nicht mehr als der sand, der laut älterer redeweise den magen scheuert. und schon ist alles gegessen.
Ja, ich empfinde das auch so: bin ein Liebhaber des politischen Kabaretts, der scharfen Satire, und doch denke ich beim "Kunstgenuß", daß selbst solche Kritik Ablenkung ist vom Wesentlichen. Selbst die Kritik wird in unterhaltende Kulturindustrie verformt. Mir fällt gerade der Leo Löwenthal ein: "Mitmachen wollte ich nie". Das ganze Dilemma da eingeschlossen in Wahrheit.
in den 70ern machte ich ne zs, die aqua regia hieß, weil das zeug so scharf ist, dass es selbst gold zu zersetzen vermag. symbolische spiele wie fähnchen. ohne kräftigen wind of change geschieht nix.
andrerseits hat sich in unserer zeit so viel verändert wie selten zuvor. warte, warte nur ein weilchen ...