Zeitzeichen.

nazionaler lautsprecher ich kenne jemanden, der im auto manchmal das radio kurz einschaltet, um zu hören, wie spät es ist. auf die zeitzeichen im radio könne man sich noch verlassen, meint er.

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allerdings auch nur dann, wenn man die irrsinnige verdrehung der sogenannten sommerzeit einkalkuliere und rückgängig mache.

neulich hörte ich per zufall die sendung "Andruck" im dlf. eine sendung über neue politische bücher. zuerst wurde "Die Moral des Krieges" besprochen. so lautet der titel des ersten buches in der sendung. aus der überfülle der neuerscheinungen griff die rezensentin dieses heraus und besprach es an erster stelle. der autor des vorgestellten buchs war sich nicht zu schade, im kontext seiner apologie des kriegs von "aufgeklärtem pazifismus" zu schwadronieren.

nun, dass jemand die althergebrachte idee des gerechten kriegs, bellum iustum, ausgräbt und versucht, sie als etwas ganz neues zu präsentieren, ist nichts ungewöhnliches. der buchmarkt gibt für jeden geschmack und jede geschmacklosigkeit alles her. dass im dlf aber dieser titel herausgegriffen wird, um ihn dem publikum als lesenswert zu empfehlen, ist kein zufall. das natoland brd ist wie alle anderen mitglieder der militärischen organisation aus der zeit des kalten krieges gehalten, verstärkt aufzurüsten. feinde, die nach dem ende der sowjetunion verschwunden waren, gibt es inzwischen endlich wieder mehr als genug.

im kontext der neuen und alten feindbilder ist die verteidigung der kriegsführung und aufrüstung zeitgemäß. dieser buchtitel über die moral des krieges ist erwünscht. es ist bezeichnend für die politische konstellation, dass der landesweite sender der brd so einen titel aus der fülle des buchmarktes auswählt und so für ihn wirbt.

gleiches gilt für das zweite buch in der sendung "Andruck". es ist dem phänomen der verräter gewidmet, von judas bis zu snowden. schon im titel wird klar, dass sich der autor dieses buchs die sicht der us-regierung zu eigen macht, indem er den whistleblower der us-geheimdienste zum verräter abstempelt. dass aber der verrat von staatsgeheimnissen aus der perspektive der regierenden ein verrat und verbrechen ist, nicht aber im urteil des globalen ethos, ist dem schreiber und der rezensentin keine überlegung wert. das urteil des imperiums soll verbindlich sein.

das ist die parteiische ansicht eines autors, den der dlf in seiner sendung würdigt. wohlgemerkt, gleich an zweiter stelle nach dem schrillen titel über die moral des krieges. das vorgehen der dlf-redaktion ist alles andere als zufällig. was für die auswahl des ersten buchtitels gilt, hat auch die wahl des zweiten bestimmt. hier bekennt sich der sender klar zum sprachrohr der kriegspropagandisten.

die zuhörerschaft des senders soll endlich begreifen, dass ein "aufgeklärter Pazifist" für den krieg eintritt, das heißt, für aufrüstung und feindbildpflege. es ist auch natürlich alles andere als zufall, dass gerade aufgerüstet und aufmarschiert wird. zwei generationen nach dem mörderischsten krieg in europa genügen offenbar, es doch noch ein letztes mal zu versuchen. die urenkel der soldaten damals kennen nur noch star wars und ähnliche tv-kriege. sie wissen nicht, was krieg heute für folgen hätte.

das ist der boden, auf dem der reine wahnsinn wieder sein haupt erheben kann. ganz offiziell und landesweit, wenn auch gegen die verfassung. dass eine kriegsgesellschaft sich eine welt ohne krieg nicht auf dauer vorzustellen vermag, ist irgendwie pleonastisch. es ist lediglich eine fage der zeit, wie kant in seinem buch "Zum ewigen Frieden" schon schrieb, bis der nächste einberufungs- und marschbefehl ergeht und die propagandistisch eingelullten uniformierten gehorchen.

dass es solche bücher gibt, ist wie gesagt nichts besonderes auf dem unkontrollierten markt, dass aber der zentrale sender solche titel herausgreift und einer besprechung für wert hält, verrät die stunde der rückwärtsrepublik.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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