zwei zeitalter der aufklärung.

das alte und das neue. aus schulgeschichtsbüchern kennt man die schublade "das Zeitalter der Aufklärung". im engeren sinn ist damit das 18. jh. gemeint. das zentrum der bewegung lag in paris.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

frankreich, das mächtigste königreich in europa, hatte den höhepunkt seiner macht überschritten, wirkte aber weiterhin als leuchtendes vorbild, nicht nur im herrschaftsstil. in den vornehmen kreisen parlierte man in europa bis moskau französisch, wie man heute weltweit selbstverständlich englisch spricht.

jean meslier, der arme dorfpriester in den ardennen, hatte noch vergeblich gegen den lokalen grundherren und seine komplizen in der kirche aufbegehrt, aber dann auch seinen frust über die schattigen verhältnisse im reich des roi soleil schriftlich festgehalten.

sein "zeugnis der wahrheit" war der generation der lumières in paris dann bekannt, als voltaire es als verkürzte version insgeheim herausgebracht hatte. das komplette manuskript von 1000 seiten ließ er im kreis der lumières kursieren. voltaire nutzte den text hauptsächlich als waffe gegen die kirche.

im analphabetischen frankreich stand die katholische kirche fest an der seite der absoluten herrschaft. der kreis der aufklärer war stets bedroht von der zensur. dass bücher verbrannt wurden, war ganz normal. autoren schützten ihre person vor schaden durch pseudonyme.

jetzt, im neuen zeitalter der aufklärung, leben herrschaftskritische autoren einerseits persönlich nicht so gefährdet, andrerseits sind die geheimdienste technisch so perfekt ausgerüstet, dass nichts und niemand durchginge, wenn nicht menschliches versagen eine größere rolle spielte.

herrschaft stützt sich nicht mehr auf kanzelworte, sondern auf die massenmedien, deren einfluss aufs öffentliche bewusstsein nicht zu überschätzen ist. die neuen aufklärer heute haben keine konzerne als start- und landebahn mehr, sondern das world wide web. und sie klären nicht auf über das eiapopeia vom himmel wie noch nietzsche, sondern über propaganda und kriegstreiberei.

der hegemon ist längst nicht mehr ein europäischer kleinstaat wie frankreich oder britannien, sondern die usa. und der encyclopédie des herausgebers diderot steht jetzt das internet gegenüber, das selbst nicht als trojanisches pferd daherkommt wie vormals die encyclopédie, aber eine ganze herde trojanischer pferde transportiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden