Bye bye Jörg Drews

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Im Alter von 70 Jahren ist gestern in Bielefeld der Germanist und Autor Jörg Drews an einem Herzversagen gestorben. Er war auch Vorsitzender der Seume-Gesellschaft und in dieser Eigenschaft hielt er im Oktober 2003 in Grimma einen Vortrag über die unfreiwillige Reise des Korporals Seume nach Nordamerika. Drews war vorher selbst in Halifax gewesen, hatte in Archiven geforscht, Regimentskirche, Kasematten und Hafeneinfahrt fotografiert usw.
Im Mai 2005 reisten wir gemeinsam durchs Baltikum: zu einer Seume-Tagung und Ausstellung in der lettischen Universitätsbibliothek Riga, dann mit dem Bus zu einer Tagung über Carl Gustav Jochmann im estnischen Pernau. Danach hielt der Seume-Verein in Tartu (Dorpat) eine Mitgliederversammlung ab. Auch hier gab es Vorträge zu Seume und den anderen "Spätaufklärern". Die Beiträge aus Grimma und dem Baltikum sind später in dem Band "In Polen, Palermo und St. Petersburg" erschienen, Herausgeber war Jörg Drews. Seine "hyperkritische" Herangehensweise an die Dichter-Persönlichkeiten und ihre Schwächen fand ich dann doch ein wenig zu distanzlos - der Koch gehört nicht mit in die Suppe! Was aber tun bei Dichtern wie Seume und Schmidt, die sich mit Leidenschaft selbst ins Risotto geschnetzelt hatten? Da musste man als Literaturwissenschaftler doch noch eins drauf setzen, allein schon aus Erkenntnisgründen? Drews schaute einen dann so fragend mit schräg gestelltem Kopf an, dass man unweigerlich in sich ging.
Auch auf den Mitgliederversammlungen des Seume-Vereins 2005 in Halberstadt und 2007 in Oßmannstedt wurde die harte Linie fortgesetzt, literarische Heimattümler und Sonntagsredner hatten nichts zu lachen. Und doch war Drews inmitten der rechthaberischen und zänkischen LiteraturfreundInnen eine Art ruhender Pol. Seine Definition einer republikanischen Literatur leuchtet ein, ihre Ziele sind immer noch nicht erreicht. Das Bürgertum hats verkackt, hat sich weltweit der neoliberalen Tyrannei unterworfen, die Medien sind gnadenloser denn je durchherrscht von den Sch...-Millionären mit ihren marktradikalen Dreigroschenjungen und -mädels. Es folgt nun endlich: die bürgerliche Revolution - und Drews hat es gewusst!

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Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

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