Chinatage in Leipzig

Völkerverständigung Das Leipziger Konfuzius-Institut veranstaltet z. Z. Chinatage in der Pleißestadt. Am Mittwoch gab es eine Podiumsdiskussion in der Deutschen Bücherei:

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“Posten, publizieren, profitieren? Online-Publishing in China”.

“Lange blieb uns das Schriftgut Chinas verborgen”, heißt es im Programmtext. “Durch das Internet und findige Geschäftsmodelle wird nun ein neues Kapitel aufgeschlagen”. Was drinsteht in dem neuen Kapitel? Das verrate ich natürlich nicht kostenlos.

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Jedenfalls gleichen sich die Verhältnisse immer mehr an, es gibt ein Urheberrecht in China und es funktioniert auch einigermaßen. Die nichtkommerzielle Schonsphäre reicht weit, auch in China muss sich die Balace zwischen Freiheit und Verwertung immer wieder neu herstellen. Wer etwas einnimmt, findet das Copyright gut, wer zahlen soll, empfindet es als von Übel. Internet-Firmen machen Blogs zu Büchern und zahlen auch nicht schlecht dafür. Beim wissenschaftlichen Publizieren wird nichts verdient, aber die Autoren sind zumeist Angestellte. Wissenschaftliche Publikationen im Westen brauchen die Förderung des Staates, weil westliche Verlage die Hand aufhalten.

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In der Belletristik ist das traditionelle Verlagswesen gut entwickelt, offiziell gedruckte Bücher finden sich oft auch als Raubdrucke im Straßenhandel, Sonderwünsche werden als “hired copy” erfüllt. Zahlreiche Literaturzeitschriften pflegen Kurzformen und Theorie auch von unbekannten Autoren. Dissidente Literatur gibt es nur in Untergrund-Strukturen. Im Internet passen etwa eine Million Internet-Polizisten auf, dass nichts “anbrennt”. Das geschieht nach dem auch bei uns gebräuchlichen Grundsatz: das System hat immer Recht, der Einzelne hat immer Unrecht. Im Netz steht Dissidentes durchschnittlich 20 Minuten, wird aber trotzdem wahrgenommen und gespeichert. Weit verbreitet ist der Offline-Austausch per mobiler Festplatten und Speichersticks, hauptsächlich von Filmen, Musik und Spielen, aber auch von Lesbarem. Ebooks werden zumeist auf Apple-Pads oder Laptops gelesen.

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Schneller als bei uns müssen sich die Bibliotheken “neu erfinden”. Die Australierin Lucy Montgomery stellte mit der Plattform Knowledgeunlatched ein neues Modell für Lehrbücher vor, das auch in China funktionieren könnte – kostenlos, aber nicht umsonst. Es bleibt die hohe Sprachbarriere …

Am Donnerstag habe ich mir das Tagesgericht im Plagwitzer “Chinabrenner” gegönnt. Dort sitzen keine Brenner, eher smarte business-people aus dem benachbarten Gründer-Ghetto. Mittags gibt es nur das eine Tagesgericht für etwa 5,- € und die kreative Atmosphäre einer Garküche, die einem längst geschlossenen Etablissement im zentralchinesischen Chengdu nachempfunden ist. Gegen 14.00 Uhr startete der performative Stadtspaziergang von Diana Wesser und Wu Meng:

“Can two streets merge into one?”

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Hier werden brennende Gedenk-Kerzen am Karl-Heine-Kanal auf ihre Reise geschickt. Diana Wesser und Wu Meng haben sich zunächst nur Fotos per E-Mail geschickt. Dann wurde ein Expo-Projekt daraus, das nun in künstlerischen Streifzügen durch Leipzig und Shanghai seine Fortsetzung findet. Es geht um Öffentliches und Privates, Klischees und den städtischen Raum, der allen gehört.

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Chinesisches Straßenleben wurde imitiert, Wäsche aufgehängt, Fotos in der Landschaft verteilt, Entspannungsübungen absolviert, rückwärts gelaufen, Sichtachsen entdeckt, Passanten erschreckt und Hunde zum Mitmachen animiert. Ja hübsch, das ist eben Kunst, begünstigt durch den Drang der Plagwitzer, alte Möbel und Teppiche einfach in die Landschaft zu werfen. Sogar chinesischsprachige Grafitti wurden entdeckt, nicht von den Künstlerinnen angefertigt.

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Die Leipziger Chinatage gehen noch bis zum Sonntag weiter und sind sehr zu empfehlen.http://hallespektrum.de/winke/files/2012/09/plag7.jpg

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Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

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