Die wunderbare Welt der Ome

Forschungsförderung Die Integrative Biologie ist eine rasant wachsende und an sich verdienstvolle Forschungsrichtung, nur leistet sie sich einige Auswüchse.

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"Das Puzzle der Ome" überschrieb Monya Baker ihren Artikel in der angesehenen Fachzeitschrift "Nature". Wo es einst nur das Genom gab, existieren heute tausende "-ome". Aber nicht nur in der "Nature" findet man das lustig, auch "New York Times" und "Wall Street Journal" versuchten im letzten Jahr den Sinn der ständig wachsenden Zahl wissenschaftlicher Begriffe zu ergründen, die auf "-om" enden. Und inzwischen existieren davon Tausende.

http://www.nature.com/nature/journal/v494/n7438/images/cover_nature.jpg

Dabei fing alles ganz klein und plausibel an: den Startschuss gab Hans Winkler um 1920, als er den Begriff Genom für einen Chromosomensatz in die Botanik einführte. Auch damals gab es schon andere "Ome", wie das Biom (Sammlung von lebenden Dingen) und das Rhizom (Wurzelsystem). Die griechische Endung "-om" besagt nur, dass etwas ähnlich ist zu einem Bezugssystem, etwa das Rhizom als das Wurzelförmige.

Die Inflation der -"ome" kam mit dem milliardenschweren Humangenomprojekt. Die Forscher erkannten das Marketingpotenzial dieser inspirierenden Nachsilbe, meint der Mikrobiologe Jonathan Eisen von der University of California: "Sie betrachten es als eigenes Forschungsfeld, das eine eigene Finanzierungsquelle braucht." Dabei entstehen dann Begriffe wie Phänom oder Integrom. So manche Omik-Projekte, wie die "Museomik" (Sequenzierungsprojekt archivierter Proben) oder die nicht ganz ernst gemeinte "Ciliomik" (Analyse der gekringelten, haarähnlichen Anhänge mancher Zellen) werden bereits bespöttelt.
Allgemein anerkannt sind neben der Genomik auch die Metabolomik für die Beziehungen der Stoffwechselprodukte und die Proteomik der Eiweiße. Die Systeomik als Lehre von den Wirkungsgefügen muss schon um ihre Anerkennung ringen. Die Transkriptomik beschäftigt sich mehr oder weniger losgelöst mit dem Transkriptom, also der mRNA, die Glykomik will die wohlschmeckende Welt der Zuckerverbindungen erhellen, die Fluxomik definiert ein Fluxom, was alle katalysierten Stoffumsetzungen und ihre Geschwindigkeiten meint. Die Interaktomik schließlich will die Interaktionen sämtlicher Moleküle in ihr Schema pressen.
Ein Forscher hat mittlerweile einen "Badomics"-Generator ins Internet gestellt, der die Endung wahllos an Begriffe aus der Biologie hängt, und damit erschreckend plausible Titel für wissenschaftliche Papers erschafft, wie etwa: "Die Sequenzierung des Bacteriostaticoms gewährt Einblicke in Evolution und Umwelt". Der Mikrobiologe Jonathan Eisen vergibt in seinem Blog regelmäßig Preise für überflüssige neue Begriffe aus der Forschung. Neuster Gewinner ist die Circadiomik für die am zirkadianen Rhythmus beteiligten Gene.
Monya Baker sieht es inzwischen vulgärdarwinistisch, einige der "Omiks" seinen schon sinnvoll: die Mehrzahl werde nichts bringen, einige aber schon. Die müssten sich eben durchbeißen bis zu den großen Fleischtöpfen der Forschungsförderung.

Monya Baker. Big biology: The 'omes puzzle. Nature. 2013 Feb 28; 494 (7438): 416-9.

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Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

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