Doppelkehre Marsch-Marsch!

Die stramm rechte Öko-Zeitschrift "Umwelt & Aktiv" hatte im Februar 2020 nach 12 Jahren ihr Erscheinen einstellte. Herausgegeben vom NPD-nahen Verein "Midgard e. V." und in mehreren Verfassungsschutz-Berichten erwähnt, war deren Verortung wohl zu eindeutig.

Im Mai 2020 erschien nun im Oikos-Verlag UG Dresden die erste Ausgabe der „Kehre“. Faktisch ist sie dem Umfeld des Schnellrodaer "Instituts für Staatspolitik" zuzuordnen. Chefredakteur Jonas Schick ist Mitarbeiter des Bremer AfD-Abgeordneten Frank Magnitz (der mit dem Kantholz) und regelmäßiger Autor der "Sezession" des Götz Kubitschek.

Griffig

Das neue Heft liegt gut in der Hand: Format A 4, durchgängig farbig auf mattweißem Recyclingpapier, angenehmes und hinreichend großes Schriftbild, markante Fotos, 62 Seiten. Der Titel "Kehre" bezieht sich auf Martin Heideggers „Die Technik und die Kehre“. Sonderlich philosophisch wird es aber nicht, eher agitatorisch.

Nach Editorial und Kurzmeldungen macht Michael Beleites den Anfang: später DDR-Wenderecke, langjähriger Herr über die sächsischen Stasi-Akten, jetzt fleißiger Autor in Schnellroda. "Die menschengemachte Überhitzung" heißt sein Text. Er reduziert den vielschichtigen Konflikt um die globale Erwärmung auf eine Bekenntnisfrage: "Glaubst Du, dass der CO2-Anstieg in der Atmosphäremenschengemacht ist?", um dann sofort glasklare "feindlich-negative Kräfte" auszumachen.

Das stimmt spätestens seit Vahrenholt und Lüning nicht mehr, wo die Frage nach den Anteilen der einzelnen Einflussgrößen auf das Klimageschehen mittlerweile recht gesittet geführt wird. Was Beleites nicht stört, als Gauck-gestählter Ideologe braucht er ein eindeutiges Feindbild, auf das er mit der großen Kasperkeule einschlagen kann.

Auf dem Bau nichts neues

Ein altes rechtspopulistisches Narrativ umkreist der Architekt Jörg Dittus, der Klimaschutz und Naturschutz antithetisch gegenüberstellt, um dann den Klimaschutz für vernachlässigbar zu erklären.

Kulturkritisch stellt Jonas Schick anhand eindrucksvoller Fotos aus der mitteldeutschen Industrieregion Landschaftsvernutzung alt und Landschaftsvernutzung neu gegenüber. Am Ende formuliert er sogar die richtige Frage nach dem Ausstieg aus der Hochenergie-Gesellschaft, ohne gleich lowtec- mäßig in die Strohhütte zu ziehen.

Die pensionierte Fremdsprachensekretärin Lotti Bergmann huldigt wieder völlig unkritisch dem rechtspopulistischen Narrativ Naturschutz gegen Klimaschutz: geschredderte Mäusebussarde, taube Schweinswale, die fehlende Grundlastfähigkeit von Solar- und Windenergie. Wenn die Grundlast eh aus französischen Atomkraftwerken komme, könnte man auch auf neue Windkraftanlagen verzichten? Hier wird der Wille, das klimaschützerische "Kind mit dem Bade auszuschütten", zum alleinigen Motiv.

Wiener Melange

Dann kommt Walter Rauch zu Wort, umweltpolitischer Sprecher der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Er wettert gegen die CO₂-Steuer und die Ökologisierung der Steuersysteme, die in der Alpenrepublik anstehen - neue Belastungen für die schwer gebeutelten österreichischen SUV-Pilot*innen. Umwelt- und Klimaschutz verweist er in den privaten Bereich, jeder müsse schließlich selbst am besten wissen, wie er Müll trenne oder Solarpanele aufs Dach bringe.

Der einzige offene und undogmatische Beitrag dieses Hefts kommt von Max Schmid, einem Landwirt, der thematisiert, dass der Anbau von Energiepflanzen im großen Stil eine Fremdenergie-basierte und hochtechnisierte Landwirtschaft zwingend voraussetzt. Buch- und Musikkritiken runden das Heft ab, in dem man ansonsten auch nicht mehr erfährt, als einem bei den nächsten Wahlen am AfD-Stand ins geneigte Ohr geblasen würde.