Vor wenigen Tagen wurde in der Babyklappe des Elisabeth-Krankenhauses in Halle/S. ein Säugling abgegeben. Das Kind ist etwa drei bis vier Monate alt, macht einen gesunden Eindruck und war bisher nirgends gemeldet. Es hat eine helle Hautfarbe und befindet sich zur Zeit in "Bereitschaftspflege" bei einer Art Pflegeeltern. Sozialdezernent Kogge und Jugendamts-Leiterin Brederloh stellten nun messerscharf fest, dass die Babyklappe nur für Neugeborene da sei und stellten Strafanzeige wegen "Kindesaussetzung" gegen die (unbekannten) Eltern des Kindes. Jugendhilfeausschuss und Caritas sind entsetzt: das widerspreche dem Sinn von Babyklappen. Es gebe Absprachen, dass keine Anzeigen gestellt werden. Nun sei zu erwarten, dass "gefallene Mädchen" der Babyklappe nicht mehr vertrauten und statt dessen "dem Kind den Kopf abhackten” (Herr Bognitz). In der Lokalzeitung wird mit großem Getöse nach den Eltern des Kindes gesucht, Polizei-Schnüffler sollen wohl auch unterwegs sein und schon Witterung von den Windeln aufgenommen haben. Wieder einmal ist Halle/S. zum Panoptikum eines Ostens geworden, der noch nicht in der Moderne angekommen ist. Schade eigentlich.
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00:10 14.01.2011
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Geschrieben von
hadie
Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

Kommentare 6
"Wieder einmal ist Halle/S. zum Panoptikum eines Ostens geworden, der noch nicht in der Moderne angekommen ist. Schade eigentlich."
Mir ist nicht ganz klar, was Du mit Vormoderne in Halle meinst. Ein 3-4 Monate altes Kind der Babyklappe zu überlassen oder der - aus meiner Sicht - etwas rüde Umgang mit den Eltern des Kindes und der dadurch entstehende Vertrauensverlust gegenüber der Babyklappenidee.
Beides.
Das politische Klima in Deutschland wird immer schlimmer. Wenn mal gerade keine Flüsse, Stürme, Schnee u.a. Katastrophen als Nebelgranaten zur politischen Desinformation herhalten, gackern Medien im "blame shame" Konzert über Privat-Leute. Dabei ist ganz klar das, lt. MZ, diese Babyklappe gerade geschaffen wurde um Anonymität fur Kind und Mutter zu gewährleisten.
Ich denke bezogen auf dieses Thema gibt es "Vormoderne" unabhängig von der deutschen Himmelsrichtung ...
Was mich an diesem Beitrag stört ist der Ausdruck "gefallenes Mädchen", wenn auch in Anführungszeichen gesetzt.
Diese Junge Frau, wer weiß es, wird nicht so ohne Weiteres ihr Kind in die Babyklappe gelegt. Es zeugt von Verantwortung dem Kind gegenüber.
Wenn nun Jugend- und Sozialamt mit Spitzfindigkeiten daherkommen und Strafanzeige wegen Kindesaussetzung stellen, bleibt die Frage, was sie mit dieser "Jagd", dem Suchen nach der Mutter bezwecken wollen.
Babyklappen sind dafür da, wie schon sachichma schrieb, anonym um Mutter und Kind zu schützen. Von "nur für Neugeborene" zu argumentieren geht am Kinderschutz vollkommen vorbei.
Herr Bognitz hat sich gemeldet, er legt Wert auf die Feststellung, dass er "in den Koffer gepackt" gesagt hätte und nicht "Kopf abgehackt". Vielleicht höre ich wirklich nicht mehr so gut. Die rechtliche Absicherung von Babyklappen in Deutschland ist eine einzige Katastrophe bzw. gar nicht vorhanden. Es gibt nur ein Hilfskonstrukt, dass Eltern ihre Kinder für 8 Wochen aus der Obhut geben dürften, für medizinische Notfälle usw.