Mund zu!

Bürokratie Ein Kinderausweis soll es sein, doch das Dokument ist nur grimmigen Blickes zu ertrotzen.

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Für die bevorstehende Urlaubsreise braucht das Kind einen eigenen Kinderpass. Der Eintrag im Pass der Eltern reicht nicht mehr aus. Nach einer Stunde Wartezeit auf der morgendlichen Meldestelle erfahren wir, dass mit dem Passfoto etwas nicht stimmt: "Das Kind lächelt ja!" Und es hat den Mund geöffnet, damit ist das Foto nicht mehr "biometrisch". Nun müssen wir doch noch zu einem professionellen Fotografen. Der kennt das schon, auch die Reaktionen der Kinder, die fast sämtlich lächeln, wenn sie fotografiert werden sollen. Da hilft nur eines: warten lassen! Umständlich tippt der Fotograf auf seinem Computer herum und kramt mit den Fototütchen. Doch das Kind lächelt unverdrossen, hat wohl früh verinnerlicht, dass es zu lächeln hat, wenn fotografiert wird.

"Mach den Mund zu, es kommen Fliegen rein!" Das Kind schaut irritiert und schließt auch wirklich den Mund. Schnell drückt der Fotograf auf den Auslöser. "Danke, das war's. So wollen uns die EU-Bürokraten sehen!" Die Bilder surren aus dem Plotter und ich zahle. Doch auf der Meldestelle ist inzwischen die Hölle los: dutzende gestört wirkender Bildzeitungs-Leser wollen sofort der Weitergabe ihrer Meldedaten widersprechen, weil sie die Balken-Überschrift gelesen haben: "Skandal um neues Meldegesetz - Staat darf Ihre Daten verkaufen!" Zu den künftigen Urlaubern, die alle dringend einen Ausweis oder ein Dokument benötigen, kommen noch die Briefwähler der zweiten Runde dieser seltsamen OB-Wahlen. Hinter einem der Schalter dudelt "Radio Schlumpfistdumpf": "Die Bundesregierung distanziert sich vom neuen Meldegesetz". Das hilft mir jetzt auch nicht mehr, denn inzwischen ist sogar das Kind in Protestlaune. Ich werde es heute Nachmittag noch einmal allein versuchen, denn es dauert ja auch drei Wochen, bis die Pässe aus der Bundesdruckerei zurückkommen, so ganz ohne Lächeln.

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Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

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