Scheintot im Massengrab

Kriegsgeschichte Zum 383. Jahrestag der Schlacht von Lützen hat in Halles Landesmuseum für Vorgeschichte die Ausstellung „KRIEG. Eine archäologische Spurensuche“ begonnen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Das Treffen bei Lützen (1632) war wohl die entscheidende Schlacht des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Am Ende waren ganze Landstriche entvölkert, große Städte wie Magdeburg waren völlig zerstört und die Bevölkerung Deutschlands wurde um etwa ein Drittel reduziert.

http://666kb.com/i/d4yxggc0ndljvo41w.jpg

Vorarbeiten für die jetzige Ausstellung begannen schon im Jahre 2006. Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie durchkämmten das Schlachtfeld mit Metallsuchgeräten und sammelten 2700 Bleikugeln ein, dazu Waffen- und Ausrüstungsteile. Ab 2008 bargen sie dann Teile eines Massengrabs mit den Skeletten von 47 Soldaten, die jetzt aufgerichtet im Atrium des wilhelminischen Museumsbaus stehen. Dazu wird über Geschichte und Verlauf des Dreißigjährigen Krieges informiert. Alltagselend und Feldherrenschicksale werden ausgebreitet.
Doch die Schau beschränkt sich nicht auf die frühe Neuzeit. In anderen Sälen geht es um Kämpfe unter Gorillas und Schimpansen (mit entsprechender Lautuntermalung), eiszeitliche Auseinandersetzungen und bronzezeitliche Gemetzel. Im mecklenburgischen Tollensetal fand um 1250 v. Chr. eine blutige Schlacht statt, deren Erforschung wird hier wohl erstmals einem breiteren Publikum vorgestellt.
Weitgehend bestätigt ist wohl der Zusammenhang zwischen dem Sesshaftwerden des Menschen und der Zunahme von Kriegen. Jäger und Sammler konnten sich aus dem Wege gehen, sesshafte und Besitz-orientierte Bauerngemeinschaften mussten ihre Ernten und Produktionsmittel verteidigen. Kriegerkasten entstanden, die bald auch auf Raubzüge gingen. Das Mehrprodukt aus arbeitsteiliger Landwirtschaft und Handwerk wurde früh schon ungleich verteilt, die Klassengesellschaften entstanden. Seit es Zeugnisse für die kulturelle Entwicklung der Menschen gibt, gibt es auch Zeugnisse für kriegerische Auseinandersetzungen.
Die Schau beruft sich dann auf Sigmund Freud, der meinte, dass es in der menschlichen Natur liege, "Interessenkonflikte ... prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt" zu entscheiden. Die Schimpansen (bzw. ihre Vorfahren) hätten uns die Tötung von Artgenossen quasi vererbt, seitdem sei das Verhaltensmuster tief in unsere kollektive und individuelle Psyche eingebrannt, Interessenkonflikte aller Art prinzipiell mit Gewalt zu lösen. Frei nach Leibnitz lebten die Menschen in der besten aller möglichen Welten, passten aber erst nach brutalstmöglicher Umerziehung zum "neuen Menschen" in diese.
Dabei wird die Politikfähigkeit des "alten Menschen" völlig unterschätzt. Die Schau zeigt den zweisprachigen Friedensvertrag zwischen Ägyptern und Hethitern 1259 v. Chr., der echte Wandlungen in beiden Reichen bewirkte. Einige Jahre später heiratete Ramses II. eine hethitische Prinzessin.

In diesem Sinne sei die Ausstellung „KRIEG. Eine archäologische Spurensuche“ empfohlen, die noch bis zum 22. Mai 2016 in Halles Landesmuseum für Vorgeschichte zu sehen ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden