Mehr Philosophie gegen Coronavirus

Postkolonialismus Die Philosophie muss sich durch die Zeit vom Coronavirus auch behaupten.

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Die Theorie des Postkolonialismus hat die besondere Gewichtung auf die kolonialisierten Verhältnisse gelegt, womit sie in diesem Artikel ihre Aneignung für eine solche akute Diskussion überprüfft wird. Vor welcher Herausforderung stehen wir heute aus der philosophischen Sicht in einer Auseinandersetzung mit Postkolonialismus.

Ein Zeitungsartikel über China und Afrika in kolonialer Sprache

Von China wird zwischen den Zeilen der medialen und politischen Sprache ein stigmatisches Bild gezeichnet, das sich in der Bevölkerung festigt. Es übernimmt offen Formen der kolonialen Sprache. In Frankfurter Rundschau erschien am 5. März ein Artikel mit dem Titel: „Die Verbreitung von Viren wie Sars-CoV-2 ist ein Preis der Gier“[1]. In diesem Artikel wird die wissenschaftliche Untersuchung bewertet, dass bestimmte Viren von Wildtieren auf die Menschen übertragen werden. Das Verzehren von Tieren wie Schleichkatzen, Dromedaren oder Schuppentieren hätten die Krankheit mit großer Wahrscheinlichkeit ausgelöst. Fledermäuse seien der eigentliche Wirt dieser Viren und die anderen Tiere die Zwischenwirte. Einige diese Wildtiere werden in Afrika gefangen und in China als Delikatesse oder Medizin konsumiert. Die Autorin distanziert sich davon und schreibt: „Das allein ist grauenhaft und muss schon deshalb mit aller Härte verfolgt werden“.

Der Handel mit den wilden Tieren Handels zwischen Afrika und China sei grauenhaft. Warum das Töten und Handeln von bestimmten Wildtieren „grauenhaft“ sein soll, ist unklar. Es werden täglich andere Tiere wie Kühe, Schafe, Ziege in Massenproduktion konsumiert. Diese unterschiedlichen Kategorien der Stalltiere und Wildtiere kann die Bezeichnung „grauenhaft“ nicht legitimieren. Krankheiten, die über die Wildtiere auf die Menschen übertragen werden, können ebenso keine Erklärung liefen, weil der Verzehr von Stalltiere weltweit mehr Krankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes und verschiedene Krebsleiden verursacht. Auch der Rinderwahn kam vom Verzehr der Zuchttiere. Das Verzehren einer bestimmten Gattung von Tieren als grauenhaft zu bezeichnen, bedeutet, sich eines bestimmten Bildes zu bedienen, welches die westliche Essenskultur in Schutz nimmt und die asiatische und afrikanische Essenskultur basierend auf die Tötung der Wildtiere mit dem Stichwort „Wilderei“ als grauenhaft erklärt. Dabei gibt es in vielen Sprachen fachliche Texte ohne solche Bewertungen zur Essenskultur in China. Aus dem zitierten Artikel kann herausgelesen werden, dass chinesische und afrikanische als Gegenbild zum europäischen Menschen als Andere konstruiert werden. Das führt uns zu einer philosophischen Diskussion des Orientalismus (Postkolonialismus) mit einem akuten politischen Grund, weil der Orientalismus „das Andere“ in der westlichen Kultur hervorhebt.

Orientalismus

Orientalismus bedeutet, dass ein bestimmtes Wissen in Europa und den USA über den Orient akkumuliert wird, damit die Herrschaft über den Orient möglich wird und sich die Menschen der westlichen Macht unterwerfen. Der Literatur Professor Edward Said mit seinem Werk „Orientalismus“ aus dem Jahr 1978 die Grundlagen für die postkoloniale Theorie festgelegt, der inzwischen verzweigt hat. Orientalismus gilt als Gründungsbuch des Postkolonialismus. Angelehnt an Antonio Gramscis Begriff der Hegemonie will die Theorie vom Saids Postkolonialismus sie mit Zustimmung der Mehrheit in dieser Gesellschaft als gepanzert mit Zwang verstehen. Die Herrschaft ist nicht durch pure Gewalt aufrechtzuhalten, sondern durch Hegemonie, die sich auch in Literatur wiederspiegelt. So können Romane in einem direkten Verhältnis zum Imperialismus stehen, weil dieser als Gattung die kolonialen Verhältnisse rechtfertigt und den Widerstand hemmt, wie der Roman Robinson Crusoe. Dasselbe gelte auch für Oper. Der Mensch sei in der Literatur und Oper eigentlich im Interesse des damaligen Kolonialismus neu definiert. Hier sehen wir den Einfluss von Michel Foucault, nach dem sich die Macht über die anderen dezentralisiert und gleichwertig in verschiedenen Bereichen aufbaut. In diesem Text möchte ich auf dieses Konzept als Grund eingehen, warum der Postkolonialismus auf die jetzige Krise keine äquivalente Antwort liefen kann.

Der Postkolonialismus zu den Gesetzen des Aufstiegs in der Weltordnung

Dabei können wir den Orientalismus (Postkolonialismus) an zwei Punkten besonders kritisieren. Erstens; Said sieht zwischen der arabischen Welt und China einen Unterschied. Anders als die arabische Welt besitzt China und all seine Institutionen eine relative Autonomie gegenüber dem imperialistischen Westen und sowjetischen Osten und relative Fähigkeit sich abzuschotten. Dasselbe gilt für Indien und Japan. Dabei stoßen wir auf die Schwierigkeiten, dass Said hauptsächlich die arabische Welt (Westasien) beschreibt. Er ist gegen eine " grand idea", welche trotz denVerschiedenheiten zu zusammenbringen versucht, weil zum Beispiel sei arabische Welt sich gleich und ungleich mit dem Rest der Dritte Welt ähnlich und auch nicht. In dieser Logik wird die Schwäche des Postkolonialmus sichtbar. So wird ein Land mit starkem Drang großer Weltmacht zu bleiben, wie Japan, mit Indien gleichgesetzt. Wie diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Aufstieg in der Weltordnung führen können, kommt aus der Dritten Welt Theorie nicht raus, geschweige denn von der Tatsache, dass Japan unterschätzt wird. Während das Verhältnis zwischen Indien und westlichen Ländern auf Ausbeutung aufgrund der billigen Arbeitskräften in Indien beruht, ist das Verhältnis zu Japan ein Konkurrenzverhältnis unter Gleichen, auch wenn Japan in den 80er Jahren von seiner Macht stark eingebüßt hat. China ist als kapitalistische Ökonomie mit Aufstiegsbestrebungen ein Teil der Ausbeutung und Unterdrückung. Dass China eine imperialistische Macht werden möchte, um seinen Profit zu erhöhen, kommt nicht aus der Teilung der Welt zwischen Okzident und Orient, ebenso wenig zwischen Nord und Süd. Diese fast starre Aufteilung der Welt ignoriert die Konflikte der kapitalistischen Ländern miteinander. Die Frage, ob China zur einen imperialistischen Macht aufsteigen kann, lässt sich nur aus der gesamten Weltwirtschaft und Weltpolitik beantworten.

So erklärt sich auch, dass sich mit Chinas Aufstieg dort eine reiche bürgerliche Schicht etabliert hat, die das exotische Essen, wenn auch auf dem illegalen Weg bezahlen will. Egal wie teuer es ist. Dieses Bürgertum nimmt Pandemien auf Kosten der Mehrheit der Menschen in China und in den anderen Teilen der Welt in Kauf. Der Postkolonialismus hat sein Verhältnis der Hierarchien in der Gesellschaft in Bezug auf Hegelschen Herr und Knecht theoretisiert. Hegel verstand die Beziehung zwischen Herr und Knecht in einem dialektischen Verhältnis der Anerkennung und Arbeit. Vor Edward Said hat der antikoloniale Denker Frantz Fanon die These aufgestellt, dass die Knechte in den kolonialen Ländern den kolonialen Herrn ähnlich werden, anders als Hegel ursprünglich mit seiner These vertreten hat. Fanon hat die Fragen und Themen des Postkolonialismus in einem präakademischen Diskurs vorgegriffen. Said hat wiederum, anders als Fanon, die Anerkennung nicht in solcher Infragestellung aufgegeben, sondern neu definiert. er sagt: "To achieve recognition is to rechart and then occupy the place in imperial cultural forms reserved for subordination, to occupy it self-consciously, fighting for it on the very same territory once ruled by a consciousness that assumed the subordination of a designated inferior Other. Hence, reinscription.“[2] Fanon schlägt dem Knecht einen anderen Weg zur Befreiung aus dem Verhältnis zu Herr jenseits der Dichotomie von Anerkennung und Arbeit vor, nämlich durch die Gewaltanwendung und die Auslassung der Kategorie der Arbeit und Bestimmung der Anerkennung quasi als ontologische Unmöglichkeit. Said befestigt allerdings die Ausweglosigkeit für den Knecht, indem er, ähnlich wie Fanon, die Anerkennung aus der Kategorie der Arbeit losgelöst hat, welche durch den eigenen Charakter der Aufhebung der Verhältnisse die revolutionäre Funktion hat. So ist der Knecht bei Said nur im Versuch der Anerkennung, eine untergeordnete Rolle zu bekommen.

In China sehen wir einen anderen Weg, Oberschicht des ehemaligen kolonialisierten Landes, bereitet sich jetzt auf mehr Profit weltweit vor und befestigt in eigenem Land die Ausbeutungsverhältnisse, indem gewerkschaftliche Organisierung sowie die demokratische Organisierung praktisch verboten und unterdrückt wird, während ihr extravagantes Leben neue Krankheiten verursacht. Diese Tatsache bewegt sich außerhalb der postkolonialistischen Theorie. Der Aufstieg Chinas wird endgültig aus der gesamten weltweiten Beziehung, konzentriert in den führenden Staaten, bestimmt.

Welcher Inhalt kann der Universalismus haben? Brauchen wir einen überhaupt?

Der zweite Punkt, warum der Orientalismus bei der ganzen Diskussion nicht ausreicht, die Problematik zu verstehen, ist aufgrund ihres Fokus auf die Eigenständigkeit der kulturellen, regionalen Teile der Welt und ihres Verhältnisses zum Universalismus. Die Diversität zum Universalismus bei der postkolonialen Strömung hat ihre Grenze, dass der Universalismus westlich zentriert aufgebaut ist. Der Postkolonialismus argumentiert, somit sind die Unterdrückungen weltweit verdeckt. María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan schrieben zum Beispiel zur Differenzierung der postkolonialen Positionen zum Universalismus: “ Die South Asian Subaltern Studies Group lehnt Universalismen keineswegs ab, sondern eher die Behauptungen des globalen Nordens, die Quelle des Geschichtsuniversalismus zu sein.”[3] Trotzdem bleibt der postkolonialistische Ansatz auf halber Strecke. Bei der Herausforderung des Alltags der Menschen und der Entwicklung der Produktivkräfte und kulturellen Verwobenheit der Welt, bleibt die Nationalgrenze ein Hindernis. Der Universalismus ist automatisch nicht nur eine Manifestation der kolonialen Verhältnisse. Der Literaturprofesor Warren Montag vertritt einen Universalismus, „der jeden Schritt des Weges zusammen kämpft mit jenen, denen die Fähigkeit, ihre nationalen Kulturen auszudrücken und zu entwickeln, verweigert wurde und für die die nationale Befreiung ein wesentlicher Bestandteil der sozialistischen Revolution ist.“[4] So unterscheidet dieser Universalismus vom Chauvinismus sich als Internationalismus oder Universalismus verkleidete. Warren Montag definiert die politische Linie im Universalismus als Grund, um den Charakter des Universalismus zu definieren.

Die Versuche, ein Medikament gegen den Coronavirus zu finden, wird gerade auf der nationalen Ebene durchgeführt. Die Art der Forschung ist ein Ressourcen und Zeitverlust, die bei der möglichen Auswirkung der Pandemie nicht ignoriert werden darf. Ebenso brauchen Menschen Gesundheitsversorgung, die nicht von den beschränkten Möglichkeiten des eigenen Landes wie es im Iran der Fall ist, abhängt. Sondern die Forschung und Gesundheitsversorgung muss internationalistisch sein. Weil die ökonomisch stärkeren Länder beide Möglichkeiten am höchste haben, muss der Universalismus gerade von diesen Kräften vorangetrieben werden. Gerade ist der Universalismus nur so möglich. Es ist der Inhalt des Universalismus, dass die höchste Produktion und der Wissenschaftsstand für die Weltbevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Das setzt voraus, dass in den entwickelten Ländern die Kräfte freigesetzt werden, um diese Entwicklungen voranzutreiben. Das widerspricht dem grundsätzlichen Bild der starren Aufteilung der Welt von postkolonialer Theorie in westlichen und nicht westlichen Ländern, wenn diese mit einander in Beziehung eingehen würden, würden sie nur „koloniale Verhältnisse“ reproduzieren. Dabei übersieht sie dass in dieser Beziehung überhaupt die Möglichkeit existiert, die kolonialen Verhältnissen endgültig zu überwinden. Das eine sind die Grenzen des Kapitalismus, auf der anderen Seite steht die Möglichkeit der kommunistischen Gesellschaft.

[1] https://www.fr.de/wissen/corona-covis19-verbreitung-viren-sars-cov-2-preis-gier-nach-wildtieren-13573857.html

[2] Edward, Said, Culture and İmperialism, S. 210, VINTAGE BOOKS, 1994

[3] María do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan, Postkoloniale Theorie, S.336, transcript Verlag, 2015

[4] https://www.klassegegenklasse.org/die-angst-vor-trotzki-ist-eine-angst-vor-den-massen/

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