China!

Betrachtung! Mit welchen unglaublichen Mitteln die Volksrepublik China gegen steigende Scheidungsraten vorgeht.

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Im Mai 2020 war der Nationale Volkskongress der Volksrepublik China in Beijing (Peking) zu seiner 3. Sitzung für eine Woche zusammengekommen. Er ist, wie der Bundestag in der Bundesrepublik, das gesetzgebende Organ der Volksrepublik China oder wie es westliche Medien nennen: ein Scheinparlament. Verlegt werden musste die Zusammenkunft aus dem März 2020 in den Mai 2020 wegen der Corona-Epedemie.

Corona-Krise, Sicherheitsgesetze für einen Landesteil standen im Mittelpunkt der Berichterstattung und Überraschung, die Staatsführung konnte erstmalig seit Jahrzehnten wegen der Corona-Krise keine Prognose für ein gesichertes Wirtschaftswachstum abgeben. Unbemerkt von den Medien, vielleicht auch nur gewollt übersehen, entschied der Nationale Volkskongress bei der diesjährigen Zusammenkunft über ein Zivilgesetzbuch für die Volksrepublik China (chinZGB).

Über das erste allgemeine und landesweit umfassende Zivilgesetzbuch der Volksrepublik China, vergleichbar mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) der Bundesrepublik, stimmte der Nationale Volkskongress, siehe oben, in Beijing ab!

In den Medien wurde das chinZGB manchmal, nicht oft, in einem Halbsatz erwähnt, mit einer Ausnahme. Das „Nachrichtenmagazin“ Der Spiegel, das „Sturmgeschütz...“ - nach den aktuellen Ereignissen in Minneapolis, New York, Hongkong, Seattle, wo Geschütze im Sturm… sollte ich den Begriff vielleicht nicht verwenden- ist in einem Artikel, nicht umfassend, sondern kurz, sehr reduzierend, einfach auf die Problematik mit einer Formulierung eingegangen worden:

„Das erste Zivilgesetzbuch des Landes, das am 1. Januar 2021 in Kraft treten soll, enthält Vorschriften, die die bestehenden Gesetze in den Bereichen Ehe, Adoption und Eigentumsrechte ersetzen sollen. Peking will durch die neuen Vorschriften gegen die steigenden Scheidungsraten in China vorgehen. Sollte einer der Ehepartner eine Scheidung nach Fällen häuslicher Gewalt beantragen, gibt es keine verpflichtende Bedenkphase.“

In dem ersten Zivilgesetzbuch des Landes (Volksrepublik China), das am 1. Januar 2021 in Kraft treten wird, wurden Gesetzesnormen über Vermögen, Verträge, Persönlichkeitsrechte, Ehe und Familie, Erbrecht und Haftung, angelehnt an das BGB, welches bei der Erstellung des chinZGB durchaus als Vorbild galt, erstellt, um gegen steigende Scheidungsraten vorzugehen?

Über 20 Jahre hat die Kodifizierung des ZGB mit Unterbrechung gedauert. Das BGB, erstmalig wurde eine Kommission im Jahre 1874 eingesetzt, insgesamt bedurfte es 3 nacheinander folgende Kommissionen, um das Gesetz im Jahre 1896 zu verabschieden, damit es am 1.1.1900 nach Beschluss des Reichstages, in Kraft treten konnte.

Preußen und die im Jahre 1871 eingegliederten Länder, zusammengefasst zu einem Deutschen Reich, hatten eine schriftliche fixierte Rechtstradition. Neben u.a. badischem Recht war das preußische allgemeine Landrecht, gültig seit 1794, bei der Erarbeitung des BGB wegweisend.

Die Volksrepublik China hat nur eine begrenzte, schriftliche Fixierung des Rechts und auch keine ausgeprägte Rechtspraxis/-tradition, auch nicht im Zivilrecht.

Anfang des 20. Jahrhundert, während der Qing - Dynastie, wurden zivilrechtliche Einzelgesetze erlassen, die auch nach der Revolution 1911 weiter bis 1949 galten, übrigens auch orientiert am deutschen Zivilrecht. Danach, in den 50-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wurden zivilrechtliche Normen in Anlehnung an das Zivilrecht der Sowjetunion beschlossen. Mit der Kulturrevolution, beginnend im Jahre 1966, galten keine Gesetze. Auch die Rechtsprechung war praktisch nicht mehr vorhanden. Mit der Abkehr von der Kulturrevolution Ende der 70-ziger Jahre, versuchte sich das Land neu aufzubauen. Juristische Regeln, Regeln die das Wirtschaften organisieren, waren nicht vorhanden.Erst 1986 verabschiedete der Nationale Volkskongress allgemeine Grundsätze des Zivilrechts, angelehnt an das Zivilrecht der Sowjetunion und Ungarn. Es war ein Tasten im juristischen Nebel. Dann in den 90-ziger Jahren des letzten Jahrtausends beschloss der Nationale Volkskongress eine umfangreiche Kodifizierung des Zivilrechts in ein Gesetzeswerk umzusetzen. Setzte Termine. Nahm sie zurück.

Im Jahr 2014 wurde letztendlich beschlossen ein Zivilrechtsgesetzbuch in zwei Schritten zu entwickeln. Erst sollten allgemeine Grundsätze des Zivilrechts erarbeitet werden. Der Nationale Volkskongress hat sie 2017 unter dem Titel „Allgemeiner Teil des Zivilrechts (ATZR)“ verabschiedet. Wobei der Titel missverständlich sein könnte, denn das chinZGB sollte einen allgemeinen Teil haben. Das ATZR hat allerdings Grundsatzentscheidungen nicht nur für den allgemeinen Teil sondern für alle Kapitel des zu erschaffenden chinZGB getroffen. Es beschäftigt sich nicht nur mit dem allgemeinen Teil, sondern z.B auch mit dem Familien- und Eherecht indem laut Spiegel neue Vorschriften gegen die steigenden Scheidungsraten in China eingefügt werden sollten. So sind sie halt die Chinesen. Über 20 Jahre beschäftigen sie sich mit der umfangreichen Kodifizierung eines Zivilgesetzbuches mit letztendlich 1260 Paragraphen, um allein steigende Scheidungsraten verhindern zu können.

Ein Zivilrecht für 4 regierungsunmittelbare Millionenstädte -allein diese vier Städte haben mehr Einwohner als die Bundesrepublik-, 5 autonome Regionen und 21 Provinzen mit knapp 1,4 Milliarden, darunter 56 per Verfassung anerkannte Minderheiten und natürlich die Han-Chinesen mit ihrer chinesischen Sprache und den vielen Dialekten, Dialekte die teilweise eigene Sprachen sind. Ein Fischkopp von der Waterkant und ein bayrischer Almöhi können sich besser verständigen als Chinesen, die unterschiedliche Dialekte sprechen, obwohl ein Almöhi und ein Fischkopp nicht zu ausgedehnten Gesprächen neigen.

Die Volksrepublik China hat ein einheitliches Zivilrecht geschaffen, sowohl für die autonome Region Xinjiang im Nordwesten, in der Fläche ca. 5mal so groß wie die Bundesrepublik, wie auch für die im Südwesten vorgelagerte Insel Hainan, eine eigenständige Provinz ist sie seit 1988, 33mal so groß wie die größte deutsche Insel Rügen.

Ein kodifiziertes Zivilrecht, landesweit gültig, schafft nicht nur Rechtssicherheit sondern auch Sicherheit im wirtschaftlichen Handeln in Beijing, Ürümqe, Shanghai, der autonomen Region Tibet, Chongqing und in Hongkong. Rechtssicherheit ist die Voraussetzung für ein vertrauenvolles Wirtschaften. Vereinbarungen, Absprachen und geschlossene Verträge sollen nach dem chinZGB in Hohhot, der Hauptstadt der autonomen Region „Innere Mongolei“, die gleiche, vertrauensvolle Wirkung entfalten, wie in dem ehemaligen Fischerdorf Shenzhen im Südosten Chinas. Ein Zivilrecht, ein Gesetz für die chinesische Idee eines Staatsgebildes, um Handeln, wirtschaftliches Handeln, zu verankern.

Ein Unterfangen, ob es mutig ist, wird die Anwendung der Rechtsnormen zeigen. „Fehlurteile“, (Willkürurteile), anfänglich werden sie noch getroffen werden, können langfristig ausgeschlossen werden, weil, rein juristisch gedacht, wird es Vergleiche geben zwischen den getroffenen Urteilen und juristischen Instanzen, Berufungen werden entscheiden. Nebenbei, bei der Entwicklung des chinZGB waren auch die obersten Gerichte beteiligt. Die Rechtssprechung, die oberste, dürfte auf das Gesetzwerk vorbereitet sein.

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