Seit einer Woche ist es in der Literatur-Welt der Aufreger: Der S. Fischer Verlag hat seiner Autorin Monika Maron die Zusammenarbeit gekündigt. Man wollte noch einen Essay-Band zu Marons 80. Geburtstag im nächsten Jahre veröffentlichen, danach nichts mehr. Tief getroffen vom Verhalten ihres Verlags will Monika Maron diese Gnadengeste nicht annehmen und zieht sich ihrerseits vom Fischer Verlag zurück. Was ist geschehen? Ist das Bestrafung der Schriftstellerin für eine Veröffentlichung in der Reihe EXIL der Buchhandlung Loschwitz von Susanne Dagen?
In Monika Marons vorletztem Roman „Munin oder Chaos im Kopf“ gibt es die Szene, in der sich aufgebrachte Bewohner einer Straße treffen, um gegen die tägliche Ruhestörung einer unbegabten Sängerin zu protestieren. Ein Taxifahrer benutzt die Lage für einen ganz anderen Protest: Warum nicht eine ganze Straße terrorisieren, wenn dann die Verwaltung endlich aktiv wird und sich um uns ordentliche Steuerzahler kümmert. Sonst kümmert sie sich doch nur um Flüchtlinge, die nicht Deutsch können und Drogen abhängig sind.
Auf solche Sätze hat der Fischer Verlag mit einer Bedenkenliste geantwortet und der Autorin signalisiert, sie müsse vor sich selbst geschützt werden. Wieso? Das sind Meinungen und Haltungen von Roman-Figuren. Ich muss ihnen gar nicht zustimmen. Aber sie spiegeln etwas, was auf der Straße gesagt wird, es aber höchst selten bis in die Medien schafft. Beim Fischer Verlag kommen solche Positionen neuerdings auf das persönliche Konto seiner Autoren. Am Ende muss man der Verlegerin der Exil-Reihe Susanne Dagen recht geben, was ich ungern tue, wenn sie sinngemäß sagt: Mit denen wir nicht öffentlich reden, die bewegen sich bald nur noch unter ihren Leuten. Hier ist nicht Monika Maron gemeint, sondern jener Taxifahrer, wenn er auch nur eine literarische Figur ist.
Übrigens redet Norbert Paulini in Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ fast wortgleich dasselbe. Hat man das im Fischer-Verlag nicht gesehen? Warum die Autorin nach 40 gemeinsamen Jahren von ihrem Verlag plötzlich den Stuhl vor die Tür gestellt bekommt, ist unfassbar. Für einen Verlag großer Autoren und höchsten humanistischen Anspruchs kann Pluralismus doch kein Fremdwort sein. Jetzt wird der Riss, der durch unsere Gesellschaft geht, schon von denen vergrößert, die eher für dessen Beseitigung eintreten sollten. Monika Maron bezeichnet sich als freiheitssüchtig. Ich kann ihre Freiheitssüchtigkeit nur verteidigen.
Kommentare 9
"Das sind Meinungen und Haltungen von Roman-Figuren."
.....und in der "Realität" lautet es schon längst: "WEHdem, DER....!!!"
....sogar gesetzlich gezwungen!
....und es wird "offen-sichtlich" wo(rin) WIR längst wieder WIRKLICH "leben"!
http://www.freitag.de/autoren/martin-franz/diktatur-der-angst-und-einschuechterung
Marons letzten Roman habe ich - noch - nicht gelesen, aber "Munin oder Chaos im Kopf" habe ich auch als einen Blick auf das gesellschaftliche Klima gelesen. Ich teile Marons Auffassungen - die sie ja auch konkret und ohne literarische Stützen äußert - nicht. Aber ich habe ihrer Sprache mit großer Begeisterung gelauscht.
Was ich allerdings nicht verstehe ist ihre publizistische Nähe zur Rechten. Was sie politisch wirklich will, verstehe ich auch nicht. Sie will "Freiheit", sie will nicht "gendern", sie fürchtet sich vor dem Islam. Sie wird andere Verleger*innen finden. Da bin ich mir ganz sicher. Hoffentlich findet sie gute.
ich habe hier eine ideologiearme faktensammlung zu dem umfeld, in das sich frau maron ohne not begeben hat:
https://www.tagesspiegel.de/kultur/monika-maron-susanne-dagen-und-die-antidemokraten-die-rechte-liebe-zur-literatur/26310010.html
frau maron fragte in einem interview, ob es nun wieder eine kontaktschuld gebe:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/monika-maron-ueber-trennung-vom-s-fischer-verlag-meine.1013.de.html?dram:article_id=486131
macht im gleichen interview wenig glaubwürdig geltend, dass sie nichts gewußt habe von den figuren im vertriebsprozeß.
das signal, das von der entscheidung des fischerverlags ausgeht finde ich dennoch schockierend. kontaktschuld, meinungskorridor, cancel culture, zensur ... welche haltbaren argumente bleiben noch gegen derlei?
ich habe nichts gelesen von frau maron und kann auch mit der ihr zugeschriebenen überfremdungsangst nichts anfangen. aber ich kann mir doch vorstellen, dass es fast 80-jährige damen gibt, die da andere befindlichkeiten haben. sich mit dem kubitschek zu verbinden zeugt von einer - bestenfalls - unbedarftheit, die wohl teil davon ist, wieso ich nie das verlangen hatte, ein buch von ihr zu lesen.
durs grünbein insistierte, dass man konkret werden möge, textstellen vorlegen und anhand von zitaten die vorwürfe, maron sei rechts (verbietenswert rechts), belegen solle. und das wäre wohl das mindeste, will man nicht auch noch dem vorwurf der hexenjagd unvorbereitet gegenüber stehen. aber diesbezüglich habe ich noch nichts finden können; nicht auszuschließen, dass viele der pauschalkritiken abgeschrieben sind von leuten, die noch keine zeit hatten, den gegenstand ihrer angriffe zu studieren. das wäre ja nicht das erste mal in diesen zeiten.
Der S.Fischer-Verlag lässt eine heiße Kartoffel fallen, so wirkt es schon ein wenig.
Aber so wie Monika Maron mit den Dagens und Kubitscheks rummachen "darf", so "darf" sich der S.Fischer-Verlag von seiner Autorin trennen. Und so wie der S.Fischer-Verlag kein Vollzugsorgan einer imaginierten Cancel-culture ist, ist Maron nicht ihr Opfer.
Und was Marons "Freiheitssucht" angeht, die Michael Hametner so tapfer verteigt, die erstreckt sich ganz offensichtlich nicht auf die Anerkennung der Feiheitsrechte aller Menschen auf der Welt - zum Beispiel vor einem unüberwindlichen Elend davon zu laufen und dabei auf das Hoheitsgebiet der deutschen Kulturnation mit ihren christlichen Werten zu geraten.
Ich denke, in mittlerer Zukunft wird es nur noch politisch korrektes, durch eine entsprechende Vorzensur gegangenes Zeug zu lesen geben. Man kann sich – zu Recht – aus demokratischen und auch grundgesetzlichen Gründen über diese Art Geschmacksdikatur-Ambitionen aufregen. Persönlich finde ich allerdings die – offensichtlich der Missionsaufgabe beziehungsweise dem damit verbundenen Tunnelblick geschuldete – Ignoranz gegenüber den allerbasalsten Geschäftsbedingungen von Literatur viel frappierender: dass der Postbote (also ein Roman/ Gedichtband, der bestimmte Haltungen/Ereignisse schildert) NICHT der Täter ist, sondern lediglich der Überbringer von Nachrichten.
Um auf das – ebenfalls unter Beobachtung der Geschmackswächter stehende – Genre Serien hinzuweisen. Mich persönlich erinnert das immer maßloser werdende Treiben der Cancelculturistas an jenen Bettelorden in der Serie »Games of Thrones«, der im Verlauf der Serie zeitweilig die Macht in der Hauptstadt erringt und – wir sind schließlich in einer Serie – eine noch härtere Variante von Geschmacks- und Meinungsdiktatur errichtet. In eine ähnliche Richtung gehen übrigens die Bemühungen von Karl Lauterbach, dem Gesundheitsregime-Robespierre der SPD, der sich aktuell für nächtliche Polizeibesuche bei den Bürgern und Bürgerinnen ausspricht, um zu kontrollieren, wer mit wem unter einer Decke steckt.
Für die neuen Ambitionen, die Bürger zu ihrem Glück notfalls zu zwingen, gibt es sogar schon einen neuen Begriff: Gouvernantismus. Ich denke, wir werden die nächste Zeit noch viel Lustiges erleben.
Kaum ein Elend ist Schicksal, unüberwindlich usw., wie es auch Staaten und Regionen in Afrika zeigen (Ruanda, Botswana, Äth., Mauritius, z. T. Kenia, Marokko usw.) Und schon gar nicht unter den erheblichen Mittel-Zuflüssen und weiteren, oft nicht angenommenen Angeboten.
Auch Syrien scheitert an letztlich eigenen, durchaus nicht zwangsläufigen Präferenzen und Auffassungen seiner Bewohner. Von daher ist das mit den "Freiheitssrechten", wenn's nicht läuft, dann halt woanders hinzugehen, so eine Sache.
Daß es z. B. hier einigermaßen leidlich läuft, - Vieles wird ja unter den Teppich gekehrt, wovon die Immigrants dann aber ebensowenig wissen wollen wie von den 'Preisen', die sie für eigene Verbesserungen aufbringen könnten bis müssten -, kommt auch aus hohen Opfern und Zumutungen, Disziplinen usw. bis hin zu schrecklichen Inhumanitäten, Ungerechtigkeiten und jeder Menge Schuld zustande. Vergl. auch die 68er-Kritik(en) am hiesigen Leben und vor allem Werden (Kindheiten, Geschichte usw.)
Naja, jeder Syrer z.B. wäre froh, wenn er nur sowas Schröcklichöm wie der Cancel-Culture-Chimäre ausgesetzt wäre. Die Monika Marons dieses Landes und einige ihrer "linken" Verteidiger setzen in ihrem Ranking der Elendsursachen dieser Welt aber die Reihenfolge andersrum.
MM ist mir herzlich schnuppe. Denn ich denke nicht im Traum daran, mich durch die False-Flag-Wälder aller Couleur zu kämpfen, die mediokre Schriftsteller:innen, Verlage usw. so angepflanzt haben.Zumeist um Publikum an die Kasse zu lotsen.
mir gings um den falschen zusammenhang angeblich unabwendbaren elends zur begründung beliebiger siedlungsfreiheiten.
"Und so wie der S.Fischer-Verlag kein Vollzugsorgan einer imaginierten Cancel-culture ist, ist Maron nicht ihr Opfer."
das war wohl eine lange zeit unbestritten.
man könnte maron auch als (naives oder selbstbestimmtes) stöckchen in kubitscheks hand wahrnehmen, und den fischerverlag als das hündchen, das darüberspringt, bis es nur noch opfer gibt auf dieser seite. muß man aber nicht, nur den kubitschek als einzigen gewinner in dieser geschichte zu erkennen, daran führt imho kein weg vorbei.