Ende Gelände nach 40 Jahren

Literatur Der S. Fischer Verlag hat seiner Autorin Monika Maron die Zusammenarbeit gekündigt. Was ist geschehen?

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Ende Gelände nach 40 Jahren

Foto: imago images / Gerhard Leber

Seit einer Woche ist es in der Literatur-Welt der Aufreger: Der S. Fischer Verlag hat seiner Autorin Monika Maron die Zusammenarbeit gekündigt. Man wollte noch einen Essay-Band zu Marons 80. Geburtstag im nächsten Jahre veröffentlichen, danach nichts mehr. Tief getroffen vom Verhalten ihres Verlags will Monika Maron diese Gnadengeste nicht annehmen und zieht sich ihrerseits vom Fischer Verlag zurück. Was ist geschehen? Ist das Bestrafung der Schriftstellerin für eine Veröffentlichung in der Reihe EXIL der Buchhandlung Loschwitz von Susanne Dagen?

In Monika Marons vorletztem Roman „Munin oder Chaos im Kopf“ gibt es die Szene, in der sich aufgebrachte Bewohner einer Straße treffen, um gegen die tägliche Ruhestörung einer unbegabten Sängerin zu protestieren. Ein Taxifahrer benutzt die Lage für einen ganz anderen Protest: Warum nicht eine ganze Straße terrorisieren, wenn dann die Verwaltung endlich aktiv wird und sich um uns ordentliche Steuerzahler kümmert. Sonst kümmert sie sich doch nur um Flüchtlinge, die nicht Deutsch können und Drogen abhängig sind.

Auf solche Sätze hat der Fischer Verlag mit einer Bedenkenliste geantwortet und der Autorin signalisiert, sie müsse vor sich selbst geschützt werden. Wieso? Das sind Meinungen und Haltungen von Roman-Figuren. Ich muss ihnen gar nicht zustimmen. Aber sie spiegeln etwas, was auf der Straße gesagt wird, es aber höchst selten bis in die Medien schafft. Beim Fischer Verlag kommen solche Positionen neuerdings auf das persönliche Konto seiner Autoren. Am Ende muss man der Verlegerin der Exil-Reihe Susanne Dagen recht geben, was ich ungern tue, wenn sie sinngemäß sagt: Mit denen wir nicht öffentlich reden, die bewegen sich bald nur noch unter ihren Leuten. Hier ist nicht Monika Maron gemeint, sondern jener Taxifahrer, wenn er auch nur eine literarische Figur ist.

Übrigens redet Norbert Paulini in Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ fast wortgleich dasselbe. Hat man das im Fischer-Verlag nicht gesehen? Warum die Autorin nach 40 gemeinsamen Jahren von ihrem Verlag plötzlich den Stuhl vor die Tür gestellt bekommt, ist unfassbar. Für einen Verlag großer Autoren und höchsten humanistischen Anspruchs kann Pluralismus doch kein Fremdwort sein. Jetzt wird der Riss, der durch unsere Gesellschaft geht, schon von denen vergrößert, die eher für dessen Beseitigung eintreten sollten. Monika Maron bezeichnet sich als freiheitssüchtig. Ich kann ihre Freiheitssüchtigkeit nur verteidigen.

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