Mehr als stumpfe Klopperei

Was läuft Über die Wrestlerinnen-Serie „Glow“ und ihre Vorbilder. Spoiler Anteil: 4 Prozent
Ausgabe 32/2017

Als gewöhnliche Betrachterin verbinde ich mit Wrestling vor allem Dinge, die mich peinlich berühren bis abstoßen: aufgepumpte, schwitzige Typen in Spandexschlüpfern, Klappstühle als Schlagwaffen und ein Publikum, das so ähnlich aussieht und sich ähnlich aufführt wie die Leute im Ring kurz vor dem Finale. Nur eben nicht mit Absicht. Wrestling ist die Jerry Springer Show unter den Sportarten – nichts für mich, sondern beliebt bei kaputten und ordinären Leute irgendwo im Amerika der 1990er.

Entsprechend eigenwillig schien es mir, dass da tatsächlich jemand eine Serie gemacht hat, in der es um Wrestling geht. Andererseits: Warum nicht? Motorradgangs, religiöse Polygamisten und Roboter-Cowboys waren auch schon Gegenstand solcher Erzählformen, da ist Wrestling nur eine befremdliche Welt unter vielen.

Um es gleich zu sagen: So schlimm, wie ich es erwartet habe, ist Glow nicht. Als Zuschauerin ging es mir wie der Hauptfigur Ruth Wilder (Alison Brie), einer Schauspielerin, die es mit dem konventionellen Filmgeschäft schwer hat: Weder will sie die Sekretärin der männlichen Hauptfigur spielen, noch ist ihr Typ dafür gefragt. In den 1980er Jahren bietet ihr einzig die Erotikfilmindustrie eine Alternative (und Geld für die Miete) – und eine Idee mit dem Namen „Gorgeous Ladies of Wrestling“, kurz „Glow“, zu dem Zeitpunkt nicht mehr ein dubioses Showkonzept, das auf seine Umsetzung wartet.

Beim Casting ist Ruth nicht ganz so skeptisch wie ich vorm Gucken, weiß aber auch nicht genau, was sie mit Wrestling anfangen soll. Von Folge zu Folge – zehn sind es in der bisher einzigen Staffel – nähert sie sich an, entdeckt, dass es nicht um sie, sondern um das gesamte Ensemble geht, lernt, dass eine gute Show nicht ohne eine starke Antagonistin auskommt und entwickelt ihre eigene Wrestling-Rolle.

Glow schafft es, dass ich Wrestling am Ende nicht mehr als stumpfe Klopperei sah, sondern als aufwendig durchinszeniertes Drama. Natürlich sind die Performances eher Telenovela als Shakespeare, eher Karneval als Bayreuth, aber eben doch Aufführungen mit Story, Slapstick, notwendigem Training und abhängig von den Persönlichkeiten der Darsteller. Dass Glow auf Zuschauer diese Wirkung hat, ist vielleicht gar nicht so selbstverständlich. Denn eigentlich wäre es ziemlich leicht gewesen, Wrestling – speziell, wenn es um Frauen geht – ins Lächerliche zu ziehen und auf den Quatsch zu reduzieren, der es auf den ersten Blick zu sein scheint.

Die Serie lebt spürbar von den Erfahrungen, die ihre Produzenten, Regisseure, Drehbuchautoren bei ähnlichen Formaten schon gemacht haben: Frauen in einem zuerst mit Männern assozierten Setting (Krankenhaus, Knast, New York), die darin eigenwillig, vielleicht auch unorthodox, auf jeden Fall als Persönlichkeit mit Stärken und Schwächen agieren. Nurse Jackie, Orange Is the New Black oder Girls sind die offensichtlichsten Referenzen. Speziell von Orange Is the New Black finden sich in Glow unübersehbar Spuren: die Art des Humors, das Verständnis selbst für offensichtlichste Dummheiten der Charaktere und ein vielfältiger Cast (dem aber auch hier weiße, normschöne Frauen vorstehen).

Glow, wenn auch bunter, stylischer, trashiger, schließt hier an. Keine Ahnung, wie das anderen geht, aber ich freue mich auch 2017 noch, wenn weibliche Film- und Serienfiguren andere Ziele haben als extra große Liebe mit allem und scharf. Wenn nicht nur männliche Protagonisten für lustige, bizarre oder unappetitliche Situationen verantwortlich sind, sondern jeder mal ran darf. Glow ist in der Hinsicht ein Geschenk. Hier teilen Frauen sogar körperlich aus und es ist – wenn auch so ohne Weiteres nicht zu erklären – befriedigend zuzusehen, wie eine der anderen in den Rücken springt. Für sensiblere Zuschauerinnen zum Glück nur konsensuell und mit Gummimatte drunter.

Gleichzeitig muss bei Glow niemand Angst vor einer pädagogisch sicherlich wertvollen, unterhaltungsmäßig aber unter Umständen unbefriedigenden Lehrstunde in Sachen Feminismus haben. Wie schon in Orange Is the New Black gilt: Alles, was gesagt werden kann, zeigt sich in den Figuren, der Entwicklung der Ereignisse und in sinnvoll platzierten Dialogen. Wer davon etwas mitnehmen möchte, kann das gerne machen.

Wem das alles nichts sagt, für den bleibt immer noch eine ziemlich charmante Einführung in das Thema Wrestling übrig.

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