Gerät ohne Namen

Ausstellung Die Pariser Cinémathèque erzählt Filmhistorie anhand der Technik, mit der sie gemacht wurde
Ausgabe 48/2016

Die wertvollste und schönste Rumpelkammer der Filmgeschichte befindet sich zur Zeit in den Räumen der französischen Cinémathèque in Paris. Unter dem Titel De Méliès à la 3D. La machine cinéma findet dort eine Ausstellung statt, die es sich zum Ziel setzt, 120 Jahre Filmgeschichte konsequent durch die Brille ihrer Technik zu erzählen. Nicht Alfred Hitchcock, Jean Renoir oder Fritz Lang, sondern Tüftler, Ingenieure und Wissenschaftler wie Eugène Lauste, der bereits 1906 ein funktionierendes Tonsystem erfand, oder August Arnold und Robert Richter, die Gründer der Münchner Kinotechnikfirma ARRI, stehen für einmal im Zentrum.

Dass sich eine Institution wie die Cinémathèque, traditionsreich und dem Autorenfilm verpflichtet, dieses Themas annimmt, ist umso erfreulicher, da sich bis heute die Kenntnis über Filmtechnik weitgehend auf Fachkreise beschränkt. Auch wenn es nicht immer leichtfällt, den Überblick zu behalten. Auf engstem Raum drängen sich zahlreiche Exponate, als gelte es, möglichst viele der über 6.000 Maschinen aus dem umfangreichen Fundus der Kinemathek auszustellen.

Gleich zu Beginn wird man von einem majestätischen Projektor empfangen, dessen konstantes Rattern der Ausstellung einen angenehmen Soundtrack verleiht. Lautsprecher, Schallplatten mit Tonspuren, Schnittsysteme und kuriose Erfindungen wie eine 35-Millimeter-Film-Jukebox folgen. Einen besonderen Stellenwert haben Kameras. Sie symbolisierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts das moderne Leben.

Wenn etwa in Dsiga Wertows furioser Stadtsymphonie Der Mann mit der Kamera (1929) ein Kameramann durch die Straßen einer Stadt rast, dann nimmt nicht der Mensch, sondern die Kamera, das Modell Parvo des französischen Konstrukteurs Joseph Debrie, die Hauptrolle ein. Gleichzeitig setzte eine erste Domestizierung des Kinos ein. Mit der Kamera namens Pathé-Baby konnte nun jeder ein Statussymbol der Modernität erwerben und mit dem entsprechenden Projektor sich die Filme zu Hause anschauen.

Schnell wurde das Potenzial des damals noch jungen Mediums erkannt. Man arbeitete am Farb- und Tonfilm, 3-D war ebenfalls erfunden, verschiedene Bildformate existierten, und man experimentierte sogar mit Kinoprojektoren, die elektronische Bilder projizieren konnten. Dass es dann zum Teil Jahrzehnte dauerte, bis sich eine neue Technik durchsetzen konnte, hing meist von wirtschaftlichen Gründen ab. Schon 1926 entwickelte beispielsweise Professor Chrétien ein anamorphes Breitbildobjektiv. Während er in Frankreich für sein Hypergonar-System keine Käufer finden konnte, bekundete das US-amerikanische Studio 20th Century Fox 1951 schließlich Interesse. Aus Hypergonar wurde Cinemascope, bis heute das Synonym für episches Breitwandkino.

Im letzten Teil der Pariser Ausstellung gelangt man zur Digitalisierung. Die Kuratoren halten sich mit einer Wertung zurück und präsentieren die Kameras und Kinobeamer als weitere Werkzeuge in der Geschichte des Kinos. Doch man muss nur die brillante Arbeit der Firma Technicolor, der die Berlinale 2015 die Retrospektive widmete, mit der aktuellen Kinotechnik vergleichen, um sich zu fragen, was heute technischer Fortschritt im Kino heißt. Was bedeutet es, wenn aktuelle Kinobeamer nach einigen Jahren bereits wieder veraltet sind?

Die Geschichte des Films, das ist kein konstanter, naturgegebener Fortschritt, sondern eben immer wieder auch eine Geschichte des Rückschritts. Und steht man nun in einem Museum vor Zeugnissen der Digitalisierung, wird vor allem eines deutlich: International operierende Firmen haben die Namen der Ingenieure und Tüftler abgelöst. Wer sind eigentlich die Erfinder des digitalen Kinos?

Info

De Méliès à la 3D. La machine cinéma Laurent Mannoni Bis 29. Januar 2017, Cinémathèque française, 51 rue de Bercy, Paris

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