Haltet die Briten

Europa Nach der Europa-Rede von Premier Cameron wird London beschworen, keine übereilten Entscheidungen zu treffen, doch der Abschied von der EU scheint näher denn je

James Bond, Monty Python, Mini Cooper, Shakespeare, Sex Pistols, Big Ben – die Aufzählung britischer Kulturgüter, die aus Europa nicht wegzudenken sind, ließe sich leicht fortsetzen. Selbst den Finanzinstituten an der Themse haben wir auf dem Kontinent – auch wenn das mancher nicht hören mag – zwar nicht kulturell, aber ganz sicher materiell einiges zu verdanken. Ihre Jobs, Geschäfte und Gewinne tragen dazu bei, dass Großbritannien Geld in den EU-Haushalt überweist. Ihre Tätigkeit holt Kapital nach Europa, das sonst in China, den USA oder Südamerika investiert würde. Und schließlich finanzieren sie so zu einem gewissen Teil unser aller Wohlstand. Dies bleibt richtig, trotz Gier, Bankenkrise und teilweise kriminellen Machenschaften im Finanzsektor.

Insofern lag Bundeskanzlerin Angela Merkel beim World Economic Forum in Davos richtig, als sie versuchte, dem britischen Premierminister David Cameron eine Brücke zu bauen, indem sie die notwendige Konkurrenzfähigkeit Europas betonte. Die hatte auch Cameron in den Mittelpunkt seiner Davoser Rede gestellt. Seine Botschaft: Einem Europa, das die Bewegungsfreiheit britischer Unternehmen zu sehr einschränkt, soll die Insel nicht angehören.

In der Tat muss die Wettbewerbsfähigkeit englischer, walisischer, schottischer, aber eben auch französischer, deutscher und griechischer Firmen gewährleistet bleiben. Nur wenn sie ihre Produkte auch auf den Weltmärkten zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten, werden sie zu Hause Leute beschäftigen sowie Abgaben an den Staat und die Sozialversicherungen zahlen.

Die Konkurrenzfähigkeit darf aber nicht das einzige Element des Kompromisses sein, den die Europäische Union mit der britischen Regierung offenbar neu aushandeln muss. Ebenso wichtig ist das soziale Versprechen an die Bürger und Arbeitnehmer, dass Europa ihren Lebensunterhalt, ihre Lebensrisiken und ihre Lebensqualität absichert. Europa ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Sozialunion – ohne diese Kombination sehen viele Einwohner der 27 Staaten keinen Sinn in der gemeinsamen Veranstaltung. Wenn es der angelsächsischen Tradition entspricht, kann London sich vielleicht hier und da aus diesem Sozialmodell ausklinken, darf sein Funktionieren aber nicht insgesamt infrage stellen.

Der dritte Bestandteil des Kompromisses lautet „Integration“. Die 17 EU-Staaten mit der gemeinsamen Währung Euro haben während der Schuldenkrise festgestellt, dass sie die gemeinsamen Institutionen stärken müssen und beispielsweise eine einheitliche Bankenaufsicht brauchen. Als nicht Euro-Mitglied muss Großbritannien dabei nicht mitmachen, sollte jedoch diesen Prozess nicht hintertreiben. Und viertens erscheint ratsam, dass die Euro- und EU-Staaten das ausgeprägte britische Bedürfnis nach Autonomie und Eigenstaatlichkeit respektieren, wo immer es machbar ist.

Weder die Bürger noch die Regierungen sollten eine Europäische Union, die auch weitere Staaten aufnimmt, infrage stellen oder gar den Austritt erwägen. Denn ohne das Vereinigte Europa sinken die einzelnen Länder des alten Kontinents zu Randregionen herab, die gegenüber den neuen Mächten auf dieser Welt bald keine Rolle mehr spielen würden.

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